Çeşme -> Aydın

June 26th, 2007

Easy. In der Primetime nach der Tageshitze und vor der abrupten Daemmerung fische ich mir erst einen Pritschen-LKW mit zwei Tür-Installateuren drin aus dem Gewusel am Ortsausgang von Çeşme. Sie hoeren den je hiphoplastigsten Sender, der gerade zu empfangen ist, versorgen mich mit Wasser und Zigaretten und lassen mich dann allerdings leicht suboptimal an einem grossen Autobahnkreuz im Sueden von İzmir raus.

In der Gewissheit, mich jetzt voellig abzuschiessen, stratze ich unter und neben der Autobahn huegelauf und huegelab los, auf der Suche nach der naechsten Ausfahrt. Mein Glueck, dass sie schon nach drei Kilometern, wenngleich nach ein paar boesen Steigungen, auftaucht, noch mehr Glueck, dass mich im letzten Moment vor der hereinbrechenden Dunkelheit gleich das erste vorbeifahrende Auto mitnimmt und, tja, Bonus-Glueck, dass der Fahrer mir freudig und kundig Selçuk und die Umgebung zeigt, einen Beutel (!) Lahmaçun von einem Familienabendbrot dabei hat, mich auf einen Drink in Kuşadası einlaedt und mich schliesslich in seiner Wohnung nahe dem Campus der Universitaet von Aydın einquartiert.

Er ist praktizierender Kinderarzt, der gerade schwer damit zu tun hat, in der Hitze im 4. Stockwerk direkt unter dem Dach zu arbeiten. Frueher ist er selbst viel getrampt, eınmal von Ancona nach Stuttgart. Sein Bruder gehoert, wenn ich das richtig verstanden habe, der ÖDP an und hat fuer sie in Bruessel u.a. mit der deutschen Linkspartei zu tun.

Er schwaermt von den Oliven, Feigen und dem Wein der Gegend und wir fınden verschiedene Uebereinstimmungen zum Thema EU-Beitritt der Tuerkei und Laizismus. Seine Universitaet, sagt er, sei eine Hochburg des Saekularismus. Die bevorstehenden Wahlen seien ungluecklicherweise auf einen Termin gelegt worden, an dem die Opposition sich im Urlaub befinde, so dass aus der Abwahl der AKP wohl nichts werde.

Uebel wurde es voruebergehend, als er auf den Voelkermord an den Armeniern zu sprechen kam und alle wohlbekannten Leugnungs-Argumente auspackte: die Armenier seien Kollaborateure gewesen, haetten selbst Massenmorde an Tuerken veruebt, es wuerden immer noch welche in der Tuerkei wohnen, sie seien nur des Landes verwiesen worden, einige seiner besten Freunde seien Armenier usw. usf. Allerdings war er meinen Gegenargumenten offensichtlich zugaenglich und verteidigte seine Position nicht eben heftig.

In der Hitze schlafen muss ich noch ueben, am besten jetzt. Heute morgen konnte ich akustisch nicht unterscheiden, wann der Muezzin fertig gesungen hatte und wann die Haehne anfingen zu kraehen. Ich bin mit einer Dolmuş-Verbindung nach Selçuk gefahren, habe mir unweit des Artemisions ein Zimmer genommen und schwitze.

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