Ganz konkret

August 10th, 2007

Abgesehen von wenigem wie der neu eingerichteten Kolumne zum Nachspüren einst für einflußreich gehaltener Bücher, die heute keiner mehr kennt, fällt die konkret diesen Monat vor allem durch eine ärgerliche Aneinanderreihung von Artikeln wie “Mit Adorno durch Second Life” (“Weil er Adorno nie gelesen hat, fällt ihm natürlich nicht auf…”), “Marx in Springfield” (“Wir stellen uns ja auch einen Berlusconi nicht als glücklichen Menschen vor, wohl aber eine Marge Simpson”) und Antisemitismus in US-Serien (“South Park… satirisch überzogen bis zur Schmerzgrenze”) auf, die den jeweiligen popkulturellen Phänomenen überhaupt nicht gerecht werden und auf der Ebene anfängerhafter Beschreibung steckenbleiben.

Den Vogel schießt jedoch Ralf Schröder ab, der folgendermaßen ausdrückt, daß er die flinke Lektüre von Forumsbeiträgen bei Focus Online für tauglichen Rechercheersatz zum Thema Empirie und Volkes Stimme hält:

>>Es ist noch gar nicht so lange her, daß für die Erforschung des allgemeinen Empfindens komplizierte Ermittlungen notwenidg waren. Der Sozialwissenschaftler mußte Erhebungsbögen entwerfen und Leute finden, die seine Fragen beantworten, der Freizeitempiriker zog durch die Kneipen und horchte behutsam, wie an den Stammtischen die drängenden Fragen der Zeit verhandelt wurden. Doch auch auf diesem Feld hat der technische Fortschritt deutliche Spuren hinterlassen. Nachdem man das demokratische Potential des Internet erkannt hat, unterhalten die Redaktionen von Zeitungen, Rundfunksendern und TV-Stationen Webforen, die den Konsumenten dazu einladen, die Erkenntnisse der Journalisten durch eigene Beobachtungen und Schlußfolgerungen zu ergänzen. Aufgrund der hohen Resonanz von Seiten der Bürgerinnen und Bürger haben diese Plattformen den Aufwand für empirische Sozialforschung drastisch reduziert. Den anonymen Statements der digitalen Diskussionsrunden kann mühelos, repräsentativ und schnell entnommen werden, wie die kollektive Psyche auf bestimmte Personen und Sachverhalte reagiert.<< Kurz: Nicht nur Recherche ist irrelevant, auch die Unterschiede zwischen Stammtisch und bundesweit öffentlichem Internetforum, zwischen persönlich und anonym, zwischen mündlich und schriftlich, zwischen verbaler Empfehlung und digitalem Verweis sind allesamt wurscht.

7 Responses to “Ganz konkret”

  1. Tino Says:

    Es ist halt auch billiger und in Zeiten des Kapitalismus…
    Man kann sich jetzt aber auch fragen, ob man überhaupt nach an ernsthafter Recherche interessiert ist und nicht nur “interessante” Ansichten der Leute zu pauschalisieren und zu vermarkten versucht.

  2. vr Says:

    Eben.
    Stammtisch = muss Wohnung verlassen
    Internet = muss Wohnung nicht verlassen

  3. classless Says:

    Meinetwegen soll er seine Texte aus Forumspostings gewinnen – ich fand vor allem die Begründung putzig.

  4. Lupe Says:

    ist doch besser so. bei der mund.zu.mund-befragung im zusammenhang mit sozialwissenschaftlichen studien oder erhebungen pfuschen zu viele momentbezogene, visuelle, stimmungsmässige und akustische signale – bewusst oder unbewusst – ins handwerk, beeinflussen und verfälschen das ergebnis.

    da lobe ich mir sachliche umfragen auf distanz. und wie ginge dies besser als via internet.
    🙂

  5. Lupe Says:

    wobei, … bei der erhebung links (“welche version…”) handelt es sich ja um eine solche erhebung auf distanz und per internet. und wegen dem optischen layout, wird das ergebnis auch beeinflusst, weil ich die schrift im rot kaum lesen kann.

    also doch nichts von unbeeinflusster, sachlicher erhebung via internet.

  6. classless Says:

    Grad mal wieder geschaut – ist ja immer noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Original-, der Gabber- und der Lasterfahrer-Version.

  7. godforgivesbigots Says:

    Schröders website ist immer noch offline, und er hat einen Web-Stalker recht weit oben im Google-Ranking.

    IMHO hat er mit dem Zitat gleichzeitig recht und auch wieder nicht recht, das Netz ist sehr brauchbar um zu sehen welche Positionen es gibt, taugt aber fast nichts um sie gegeneinander zu gewichten.

    Repräsentativ also nur insoweit wie Fundsachen ein Kontinuum repräsentieren können.

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