Stasi 0.5 protokolliert

January 2nd, 2008

Solange der Mitschnitt noch nicht online ist, läßt sich dank plomlompom der Inhalt meines Vortrags auch so gut nachvollziehen:

>>Kulla meint, er störe sich nicht daran, dass die Kampagne populistisch sei, sondern dass ihr Populismus nicht zu funktionieren scheine. Er setzt die Intention seiner Kritik darin, Verbesserungs-Anregung zu liefern.<< futur:plom

14 Responses to “Stasi 0.5 protokolliert”

  1. godforgivesbigots Says:

    Soso, wenn der Wächterrat das Bundesverfassungsgericht das Vorratsdatenspeicherungsgesetz kassiert wirst Du also alles widerrufen. Trau, schau, wem.

    Das BVerfG hat am 25. August 2005 einen interessanten Punkt benannt:

    Ob eine Regierung politisch noch handlungsfähig ist, hängt maßgeblich davon ab, welche Ziele sie verfolgt und mit welchen Widerständen sie aus dem parlamentarischen Raum zu rechnen hat. Die Einschätzung der Handlungsfähigkeit hat Prognosecharakter und ist an höchstpersönliche Wahrnehmungen und abwägende Lagebeurteilungen gebunden.

    Auf deutsch gesagt, als Antwort auf die Vertrauensfrage weist der Wächterrat der Bundesregierung die Rolle eines Orakels zu. Wenn dem Orakel nichts mehr einfällt darf es durch die Hintertür zurücktreten. Es würde mich nicht wundern wenn aus dieser angenommenen Prognosefunktion auch ein Anspruch auf Überwachung abgeleitet werden würde. Sozusagen wenn der Regierung nichts mehr einfällt darf sie beim Volk spicken. So entfaltet der Begriff der Vertrauensfrage endlich seine vollständige Bedeutung.

  2. classless Says:

    Der Hauptgrund, die Kampagne zu kritisieren, besteht tatsächlich in ihrer Erfolglosigkeit. Kippt das Gesetz, würde ich meine Kritikpunkte für vermutlich kommende ähnliche Kampagnen aufrechterhalten – akut ging es mir aber darum, das konkrete Gesetz zu verhindern. Und es läßt sich nicht behaupten, daß die Sammelklage ohne die Aktivisten einen solchen Umfang bekommen hätte.

  3. Markus Says:

    “Dass die Gefahr der Vorratsdatenspeicherung viel mehr etwa darin liegen mag, eine Nicht-auffällig-werden-Konformisierung in der Bevölkerung zu erzeugen, das komme im Begriff “Stasi 2.0” eben gerade nicht heraus.”

    Vermutlich wiederhole ich mich nur, aber ich bin immer noch der Meinung, daß GERADE die Erzeugung der “Nicht-auffällig-werden-Konformisierung” eine zentrale Wirkung der Stasi war. In dem Zusammenhang erinnere ich mich an eine konkrete Aussage aus dem privaten Umfeld in der DDR, die sich darum drehte, nicht auffällig werden zu wollen. Ich stimme gerne überein, daß selbstverständlich die Metapher in anderen Bereichen nicht zutreffend ist, aber die zulässige Parallele zur Stasi sehe ich in diesem Punkt explizit gegeben. Aber vermutlich ist das einfach das Wesen historischer Begriffe: daß jeder ein andere Vorstellung damit verbinden kann.

  4. godforgivesbigots Says:

    Was ist denn genau Erfolg in dieser Situation? Der alte Status Quo ist durch das Entstehen von großen, städtischen, jungen, nicht überall islamischen Populationen obsolet geworden. Diese beherbergen einerseits die terroristischen Unwägbarkeiten von denen sich die Statusquoverwalter zur überwachungstechnischen Durchdringung der Gesellschaft getrieben sehen. Andererseits sind diese Populationen auch eine Zielgruppe, die ein objektivea Interesse an sicheren Kommunikationsmitteln hat. Der Ausnahmezustand in Kenia beispielsweise umfaßt auch SMS-Zensur, was mit Endgerät-zu-Endgerät-Verschlüsselung gar nicht möglich wäre. Hat der CCC das Erbe seiner Märtyrer für diese Sache angemessen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Oder hat sich der Chaoten oberster Legendenverwalter von der literarischen Jauchegrube beeindrucken lassen, die auf dem ungepflegten Grabmal entstanden ist?

    Zur vorübergehenden Präsenz im öffentlichen Raum hat es ja auch gereicht. Auf der Demonstration am 6.11.2007 in Freiburg/Breisgau gab es neben den Unterschriftenlisten und der Trommelgruppe ein Megaphon, und damit verkündete einer den kürzesten Redebeitrag aller Zeiten: “Die Demonstration hat ihren Thinktank ausgesurrst.” – Stimmt genau. Aber wohin? In die Blogsphäre? Und wenn dem so ist, was kommt von hier? Der Aktivismus hat schon ein bestimmtes Drehmoment erreicht, aber eine Richtung hat das alles noch nicht.

    Eine Klage zwingt den deutschen Wächterrat seine Karten auf den Tisch zu legen, und das tut gerade jetzt Not, sicherlich, aber das Grundgesetz als solches gesehen ist ja auch schon länger ein Auslaufmodell, und solange es keinen besseren Entwurf für die Verfassung der Europäischen Union gibt als den unsäglichen Backstein des Herrn d´Estaing ist es gar nicht zu vermeiden dass die Europäisierungstendenz über mehr zur Selbstermächtigung der Zentralgewalt ausbeutbare Schwachstellen verfügt als alles was Bill Gates persönlich programmiert hat.

  5. ghost Says:

    Kurios. Das sehen meine Verwandten ganz anders. Die sagen, daß das Aufmucken im Gegenteil damals gesellschaftlich weniger bestraft wurde als heute. Gehören auch zur “es war ja nisch alles schlecht” Kategorie. 🙂

  6. Markus Says:

    @ghost: Ja, kurios. Ich kann mich an eine andere Gelegenheit erinnern, als wir ein Anti-AKW-Blatt irgendeiner einer linken westdeutschen Organisation in die Finger bekamen (Ging das überhaupt vor der Wende? Vielleicht wars auch kurz danach?). Dort waren die Standorte der AKWs verzeichnet, verbunden mit der Aufforderung, weitere Informationen dazu zu recherchieren – möglicherweise auch vor Ort. Wir staunten: dies würde – so spekulierten wir – in der DDR als Spionage angesehen werden. Ob dem nun so gewesen wäre oder nicht – der Punkt ist, daß es dieses Gefühl gab bzw. die Verunsicherung.
    Ich denke das Aufmucken kann man da nur auf ganz verschiedenen Niveau-Leveln vergleichen. Was ich natürlich auch auf meine Äußerung zu “Konformität erzeugen” beziehen möchte.

    Übrigens: vielleicht solltest Du Deinen Verwandten mal das Buch “Die wunderbaren Jahre” von Reiner Kunze schenken, als kleine Gedächtnisauffrischung.

    “Beklemmender noch als die Machtausübung von oben schildert der Autor die perfekten Unterdrückungsmechanismen, durch die Spießer und Ordnungshüter der Jugend Spontaneität austreiben und harmlose individuelle Lebensäußerungen: Jeans tragen, Jazzgruppen nachreisen, auf dem Brunnenrand Gitarre spielen, gammeln, trampen, ein Orgelkonzert in der Kirche besuchen …”
    (Aus der Kurzbeschreibung)

  7. godforgivesbigots Says:

    Huh? Hängt mein gestriger Kommentar noch in irgendeinem Filter?

  8. ghost Says:

    Das Buch ist ein böswilliger Zusammenschnitt. 😉
    Wenn man schon ein schlechter Lyriker ist, muß man damit punkten. Kunze.

    In jedem Fall ist wohl die Frage wen man fragt, Systemgewinner oder-verlierer. Systembefürworter oder -kritiker. Sowas alles.

  9. Markus Says:

    @ghost: Dann ist also Kulla ebenso wie Deine Verwandten ein DDR-Systemgewinnler – weil er nicht an die Konformität erzeugende Wirkung der Stasi glaubt. Großartig! Damit hätten wir die große Kulla-Verschwörung wohl endlich aufgedeckt! 🙂

  10. dirk Says:

    Das Problem welches ich sehe, ist das selbst gesetz dem Fall das BVG kippt den Gesetzesentwurf, so sind die bereits seit Jahren bestehenden Überwachungsmaßnahmen (z.B.: das umfangreiche Agieren des BfV) nicht eigentlich nicht hinnehmbar. Abgesehen davon das die Exekutive zur Durchsetzung ihrer Ziele auch bewusst zu nicht gesetzeskonformen Handlungen greift. Die so widerrechtlichen Beweismittel können dennoch zu einer Strafverfolgung genutzt werden. (siehe auch aktuell G8 Hausdurchsuchungen) Die aktuelle Bewegung um die VDS ist zwar so gesehen gut, aber letztlich ein letztes ohnmächtiges (?) Aufbäumen einer versagenden Parteien-Demokratie (?)…

  11. schallstrom Says:

    Dachte, das könnte dich interessieren:

    Berlin (F-hain), Warum die Kritiken an Stasi 2.0 ins Leere laufen

    Diskussionsveranstaltung am Dienstag, d. 15.01.2008 um 19.30 Uhr im Vetomat (Scharnweberstr. 35, U-Bahnhof Samariterstr.)

    http://www.junge-linke.de/veranstaltungen/berlin_fhain_warum_die_kritike.html

  12. ghost Says:

    “Die so widerrechtlichen Beweismittel können dennoch zu einer Strafverfolgung genutzt werden.”
    Sie können?

  13. dirk Says:

    ““Die so widerrechtlichen Beweismittel können dennoch zu einer Strafverfolgung genutzt werden.”
    Sie können?”
    In wie weit man hier differenzieren muß, kann wohl nur ein Anwalt sicher sagen. Aber ich kann mich an eine solche Aussage erinnern welche auf dem 23c3 Event (2006) in einem Vortrag von einem Anwalt im Zusammenhang mit Haussuchungen auf Grund von Gefahr in Verzug getroffen wurde. Und AFAIK wird auch in dem Rote Hilfe-Flyer drauf hingewiesen.

  14. godforgivesbigots Says:

    dirk –

    Die aktuelle Bewegung um die VDS ist zwar so gesehen gut, aber letztlich ein letztes ohnmächtiges (?) Aufbäumen einer versagenden Parteien-Demokratie (?)…

    … vor dem alles überwuchernden Internet, das all die mühsam konservierten innerkulturellen Informationsbarrieren und damit die Ursachen jedes gesellschaftlichen Gruppendrucks unterminiert, und uns so allesamt zu Cyberlandstreichern ohne Innere Führung macht.

    Dabei setzt Frau Merkel mit ihrer Politik des Abschieds vom Dhimmitum und der Renaissance der Westbindung gesamtstrategisch selbst genau auf diese machtzersetzende Wirkung bestimmter Tendenzen des technologischen Fortschritts – aus ihrer ersten Regierungserklärung:

    Diese Koalition will Rituale überwinden und neue Wege aufzeigen. Viele werden sagen: Diese Koalition, die geht ja viele kleine Schritte und nicht den einen großen. Ich erwidere ihnen: Ja, genau so machen wir das. Denn wir glauben, dass auch das ein moderner Ansatz sein kann. Es hat sich herausgestellt, dass die Vernetzung von vielen kleinen Computern, an vielen Stellen, effektiver ist als der eine Großrechner – der Erfolg des Internets beruht auf genau dieser Philosophie. Deshalb werden wir eine Regierung sein, die diese vielen kleinen Schritte ganz bewusst in Angriff nimmt. Wir werden uns nicht drücken vor dem Handeln, wir werden eine Regierung der Taten sein. Wir wissen, dass wir auch Rückschläge werden hinnehmen müssen. Aber wir werden eines zeigen: Wir haben große Möglichkeiten in diesem Land. Deutschland ist voller Chancen, nach innen wie nach außen.

    Und jetzt: Statt richtungsweisender Taten wie einen Ausstieg aus den Berlin-Umzugsplänen des BND übernimmt die Bundesregierung planlos die kontrollversessenen Vorschläge der um ihre Existenz bangenden Geheimdienste, obwohl diese doch im Fall Saddam bekanntlich totalversagt haben. Statt mehr Chancen gibt´s mehr Überwachung, und die Ursache dafür ist daß Frau Merkel der angestrebte Schlußstrich unter den großplanerischen Gesellschaftsmodellen der Vor-68er-Zeit noch nicht wirklich gelungen ist.

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