Dresden Nachlese

February 20th, 2010

In dieser Coloradio-Sendung vom Dienstag spricht der famose Moderator mit blumigen Formulierungen einige wunde Punkte an, schafft es aber nur zum Teil, von den Aktivisten von “Dresden Nazifrei” darauf Antworten zu bekommen. Bemerkenswert etwa, wie darauf reagiert wird, als es um die ignorierte Blockade auf der Marienbrücke gehen soll: erst “Ach, du meinst diese 200 Leute da…” und dann die Mutmaßung, das wäre die gleiche Blockade wie an der Ecke Anton-/Leipziger Straße gewesen…

>>Thüringens Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow ist nach der Demonstration gegen den Nazi-Aufmarsch am vergangenen Wochenende in Dresden im Internet bedroht worden. Auf der Kurzmeldungs-Plattform «twitter» wurden ihm unter anderem Schläge angedroht, solle er sich noch einmal in Dresden sehen lassen.<< (Südthüringer Zeitung, via)

Aus der Diskussion unter meinem Bericht zum Wochenende möchte ich aus einem Kommentar von Xenu’s Pasta zitieren:

>>Jahrelang (spätestens seit dem “Aufstand der Anständigen”) haben wir uns darüber beschwert, wie beschissen es ist, wenn wir als “Linksradikale” aus Notwendigkeit hauptsächlich damit beschäftigt sind, Anti-Nazi-Aktionen zu machen. Wie fragwürdig es ist, wenn ausser Lippenbekenntnissen einiger öffentlicher Personen niemand sich darum kümmert. Und am Ende wir uns selbst vorwerfen, das Image der Stadt, kein vollkommen braunes Kacknest zu sein, mal wieder ein Stück gerettet zu haben.

No Pasaran/Dresden Nazifrei ist genau die Antwort darauf. Es gibt tatsächlich (inzwischen?) Leute, die sich als ganz normaler Teil der Gesellschaft zu begreifen scheinen, die was gegen Nazis machen. Gut so! Und sie habens sogar gebacken gekriegt. Ganz anständig, (im wesentlichen) unter Wahrung des Gewaltmonopols, mit Liedermacher und Rednerliste. Mein Beifall. Vielleicht lässt sich das ausbauen, Naziaufmärsche gibts nicht nur am 13. Februar.

Der Grundkonsens ist “Gegen Nazis”, sonst nichts weiter. Nur so können Massen (!) von Leuten mobilisiert werden, jedes weitere Vertiefen könnte (und wird) Leute vergraulen. Die Marginalisierung weitergehender Kritik kennen wir aus der Vergangenheit von anderen Bündnisversuchen, die sich gegen Nazievents richteten. Meist darum, weil wesentliche Teile dieser Bündnisse tatsächlich von weitergehender Kritik angegriffen werden.

Warum nicht also einfach No Pasaran / Dresden Nazifrei da stehen lassen, wo sie sind (auf den Blockaden), wenns zeitlich passt auch mitmachen (ging ja dieses Jahr ganz gut). Und jetzt sich selbst wieder ein wenig mehr um die Kritik kümmern, weil der ganze Orga-Kram des Tages eh bei den Leuten ist, die das geil finden. Und siehe, aus der Perspektive: es gab zusätzlich noch die Vorabenddemo, die nämlich genau das kritisierte, was den Naziaufmarsch als Dauerevent erst möglich machte: das Gedenken am 13. Februar als geschichtsrevisionistisches Symbol.<< And the next thing - Useless: Die Blaupause Dresden. (via besserscheitern)

>>In Sassnitz werden aller Voraussicht nach am 06. März wieder nur die üblichen dreihundert NPD-Anhänger aus dem gesamten Bundesland und vielleicht ein oder zwei Autoladungen angereister Nazis aus Schweden oder Berlin auftauchen. Ihren größeren Erfolg werden sie vielmehr im Transport ihres Totenkultes zu den Gedenkveranstaltungen in den Rathäusern und Kirchen sehen, während kritische Intervention zunehmend unter die Räder der Extremismustheorie gerät.<<

4 Responses to “Dresden Nachlese”

  1. hiolida Says:

    no pasaran als bürgerlich zu bezeichnen… naja, sind auch nicht mein fall. verstehen sich aber explizit als linksradikal.

  2. useless Says:

    mercie für die erwähnung 🙂

  3. Xenu's Pasta Says:

    No Pasaran selber als bürgerlich zu bezeichnen oder nicht, ist glaub ich nicht weiter relevant. Soweit ich weiss, ist das ein Bündnis von Antifagruppen, Dresden Nazifrei als organisierendes “Dachbündnis” der Blockade integriert halt alle möglichen (beliebigen) Gruppen und Leute ausser Nazis.

    Ich will mich jetzt auch nicht so an die Dichotomie “linksradikal” vs. “bürgerlich” hängen. Das Identitätsgemache nervt. Den Labelstreit um “antideutsch” haben auch genau die Leute verloren, die sich hauptsächlich mit der Kritik der Zustände befasst haben: ausgegrenzt vom Rest der Linksradikalen und ausgelacht von denen, die mit “antideutsch” erfolgreich Identitätspolitik gemacht haben.

    Ich will hier vielmehr die inhaltliche Beliebigkeit kritisieren. Der Aufruf von Dresden Nazifrei enthält nix dazu, wie’s denn kommt, dass das die Nazis so attraktiv finden.

    No Pasaran ist deutlich besser: “So diente die Bombardierung teilweise auch im bürgerlichen Lager der Relativierung der deutschen Kriegsschuld und dem Aufbau eines deutschen Opferbildes […] Es ist kein Zufall, dass Neonazis jedes Jahr ausgerechnet in Dresden aufmarschieren.[…] Doch hier können Neonazis in besonderer Art und Weise politischen Profit aus dem seit Jahrzehnten gewachsenen internationalen Symbol und den darin gepflegten Mythen ziehen.” Interessant, in Dresden findet der klassische Geschichtsrevisionismus der Nazis als Anknüpfungspunkte. Bei wem? Bürgerliches Lager. Und irgendwie auf besondere Art und Weise. Wäre für mich schon mal ein eindeutiger Abgrenzungsgrund.

    Es geht weiter: “Heute geht es in geschichtspolitischen Debatten vornehmlich um eine zeitgemäßere Interpretation der deutschen Vergangenheit. Dabei wird die deutsche Schuld sehr wohl eingeräumt, gleichzeitig jedoch auf eine gesamteuropäische Verantwortung verwiesen. […] Die Erkenntnis, dass alles irgendwie ganz schlimm war, vernachlässigt die politisch-historischen Zusammenhänge und dient einem geschichtspolitischen Normalisierungsprozess, in dem die besondere historische Rolle Deutschlands verwischt wird. Das Besondere des Nationalsozialismus und der Shoa verschwindet in einem sogenannten Europa der Diktaturen.” Der neue Geschichtsrevisionismus. Nicht näher bezeichnet, aber doch implizit seitens der Mitte der Gesellschaft. Ebenso kein Grund für Händchenhalten.

    Bei No Pasaran scheint also wenigstens die Erkenntnis gereift zu sein, dass der Geschichtsrevisionismus (in besonderer Weise in Dresden!) aus der Mitte der Gesellschaft kommt.

    Was ich jetzt nicht verstehe: angesichts der obigen Erkenntnis, wieso zieht No Pasaran daraus keine Konsequenzen? Wo bleibt auch nur ein winziger inhaltlicher Rest dieser Analyse in der Aussenwirkung von Dresden Nazifrei und den Blockaden? Wieso gibts ernsthaft Verständnisprobleme, wenn Leute beschliessen, sich aktiv gegen dieses Gedenken zu positionieren?

  4. Wendy Says:

    Der Grundkonsens ist “Gegen Nazis”, sonst nichts weiter. Nur so können Massen (!) von Leuten mobilisiert werden, jedes weitere Vertiefen könnte (und wird) Leute vergraulen.

    Armutszeugnis.

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