Die Lage

November 15th, 2012

Mir geht’s überhaupt nicht gut und das wird sich erstmal für eine Weile nicht ändern. Wenn zuletzt viele zu denken schienen, daß ich irgendwie einfach alles aushalte: Nein, ich halte das nicht alles aus.

Und es hilft jetzt nicht wirklich, wenn es als Selbstmorddrohung oder Erpressungsversuch behandelt wird, wenn ich detaillierter ausführe, wie’s mir geht.

Die schlimmsten Reaktionen sind “gut gemeint”. Am meisten hilft – wie auch sonst -, wenn ich sehe, daß irgendwo versucht wird, der Gesamtscheiße auf die Schliche zu kommen und sie vielleicht doch irgendwann mal noch loszuwerden; wenn ich mitbekomme, daß Leute sich und anderen Handlungsfähigkeit verschaffen, um es mit dieser Welt aufzunehmen, die unabhängig von meinem Befinden nach wie vor die gleiche blöde Welt ist.

Die Welt, in der unter der Überschrift “Die Gewalt der Zinsen” die bange Frage gestellt wird: “Kann es sein, dass Finanzmärkte nie wieder zu Dienern der Warenmärkte werden?” (Cordt Schnibben/Spiegel)

Die Welt, in der Folgendes nicht einfach unter “Ökonomischer Gottesdienst” läuft, sondern als Spezialität von Apple gilt: “Zu Weihnachten 2011 erhielten die Beschäftigten einen roten Fleecepullover, auf dem das Apple-Logo eingestickt ist. Es kratzt und ist von so billiger Qualität, dass den Träger alle paar Minuten elektrische Entladungen zwicken. Deshalb darf der Pulli im Laden nicht getragen werden. Die Ware könnte Schaden nehmen.” (“Im Hüllenhimmel”)

Auch diese Welt: “Wenn mir ein Pirat sagt: ‘Ich habe mir die Sendung mit meiner Oma angeschaut, die hat sich furchtbar über deinen ausgefransten Pulli aufgeregt’, dann ist das ein Feedback, das mir sehr wertvoll ist.” (Johannes Ponader)

Und nicht zuletzt die Welt, in der ich nach mehr als fünf Jahren “Entschwörungstheorie” mittlerweile lieber etwas unter der Überschrift “Warum (Linke) Verschwörungsideologie nur verspotten können, aber nicht kritisieren” schreiben würde. Wo Elke Wittich von den psiram-Leuten zur Frage von Wissenschaft und Verschwörungsdenken diese ernstgemeinte Antwort erhält und so stehenläßt: “Deshalb zählen in der Wissenschaft nicht Personen, Autoritäten und deren Meinungen, sondern Daten, Fakten und Nachweise.” Wo eine “kleine amüsante Reise durch die Welt der Esonazis und braunen Verschwörungstheorien” unternommen wird: “Es darf zwischendrin – bei Vortrag und Film – auch ohne Hand vor dem Mund gelacht werden.” Haha, die Mondverschwörung – wir sind ja nicht so blöd wie die! Verschwörungsdenken ist das, was in diesen komischen Kneipenhinterzimmern bei diesen Kloppos passiert, haha! Die Standardfrage an mich ist nach wie vor: “Was ist die lustigste Verschwörungstheorie?”

Ich hoffe, mit dem neuen Buch besser durchzudringen. (Auch wenn es bisher angesichts der “Das ist doch der mit den Drogen”-Kommentare nicht sehr vielversprechend aussieht…)

Summa: fight the monsters in theory & praxis, and tell me about it! (Wie gesagt, eigentlich wie immer.)

Macht’s euch nicht zu einfach, macht’s euch nicht zu schwer, paßt auf euch auf, paßt aufeinander auf!

10 Responses to “Die Lage”

  1. gutes Gewissen for free. « PeRouSaLeM. Says:

    […] gutes Gewissen for free. 15. November 2012 in Politik und linke Politik Wo eine “kleine amüsante Reise durch die Welt der Esonazis und braunen Verschwörungstheorien” unternommen wird: “Es darf zwischendrin – bei Vortrag und Film – auch ohne Hand vor dem Mund gelacht werden.” Haha, die Mondverschwörung – wir sind ja nicht so blöd wie die! Verschwörungsdenken ist das, was in diesen komischen Kneipenhinterzimmern bei diesen Kloppos passiert, haha! – Kulla […]

  2. Mäx Says:

    Ich hab Hegel auf meinem IPad gelesen und alles was mir davon bleibt ist dieser kratzige rote Kaputzenpulli den ich anhab.

  3. Benni Says:

    Manchmal ist Spott aber auch die effektivste Form von Kritik.

  4. classless Says:

    Er ist aber kein Ersatz (und könnte außerdem durchaus auch treffender sein).

    Das Problem ist, daß diese Selbstvergewisserungs-Sessions das sind, was passiert, während die Kritik so gut wie nicht stattfindet.

  5. cesimbra Says:

    Hey, Daniel,

    ‘räume gerade ein paar alte Dateien auf einem Backup auf und habe dabei Dein pdf von GPN4 (wieder-)entdeckt.
    Ich wollte Dir einmal ein “Danke” sagen für Deine Inspirationen und die wenigen Texte, die ich von Dir kenne.

    Liebe Grüße
    Thomas Schmidt

  6. Wendy Says:

    “Manchmal ist Spott aber auch die effektivste Form von Kritik.”.

    Nein.

    “Schwer, eine Satire zu schreiben. Nicht bloß weil der Zustand, der ihrer mehr bedürfte als je einer, allen Spottes spottet. Das Mittel der Ironie selber ist in Widerspruch zur Wahrheit geraten. Ironie überführt das Objekt, indem sie es hinstellt, als was es sich gibt, und ohne Urteil, gleichsam unter Aussparung des betrachtenden Subjekts, an seinem Ansichsein mißt. Das Negative trifft sie dadurch, daß sie das Positive mit seinem eigenen Anspruch auf Positivität konfrontiert. Sie hebt sich auf, sobald sie das auslegende Wort hinzufügt. Dabei setzt sie die Idee des Selbstverständlichen, ursprünglich der gesellschaftlichen Resonanz voraus. Nur wo ein zwingender Consensus der Subjekte angenommen wird, ist subjektive Reflexion, der Vollzug des begrifflichen Akts überflüssig. Der bedarf des Beweises nicht, welcher die Lacher auf seiner Seite hat. Historisch hat demzufolge die Satire über Jahrtausende, bis zum Voltaireschen Zeitalter, gern mit Stärkeren es gehalten, auf die Verlaß war, mit Autorität. […] Doppelzüngige Vergeistigung der Erscheinung will allemal den Satiriker amüsant, auf der Höhe des Fortschritts zeigen; der Maßstab aber ist der je vom Fortschritt gefährdete, der doch soweit als geltende Ideologie vorausgesetzt bleibt, daß das aus der Art geschlagene Phänomen verworfen wird, ohne daß ihm die Gerechtigkeit rationaler Verhandlung widerführe.”

    (Minima Moralia)

  7. classless Says:

    @ cesimbra

    Danke!

  8. Fidus Says:

    Besonders ärgerlich finde ich realitätsverdrängende Aussagen wie etwa in den Antifa-Nachrichten vom 7.11.2012 (10. Minute) “Wir haben keine faschistische Regierung”, bzw. wie der FSK Transmitter 11/12 in seiner NSU-Jahresbilanz feststellt “dass [die Antifa] jetzt in der Analyse des Geschehens versagt.” Vielleicht sollte sich die Antifa einen neuen Begriff suchen für ein Regime welches das faschistische Eroberungsziel erreicht hat das die Nazis nicht geschafft haben:

    In the European South, and for the moment only in Greece, the local elites in collaboration with the transnational elite which administers Neoliberal Globalization and is represented in Greece by the main organs of it in Europe, i.e. the EU, the ECB and IMF (the Troika), have created an informal Protectorate of the EU and the Transnational Elite, in which all main economic decisions are taken by this troika, in a form of Economic Occupation that the country has never known before. This Occupation, which is differentiated from a Military Occupation, in the sense that an Economic Occupation is an Internal Occupation and not simply a Foreign one, takes place not only with the raw application of Economic Violence (mass unemployment, horizontally cutting down wages, pensions, abolishing the remnants of a pathetic social welfare, withdrawing collective labour agreements and introducing individual labour agreements, “Flexicurity,” etc.), but also with the unhindered use of Physical State Violence, and lately violence by an anti-immigrant racist organization, which is tolerated by the State and is fully backed by its security services (Golden Dawn).

    Nochmal Transmitter:

    [E]inige Demonstrant_innen hatten sich mit Nazi-ähnlichen Uniformen verkleidet und paradierten mit Militärjeeps, wie die Besatzer in den Jahren 1940 bis 1945, und verbrannten Hakenkreuzfahnen. Würde jemand diese Leute als „die tausend griechischen Antifaschisten“ bezeichnen, wäre das ein schlechter Scherz. Es ist sehr schwierig Antifaschisten zu finden, nämlich dann wenn sie gebraucht werden: zum Beispiel bei den hunderten von Attacken auf Migrant_innen und Flüchtlinge. Wenn aber die finanziellen Unterstützungen von der Regierung gestrichen werden, verfluchen sie plötzlich Hitler (= Merkel) aufs Übelste und werden „Antifaschist_innen“. Und in wieder anderen Fällen sagen die gleichen Leute im Café sitzend: „Wir bräuchten jetzt einen Hitler!

    Und weil sie wissen dass die Gestapo dennoch in einer politisch dermaßen desolaten Lage ist dass sie es sich derzeit nicht einmal leisten kann ihre Kollaborateure abzuservieren, nutzen die brutalisiertesten darunter die Gelegenheit aus einen klassischen Bruderkrieg vom Zaun zu brechen als ob es die Ereignisse vom Tahrir Square nie gegeben habe. Wann werden die Deutschen merken dass mensch Gauck nicht glauben kann?

    https://www.youtube.com/watch?v=RtGIMdo5gj8

  9. Max Says:

    Kulla, setze deinem Elend doch endlich ein Ende und bring’ dich um, du verblödeter Jammerlappen!

  10. Fidus Says:

    Auch der Antisemitismus nimmt eine neue, wenngleich nicht weniger tödliche Form an, kommt nicht mehr als selektive Kritik an Juden oder an Israel, sondern als scheinbar allgemeine Religionskritik mit impliziter Stoßrichtung daher – in Zeiten von Spielgelddiplomatie, “economic occupation” und Cyberwar-Frontbegradigungen hüllt sich der feudalistische Leibeigenschaftsanspruch, der alte Kern jedes Antisemitismus, in den Vorwand einer nachholenden Säkularisierung (siehe etwa die unerträgliche Augenwischerei zur Frage der genitalen Selbstbestimmung).

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