Standortwaffe Niedriglohnsektor

June 23rd, 2010

>>Die Bilanz des Wirkens der vier „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, welche den Namen des Ex-VW-Personalchefs tragen, und der Agenda 2010 ist überzeugend: Die Verfügung über Arbeit zum Zwecke der Vermehrung des Geldes der Anwender ist in Deutschland billiger geworden, und die Verfügung über Arbeitskräfte ist von so gut wie allen lästigen sozialpolitischen Schranken befreit worden: Wer will und kann, darf Arbeitskräfte zu jedem Preis anheuern, so lang und so kurz, wie er es braucht, Arbeiter dürfen verliehen, geringfügig oder mit grenzenloser Überarbeit, als Tagelöhner usw. beschäftigt werden, und zwar hochoffiziell, rechtlich, oft tarifvertraglich geregelt, und so von jedem Ruch illegaler Ausbeutung befreit. Und: Stets finden sich genügend Menschen, die das auch tun müssen. Zu verdanken haben die Anwender von Arbeit diese paradiesischen Zustände dem erfolgreichen Zusammenwirken ihrer eigenen ökonomischen Erpressungsmacht, welche sie mit der Schaffung von Millionen Überflüssiger gesteigert haben, und Schröders rot-grüner Reformmannschaft, die ihr Tun der Entfaltung dieser privaten Erpressungsmacht widmet. Aus der Massenarbeitslosigkeit zur Mitte des Jahrzehnts zieht die nämlich einen sinnigen Schluss: Wenn Millionen dauerhaft marktwirtschaftlich überflüssig sind, muss das an „Beschäftigungshindernissen“ liegen, die man auf den „zu teuren“ Sozialstaat, also auf Leistungsansprüche von alten, kranken oder arbeitslosen Versicherten und auf eine „verkrustete, überregulierte“ staatliche Geschäftsordnung des Arbeitsmarkts zurückführt. (…)

Es erlaubt Kapitalisten aller Couleur eine aussichtsreiche Kalkulation: Man tritt staatlich drangsalierten Arbeitslosen gegenüber, denen jede Kalkulation in Sachen Bezahlung verboten ist, und bezahlt dementsprechend. So reißen alle möglichen Formen von Billigstbeschäftigung ein; der Staat selbst geht mit gutem Beispiel voran, exerziert mit kommunalen 1-Euro-Jobs vor, wie er sein Zwangsregime meint, und dass auch schäbigste Bezahlung weder den Geber noch den Nehmer von Arbeit schändet. (…)

Dass auch das eine echte Hilfe ist, lassen sich Presse und TV von ausgesuchten Musterexemplaren des neuen sozialstaatlichen Leitbilds bezeugen: Sie zerren arme Wichte, die genötigt und bereit sind zu „Nehme jede Arbeit!“, ans Licht der Öffentlichkeit, animieren sie dazu, das Vorurteil, sie seien faul, zu dementieren und ihre Ehre in die Versicherung zu legen, dass ihnen das Wichtigste ist, überhaupt arbeiten zu dürfen. Mit dem geplanten Kombilohn könnten sie es sich besser leisten, für einen Hungerlohn zu arbeiten und dennoch überleben. Ist das nicht schön! (…)

Das Wachstum des Niedriglohnsektors voranzutreiben ist kein Sparprogramm. Es kostet Geld, das sich ein Staat leisten können muss. Geld, das allerdings auch gut angelegt ist – für eine Standortwaffe im internationalen Vergleich der Arbeitslöhne.<< Gegenstandpunkt: „Arbeit muss sich wieder lohnen!“ – Nach fünf Jahren Hartz-IV: Neuer Reformbedarf auf dem Weg Deutschlands in das Ausbeutungsparadies „Billiglohnland“

2 Responses to “Standortwaffe Niedriglohnsektor”

  1. Aktionskletterer Says:

    Wer das über längere Zeit durchhält wird zwangsläufig zum Experten für nachhaltige Finanzpolitik. Da ist so ein Staatshaushalt doch ein recht geräumiges Gebilde, gemessen an dem ökonomischen Feingefühl welches erforderlich ist um einen Grundsicherungshaushalt zu bewirtschaften. Gerade deswegen werden die Langzeitarbeitslosen in der Krise als Sündenbock herangezogen, weil die regierenden Haushaltsexperten so miserabel sind dass sie es nötig haben jeden zu dissen der das Handwerk kleinteiliger beherrscht. Erstaunlich eigentlich dass an den Sarrazin, Westerwelle, Beck etc. diese Projektionsleistung noch nicht allgemein aufgefallen ist, die nur davon ablenken soll bei der Bundesbank oder bei Flughäfen und Autobahnen zu sparen. Hier kann man nur jedem die Nerven wünschen gegenüber den Attacken der widersinnigen Aushungerungsverwaltung eine klare Kante zu zeigen. Dass die rechtliche Gestaltung in einer Art Kuhhandel sozusagen als Abfindung an einen von der Automobilindustrie geschaßten Manager vergeben wurde ist sicherlich kein Ruhmesblatt für die politischen Verursacher.

  2. aus phase 2 Says:

    Leicht andere Einschätzung:

    http://phase2.nadir.org/rechts.php?artikel=789&print=

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