Mein Redebeitrag auf der Hanfparade: Kriminalität & Kommunismus

August 11th, 2013

Ich dokumentiere mal meinen erstaunlicherweise gar nicht wenig beklatschten Redebeitrag von gestern vor der CDU-Bundeszentrale

Skript

Hallo, von mir gibt’s keinen Wahlaufruf und keine Wahlempfehlung. Ihr könnt ja gern eine dieser Parteien wählen, wenn’s euch Spaß macht und ihr euch was davon versprecht, davon kann ich euch ja auch kaum abhalten – viel wichtiger ist aber, sich, soweit es möglich ist, nicht an die Gesetze zu halten.

Da, wo es anders läuft, ist es anders, weil so viele sich nicht an die Gesetze halten und sich trotzdem mit den Mitteln versorgen, die ihnen gut tun, die sie oft als Medizin brauchen, und die ihr Bedürfnis nach Rausch erfüllen. Das hat immer wieder geklappt: sich zusammentun, sich nichts gefallen lassen, sich nicht vereinzeln lassen und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen: unsere Substanz ist ja gar nicht so schlimm, wir sind ja ganz harmlos – wie steht es hier hinter mir auf dem Schild der PARTEI so schön? “Wer Hanf sagt, muss auch Keta sagen!” Und auch aufhören mit dieser Hetze gegen Dealer, während anderswo in dieser Stadt die Polizei Jagd auf sie macht und jeden zum Dealer macht, der nicht weiß und am falschen Ort ist. Es stünde dem weißen Kiffvolk gut an, sich der Selbstorganisation der Betroffenen im Görlitzer Park anzuschließen, statt hier in einer Tour über “richtige Kriminelle” vom Leder zu ziehen.

Okay, die konkrete Gesetzeslage verschiebt sich zuweilen, da ist manchmal was rauszuholen, aber das geschieht dann vorwiegend wegen ordnungs- und steuerpolitischen Erwägungen und weniger wegen Regierungswechseln oder parlamentarischen Mehrheitsverschiebungen. Aber gut, dann bekommt man das eben hin, daß man eine Sache machen darf, die man braucht – aber das Bedürfnis besteht nicht aus einer Substanz, wir müssen gedanklich von der Substanz wegkommen und über den Rausch sprechen. In der kapitalistischen Gesellschaft geht’s fast nur um die Rauschwaren, die profitabel verkauft werden können – die Wissenschaft bleibt auf diese Rauschauslöser fixiert, in der Politik geht’s (wie hier gerade) darum, wer welche Rauschwaren produzieren, vertreiben und verkaufen darf, wer dafür Steuern erhebt usw. usf.

Aber der Rausch ist etwas, das wir selbst tun, eine Fähigkeit, die wir wie alle anderen Lebewesen mit einem Nervensystem haben, und Drogen sind nur eine Methode, den Körper dazu zu bringen zu tun, was er eben kann – und dieser Rausch kann Herrschaft genauso befestigen wie er sie erschüttern kann, er kann einem helfen, auf “dumme Gedanken” zu kommen & sich der Gesellschaftsordnung produktiv zu entfremden; er kann aber auch das Schmiermittel für Ideologie und Ruhigstellung sein, siehe Fußball-WM, Oktoberfest, Myfest usw.

Jede Form von Herrschaft, auch die heutige, muß Rausch kontrollieren, um sich überhaupt halten zu können – er wird überall da unterdrückt, wo es aussieht, als wenn die Leute sich der Herrschaft entziehen und weniger gut benutzbar sind (für Staat & Kapital); er wird da gefördert, wo er sich irgendwie bändigen und an die Herrschaft binden läßt. Das ändert sich also auch mit Gesetzesverschiebungen nicht: daß jede Form von Herrschaft, auch die heutige, das Rauschbedürfnis der Menschen an sich binden muß und die überschießenden Elemente so gut sie kann im Griff behalten.

Wer illegale Rauschauslöser nutzen will oder muß oder beides, oder wer sie anderen zugänglich machen will, befindet sich mitten in diesem Konflikt – ein Konflikt, in dem sichtbar wird, wie wurscht in dieser Gesellschaftsordnung eure Bedürfnisse sind; sie werden ignoriert, wenn sie sich nicht richtig kapitalisieren lassen, und sie werden bekämpft, wenn sie irgendwie mit der Ordnung in Konflikt stehen. (Und im Sinne seiner ursprünglichen Zielsetzung war der War On Drugs erfolgreich: er hat der letzten großen Systeminfragestellung um 1970 die Spitze abgebrochen, es erleichtert, sie unterzupflügen und die Leute zurückzupfeifen.)

Aber was anderes als Kapitalismus und Ankreuz-Parlamentarismus? Geht denn das überhaupt? – sich das vorstellen zu können, das genau wäre ein Teil des Potentials von Rausch, wenn er erlernt, entfaltet, gefördert wird – Die Dinge geraten in Bewegung, es tun sich Auswege und Fluchtwege auf, überhaupt mehr Handlungsoptionen – mehr Optionen, sich der Herrschaft zu entziehen; mehr Optionen, ihr Terrain streitig zu machen und sie vielleicht irgendwann zu überwinden; mehr Vorstellungsvermögen dafür, wie eine Weltgesellschaft aussehen könnte, in der es zuallererst um die Bedürfnisse jedes einzelnen Menschen geht – und dazu gehören auch die Rauschbedürfnisse!

Also: meinetwegen taktisch wählen, aber vor allem Gesetze unterlaufen, Solidarität, und grundsätzlich darauf hinwirken, daß das alles anders wird, und wir uns aus diesem vorgeschichtlichen Schrecken, in dem Menschen zu Millionen verhungern und sich gegenseitig tagein, tagaus bekämpfen müssen, endlich befreien können, daß endlich alle Menschen kriegen, was sie brauchen – das nenne ich Kommunismus, andere nennen es befreite Gesellschaft oder klassenlose, herrschaftsfreie Weltgesellschaft. Es geht vor allem darum: daß alle kriegen, was sie brauchen.

Kommunismus läßt sich leider in der Regel nicht wählen, sondern muß gemacht werden.

Und für wen auch immer ich damit spreche: Wir wollen nicht die eine Pflanze konsumieren, wir wollen die ganze Gärtnerei besetzen!

Videomitschnitt

Der Schluß ist schlicht die Hook des Songs “Gartenbau” vom Lasterfahrer und mir:

classless Kulla & istari Lasterfahrer – Gartenbau
(LP “Auf- & Zustände”, 2012)

Was ich außerdem noch hätte sagen wollen: Zumindest in allen Beiträgen, die ich gehört habe, fehlte die Wortgruppe “Crystal Meth”; und: Was gibt’s eigentlich zu feiern & zu jubeln, wenn nach Jahrzehnten von Rauschrepression mit Millionen von Toten und Gefangenen und Unbehandelten hier und da ein Teil der Repression etwas angepaßt wird?


Die bestimmende Haltung auf der überraschend großen Demo: weiße Mittelstandskinder beschweren sich über Personal und Allokation

8 Responses to “Mein Redebeitrag auf der Hanfparade: Kriminalität & Kommunismus”

  1. Bastard Says:

    Ich habe das Video und die öffentliche Aufhetzung zum Gesetzesbruch mal meinem juristischen Berater vorgelegt. Wenn die Welt Glück hat, wird der Verbrecher und Drogenmord-Befürworter Kulla dann einige Zeit lang im Knast am eigenen Leibe spüren, wie harmlos seine verteidigten Dealer und sonstigen Kriminellen so sind.

  2. classless Says:

    Was macht einen denn zum “Drogenmord-Befürworter” und was soll das überhaupt heißen?

  3. Hm Says:

    Wenn es einen Sinn ergeben soll, müssten damit die Befürworter der geltenden Gesetzeslage gemeint sein, die weltweit Tausende das Leben kostet…

  4. naldini Says:

    Warum soll Crystal Meth denn gesondert genannt werden? Du sagst doch (ich verstehe Dich jedenfalls so), dass es nicht darum gehen kann, nur für die Legalisierung von Hanf als ‘weicher’ Droge im Unterschied zu den bösen, ‘harten’ Drogen zu kämpfen. Damit bin ich völlig einverstanden. Die Bedürfnisse sind eben unterschiedlich und letztlich lässt sich je individuell mit den unterschiedlichsten Mitteln ein verantwortlicher Umgang finden – und anderseits kann man all die Leute anführen, denen das z.B. mit Alkohol nicht gelingt.

  5. classless Says:

    Es ging mir eben nicht um das Gesonderte, sondern um den Einschluß bzw. die Positionierung dazu.

  6. Hierarchieallergie Says:

    Treffende Worte, flammendes Herz. Den Zuhörenden mehr Mut in den alltäglichen Konfrontationen dem Regime die Aussichtslosigkeit seines Ansinnens zu vergegenwärtigen!

  7. Hierarchieallergie Says:

    @classless – Womöglich dieselbe suizidale Projektion wegen der auch diese Politikerin zurückgetreten wurde:

    https://www.youtube.com/watch?v=T1q9eqhT5UM

    *

  8. hfsf Says:

    Großartiger Redebeitrag, habe es direkt mal an diverse Menschen geschickt. Must be shared!

    Danke dafür.

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