Angel marschiert durch die Institution

January 17th, 2008

Die fünfte und bisher letzte Staffel von Angel widmet sich zunächst der Sozialdemokratie, beziehungsweise dem Vorgang, wie liberals versuchen, ein Großunternehmen zu übernehmen. (Meine erste Assoziation war: “Kevin Mitnick, out of jail, advises firms on cybercrime.”)

Das fragliche Unternehmen war bisher Angels Erzgegner, die gigantische Anwaltskanzlei Wolfram & Hart, die Dämonen vertritt und dabei bisher nicht wie Angel unterschied, was diese Dämonen so tun, wen sie verspeisen usw. Wolfram & Hart ist ein echter Multi im Sinne von multidimensional, und es ist die Bilderbuchversion von Marxens Diktum über das “von Kopf bis Zeh, aus allen Poren, blut- und schmutztriefend” auf die Welt kommende Kapital. Das Hauptquartier in L.A. wurde buchstäblich an einer Stelle errichtet, die zuvor mit einem blutigen Massenmord geweiht worden war, Verträge werden tatsächlich mit Blut aus Füllern unterschrieben. Der Clip zum Song “Get Out Alive” von Three Days of Grace illustriert diese innige Verschränkung von Gewalt und Geschäft bei Wolfram & Hart sehr gut:

(anderes W&H-Video mit anderem Soundtrack “Long Hard Road Out of Hell” von Marilyn Manson & Sneaker Pimps; hier wiederum hat jemand zwei Trailer für einen möglichen Angel-Spinoff über die W&H-Dependance in Washington gebastelt)

Nachdem Angels Truppe die Kanzlei gewissermaßen geschenkt bekommt und nunmehr leiten soll (eine Situation, die an den Machtwechsel vom Herbst 1918 erinnert), stellt sie recht schnell fest, daß die Handlungsfähigkeit des Unternehmens von den Geschäftsbeziehungen zu den bisherigen Gegnern und Feinden abhängt. Oder, wie es Eve, ihre Beraterin, ausdrückt: “In order to keep this place running, you have to keep it, well, running.” (Eve, als verführerische Stimme des Bösen, der teuflischen Seniorpartner, wirft Angel einen Apfel zu und er beißt hinein. Als Wesley sie als junge Frau anspricht, fragt sie zurück, wie er denn wissen will, daß sie auch nur eines von beiden sei.)

Schnell provoziert die neue Geschäftsführung einen “Militärputsch”. Die hauseigene Security, eher eine High-Tech-Armee, inszeniert eine Machtdemonstration, in deren Verlauf sie “nebenbei” Angel aus dem Weg räumen will. Angel kann die Eliteeinheit praktischerweise eigenhändig niederschlagen – an der Stelle weicht das Geschehen deutlich vom Jahr 1919 ab, in dem von den neuen Nachthabern niemand dem losschlagenden Militär im Wege stehen wollte und sich auch die Angegriffenen nicht wirkungsvoll zu verteidigen wußten. (So war es nicht: Freikorps-Offizier: “You pathetic little fairy don’t have what we have.” Liebknecht: “I have mercy.” He demonstrates the last of his by making the Freikorps shoot himself.)

Angel versucht in der Folge, die Geschäftsbeziehungen mit den “bösen” Dämonen abzubrechen oder sie direkt anzugreifen. Das führt zu immer neuen Konflikten und wirft Fragen des Selbstverständnisses auf. Die Idee der Anwaltskanzlei war ja, ihre schwierigen Klienten rauszuhauen, wofür diese beträchtliche Summen springen ließen. Die Klienten von ihren Verbrechen abzuhalten oder sie selbst zu bestrafen, ändert die geschäftliche Grundlage. Das neue Erscheinungsbild als Werbeclip: “If you don’t kill, we won’t kill you.”

Sich ständig einredend, daß sie Gutes tun würden, daß die Kanzlei jetzt anders laufen würde, lassen sie sich immer weiter auf die Logik des Betriebs ein. Manchmal packt es Angel und er fragt sich, ob sie das Richtige tun oder ob sie nur besonders kosteneffektiv Probleme umfahren. Manchmal drängt es ihn zur großen Säuberung.

Die meiste Zeit über jedoch wird auf individueller Ebene mit den Gespenstern der blutigen Vergangenheit gerungen, die viele der Figuren ja selbst sind: Angel als Vampir, dem eine Seele aufgezwungen wurde; Spike als Vampir, der sich eine Seele erkämpft hat; Lorne als netter Kerl mit dämonischem Migrationshintergrund. Wie bei “Magnolia” gilt beständig der Satz: Wir mögen zwar mit unserer Vergangenheit abgeschlossen haben, unsere Vergangenheit aber nicht mit uns. Kolonialismus, Faschismus und Gang-Rackets sind weiter omnipräsent und mit der Logik des Geschäfts verzahnt. Ich bin gespannt, wie sich das im Laufe der Staffel weiterentwickelt. (Die hiesigen Kommentare sorgen allerdings nicht für allzu hohen Erwartungen. For the record: ich habe bisher bis Folge 11 geschaut.)

>>Lorne: Okay, Atlas. How ’bout a shrug?<< Angels Ansatz ist, im Einzelnen - so wie bei sich selbst - das "böse" Wesen zu meistern, den Dämon zu domestizieren, zu bändigen. (Das erinnert streckenweise an Aleister Crowleys "Will Power"-Therapie aus dem "Diary of a Drug Fiend“.) Als “gut” gilt, wer es schafft, suchtfrei zu sein und sich lebensethisch zu verhalten. In jedem Fall – ob nun “böse” aus eigenem Antrieb, aus Natur, aus Ansteckung, aus Manipulation, aus Gruppendynamik – wird auf eine willentliche Entscheidung hingezielt oder diese zunächst ermöglicht. (Um den Metaphernsalat zu komplettieren: Ist das ein Plädoyer für die rationale Anwendung des Wertgesetzes? Wir, die wir vom Wert besessen sind, können lernen, ihn zu kontrollieren und den sekundären Wahngewinn sinnvoll nutzen?) Einer Frau, deren Verwandlung in einen Werwolf Angel nicht rechtzeitig verhindern kann und die sich nun für verdammt hält, sagt er:

>>I’m not evil and neither are you. (…) Vampires can control themselves. I do it everyday and so can you.<< Sie erkundigt sich später bei Fred, ob das denn nicht einfach eine Masche sei, daß Angel immer attraktive junge Frauen zu retten versucht, worauf es die schöne Antwort gibt: >>Girls, guys, puppies – he’s pretty much an equal opportunity saver.<<

Klassenkampf bei Buffy The Vampire Slayer

5 Responses to “Angel marschiert durch die Institution”

  1. Jakob Says:

    Ist eigentlich schon jemandem beim W&H-Spot aufgefallen, dass unter den großen in LA ansässigen Unternehmen auch “Weyland-Yutani” genannt wird?
    Und, wer weiß, aus welchem ganz anderen Film die sind?

  2. nonono Says:

    Sag es!

  3. Jakob Says:

    Das ist eben jene zwielichtige Firma, die in “Alien” von 1979 das Frachtschiff Nostromo einen geheimnisvollen Notfrul untersuchen lässt, um dadurch einen besonders ekelhaften außerirdischen Organismus in die Finger zu kriegen …

  4. Angels Marsch durch die Institutionen | buffylinke Says:

    […] wird bei classless […]

  5. godforgivesbigots Says:

    Die digitale Revolution ist schon ein seltsames Ding: Jedesmal wenn ich mich bei der Emailadresse vertippe, werde ich von Dämonen angesprochen.

    Und der Videoclip ist schrecklich. Solche Todesarten erinnern an das Material aus Tschetschenien, Pakistan oder Irak. Oder genaugenommen an ein zusammengeschnittenes Konzentrat derartiger Aufnahmen. Was ist die Absicht dieser Leute? Auch wenn es sich um optische Täuschung handelt, ich finde das einen verlogenen Umgang mit dem Tod.

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