Rasthof Herford -> Braunschweig

January 18th, 2008

Freundlicherweise von Bielefeld bis an den nächsten Rasthof auf der A2 gebracht, stand ich dort kaum lang genug an der Ausfahrt, um ein ganzes Lied zu singen. (Ich formulierte an einer neuen Version von “Lustprinzip” herum, die den Inhalt umdreht und das Zuhausebleiben und Lesen gegens Ausgehen bevorzugt.)

Der ältere Mann, der mich dann mitnahm, stellte sich als Keyboarder für Volksmusik vor. (Also ein Kollege in Sachen “Stimmungsmusik”?) Er erzählte von verschiedenen Größen dieser Szene, mit denen er schon “Mucke” gemacht hat, und davon, wie sich die Gagen immer weiter verschlechtern und die Engagements seltener werden. Wir stimmten darin überein, daß es schlau ist, das Ganze als Hobby zu betreiben, um nicht vom schwankenden Erfolg abhängig zu sein. Einmal hatte er recht viel Geld und ließ seine Beziehungen zu Franz Beckenbauer spielen, um einen Porsche SL ohne die damals angekündigte Wartezeit von sechs Jahren zu bekommen. Beckenbauer kaufte den ersten, er den zweiten. Abgesehen von der Musik betreibt er seit seiner Ausmusterung als Luftwaffenpilot einen halbwegs laufenden Schinken- und Wursthandel, springt aber auch mal unentgeltlich für einen befreundeten Spediteur als Fahrer ein.

Er setzte mich an der Raststätte Auetal ab, wo ich wiederum sehr schnell mitgenommen wurde, diesmal von einem Nigerianer, der einst nach Deutschland kam und mit einem recht gut bezahlten Job Geld zu verdienen, mit dem er gern wieder nach Nigeria zurückkehren wollte. Dann ging die Firma pleite, er wurde arbeitslos und nahm nach einem Jahr einen Job als Hängmeister in einem Geflügelschlachthof in Neuseddin an, wo er seitdem jeden Wochentag ab 5 Uhr die bis zu 15 Kilogramm schweren Tiere am Beginn der Verarbeitungsstraße per Hand aufhängen muß. Er schilderte mir den gesamten Prozeß von Betäubung, Schlachtung, Reinigung, Verarbeitung, Kontrolle und Versand und beschrieb für jeden Arbeitsgang die gesundheitlichen Schäden der Arbeitenden. Jetzt überführte er gerade mit einem befreundeten Autohändler aus dem Wedding zwei Peugeots aus Wuppertal nach Berlin – für ihn eine sehr angenehme Abwechslung, die er mit der Formel “Alles Palette” kommentierte. Für seine Rückkehr nach Nigeria meint er, nur noch auf einen Lottogewinn hoffen zu können, was ihn aber auch wieder dem Neid der Mitmenschen aussehen würde. Dazu zitierte er Notorous B.I.G. mit der Zeile “Mo’ money, mo’ problems”.

Ich stieg an der ersten Braunschweiger Ausfahrt nach Watenbüttel aus, wo mich wiederum fast ohne Wartezeit ein junger Einheimischer auflas. Da ich etwas ungünstig direkt an der Ausfahrt auf die Bundesstraße stand, fuhr er auf einen größeren Parkplatz neben der Straße und hielt dann wieder direkt neben mir; ich mußte nur über die Leitplanke und durch den Straßengraben und saß in seinem Auto. Er meinte, das Nexus sei gar nicht so besonders groß. Er wollte vielleicht später dorthin kommen und hoffte, daß er es früh genug schaffen würde, um dem Gedränge zu entgehen.

12 Responses to “Rasthof Herford -> Braunschweig”

  1. sammelsurium Says:

    Also ein Kollege in Sachen “Stimmungsmusik”?

    Hehe. 🙂

  2. fitzcarraldo Says:

    durchwachsene performance. vom rasthof herford ist es nicht sonderlich schwierig direkt bis nach braunschweig mitgenommen zu werden. und bis auetal ist auch ungewöhnlich. mindestens bis garbsen ist eigentlich immer drin.
    wie lange hat es gedauert?

  3. manfred krug Says:

    dickes konzert,bester sound,den ich bis jetzt auf nem egotronic konzert erlebt hab.sehen uns am 2.2. in berlin….

  4. classless Says:

    @fitzcarraldo

    Etwa zwei Stunden mit Stau. Ist aber auch kein Sport. Nebenbei: Egotronic hätten mich später auch auf der Strecke aufgelesen, die kamen ja aus Duisburg.

    @Manne

    BraunschweigDer Nexus war wirklich rundherum umwerfend!

  5. fitzcarraldo Says:

    KEIN SPORT????
    ich finds halt interessant wie es bei anderen so läuft. zum glück trampen nicht so viele leute!

  6. classless Says:

    Kein Sport. Okay, es gibt Dinge, die man besser und schlechter machen kann und manche können’s auch gar nicht. Aber ich komme nicht deswegen dauernd so gut durch, weil ich so besonders toll trampe, sondern weil ich’s überhaupt mache. Das ist, wie beim Cut-up, der wichtigste Punkt.

  7. rudy Says:

    nexus: sehr geiler abend! freue mich schon auf die veranstaltung mit dir!
    sind grad dabei, d.i.y. antipalis herzustellen..
    könnt mich jetzt schon abrollen *GG*

  8. godforgivesbigots Says:

    fitzcarraldo – Wieso zum Glück? Mehr Anhalter heißt auch mehr Mitnehmer.

  9. classless Says:

    Ich würde aber auch sagen, daß Angebot und Nachfrage sich aktuell betrachtet günstig entwickelt haben – kein Wettbewerb, kein Warten aufs Warten, immer wieder Fahrer, die sich echt freuen, endlich mal wieder einen Tramper zu sehen.

    Auf die lange Sicht wird sich das natürlich ändern – in ein paar Jahren wird kaum noch jemand wissen, was man da eigentlich macht an der Ausfahrt mit dem Daumen und so.

  10. godforgivesbigots Says:

    Also ich hatte gerade wieder zwei Erstmitnehmer. Mein Eindruck ist es wachsen genügend nach für die die natürlich wegfallen. Das Problem ist eher eine bestimmte Hemmschwelle in dem Beamtenapparat der das Straßennetz verwaltet, Haltestellen und Umsteigepunkte als natürlichen Bestandteil der Verkehrswegeplanung zu akzeptieren. Selbst das Raststättennetz taugt nur unabsichtlich als Umsteigeknotenpunktesystem, und bei der Onlinepräsentation scheint das Bemühen Pate gestanden zu haben die Netztopologie möglichst intransparent zu halten, nicht einmal die Detailkarten passen zueinander. Und manche sagen ja nicht einmal ein Grüner im BMVBS könnte dem Apparat die Tramperparanoia austreiben.

  11. godforgivesbigots Says:

    Ja und was Du mit dem Daumen an der Ausfahrt machst wundere ich mich auch. Stell Dich lieber an die Auffahrt.

  12. godforgivesbigots Says:

    Link-Nachbesserung: Tramperparanoia

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