Jungle World vs. “Der kommende Aufstand”

December 2nd, 2010

Pünktlich zu meinem ersten Vortrag über “Der kommende Aufstand” (morgen/Freitag in Frankfurt/Main vor der IVI-Geburtstagssause) hat nach Glenn Beck und der gesamten deutschen Presse (“Der Spiegel” druckte in der vergangenen Woche (47/2010) nahezu kommentarlos auf zweieinhalb Seiten eine umsortierte Sammlung von Auszügen aus der Nautilus-Ausgabe mit der Bemerkung: “Dieser Text fällt in eine Zeit, in der auch hierzulande fast jede Nacht Autos brennen, in der Bürger gegen Regierungsentscheidungen demonstrieren.”) nun auch die Jungle World das Pamphlet entdeckt, beziehungsweise Johannes Thumfart hat mit leichten Abwandlungen bei der taz (“Fast wie Gas”) und der Jungle World (“Links ist das nicht!”) die gleiche Kritik eingereicht und darin den Text bis an die Grenze zur Bösartigkeit falsch verstanden.


Glenn Beck ruft das neue Gespenst aus

Nachdem sich Rainer Trampert im ansonsten großartigen Seite-3-Artikel “Der Aufstand der Integrierten” über den “revolutionären Optimismus” des Buchs lustig macht (“…den Untergang nur immer wieder in die Zukunft zu verlegen – wie das die Zeugen Jehovas tun.”), hat Thumfart ihm hinten in der Beilage drei Hauptpunkte vorzuwerfen: es sei antidemokratisch, antimodern und religiös aufgeladen. Und damit gehöre es in die rechte Ecke.

Demokratie

In der taz schreibt er: “Der Demokratie sind die Autoren spinnefeind. Die Nachkriegszeit bezeichnen sie knapp als ‘sechzig Jahre Befriedung, sechzig Jahre demokratische Anästhesie’. Wer auf dem ‘demokratischen Charakter des Entscheidungsprozesses’ beharre, sei ‘Fanatiker der Prozedur’. In den ‘bürgerlichen Parlamenten’ gebe es bloß zielloses ‘Palaver’ – schnell denkt man da an die Weimarer Zeit, in der rechte und linke Extremisten den Reichstag als ‘Schwatzbude’ bezeichneten.”

Und in der Jungle: “Als eine Art Anleitung zum Aufstand heißt es klar nach Schmitts »Politischer Theologie«: »Entscheiden ist nur in Notsituationen lebenswichtig, wo die Ausübung der Demokratie ohnehin fraglich ist. In der restlichen Zeit besteht das Problem des ›demokratischen Charakters des Entscheidungsprozesses‹ nur für Fanatiker der Prozedur.«”

Wer im Buch nachliest, stellt fest, daß “denkt man” eher “denke ich” heißen müßte und daß “klar nach” ein semantischer Taschenspielertrick ist. Unter der Zwischenüberschrift “Jegliche Instanz der Repräsentation sabotieren/Das Palaver verallgemeinern/Die Vollversammlungen abschaffen” schreibt das Unsichtbare Komitee:

Ein weiterer Reflex ist, bei der kleinsten Bewegung eine Vollversammlung einzuberufen und abzustimmen. Das ist ein Fehler. Allein, was mit der Wahl, der Entscheidung zu gewinnen, auf dem Spiel steht, reicht, die Versammlung in einen Alptraum zu verwandeln, in ein Theater, in dem sich alle Ansprüche auf die Macht gegenüberstehen. Wir stehen hier unter dem Einfluss des schlechten Vorbilds der bürgerlichen Parlamente. Die Versammlung ist nicht für die Entscheidung gemacht, sondern für das Palaver, für das freie, ziellos ausgeübte Wort.

Aber das Palaver finden sie gut und wollen es ausweiten:

Das Bedürfnis, sich zu versammeln, ist so konstant bei den Menschen, wie die Notwendigkeit, Entscheidungen zu fällen selten ist. Sich zu versammeln entspricht der Freude, eine gemeinsame Stärke zu erleben. Entscheiden ist nur in Notsituationen lebenswichtig, wo die Ausübung der Demokratie ohnehin fraglich ist. In der restlichen Zeit besteht das Problem des »demokratischen Charakters des Entscheidungsprozesses« nur für Fanatiker der Prozedur. Es geht nicht darum, die Versammlungen zu kritisieren oder sich von ihnen abzuwenden, sondern in ihnen die Worte, die Gesten und Spiele zwischen den Wesen zu befreien. Es reicht zu erkennen, dass jeder nicht nur mit einem Standpunkt, einem Antrag, sondern mit Wünschen, Verbundenheit, Fähigkeiten, Stärken, Traurigkeiten, und einer gewissen Verfügbarkeit dorthin kommt.

Auch für die “Notsituation”, die Zeit des Aufstands und Bürgerkriegs, schildern sie am Schluß des Buchs in Prosaform:

In die alte Épicerie-Bar des Dorfes wird der produzierte Überschuss gebracht und geholt, was uns fehlt. Dort trifft man sich auch, um zu diskutieren, über die allgemeine Situation und das notwendige Material für die Werkstatt.

Moderne

Die Frage von freiem Austausch und Entscheidungsfindung von den bürgerlichen Repräsentationsfetischen trennen zu wollen, macht das Komitee also zu rechten Antidemokraten. Zur “antimodernen Hetzschrift” (taz) wird das Buch hingegen offenbar, weil deutsche Journalisten es aus romantisch-reaktionären Gründen gut finden. Systematisch verwechselt Thumfart die deutsche Rezeption mit dem Text selbst, obwohl er selbst sagt: “Schon die Rede von »sechzig Jahren Befriedung, sechzig Jahren demokratischer Anästhesie« hat in Deutschland einen anderen Klang als in Frankreich.” Das hindert ihn nicht daran, dem Komitee trotzdem alles aufs Brot zu schmieren.

Das Buch “strotzt nur so vor deutscher Ideologie” (JW), weil Thesen von Agamben bzw. “das Schmittsche Argument vom »Ausnahmezustand«” “eingesetzt” (!) werden (JW) bzw. Schmitts Thesen “wiedergegeben” (!) werden. Dadurch mache sich das Komitee mit dem “Ressentiment gegen Internationalismus, Demokratie und Technik” (taz) gemein, was sich im Buch allerdings eher so liest:

Öko-Dörfer, Videoüberwachung, Spiritualität, Biotechnologie und Geselligkeit sind Teil des selben, sich formierenden »zivilisatorischen Paradigmas«, dem der totalen Wirtschaft, generiert von Grund auf. Ihre intellektuelle Matrix ist keine andere als die Kybernetik, die Wissenschaft der Systeme, das heißt ihrer Kontrolle.

Wenn die Rede von “sechzig Jahren demokratischer Anästhesie” und der Einfluß Schmitts, Heideggers bzw. Agambens zu faschistischen oder NS-Aussagen führen würden, hätte Thumfart ja einen Punkt, aber das Ziel des Aufstands, wie es im Buch formuliert wird, wäre nur dann faschistisch, wenn wir uns Faschismus antiautoritär, eigentumslos und herrschaftsfrei vorstellen wollten:

Die Frage, die sich einem Aufstand stellt, ist es, sich unumkehrbar zu machen. Die Unumkehrbarkeit ist erreicht, wenn gleichzeitig mit den Autoritäten auch der Bedarf nach Autorität besiegt wird, gleichzeitig mit dem Eigentum auch die Lust nach Aneignung, gleichzeitig mit der Hegemonie auch das Streben nach Hegemonie.“ (faschistischerweise auf Seite 88)

Das Heil

Laut Thumfart “sucht man das vitalistische Heil im ‘Ausnahmezustand’ jenseits von Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft – diese Idee einer besseren Zeit minus aller Koordinaten der Gegenwart”, und wenngleich es wenig überraschend ist, daß Kommunisten, als die zumindest die wahrscheinlichste Urhebergruppe des Buches Tiqqun sich ansieht, die demokratische Herrschaft, den Staat und den Kapitalismus überwinden wollen, kann nicht die Rede davon sein, daß das Komitee sich irgendwelche Illusionen darüber macht, was die Optionen für die Zukunft sind. Den Ausnahmezustand, den sie angeblich verherrlichen, gab es nämlich schon mal und das beschreiben sie so:

Um Wirtschaft mit ihrer Ethik der Arbeit und der Gier definitiv durchzusetzen, musste man im Laufe des 17. Jahrhunderts die gesamte Fauna der Müßiggänger, der Bettler, der Hexen, der Verrückten, der Genießer und weiterer Armer ohne Schuldbekenntnis einsperren und eliminieren, eine ganze Menschheit, die allein durch ihre Existenz der Ordnung der Interessen und der Selbstbeschränkung widersprach. Ohne eine derartige Selektion der mutationsfähigen Subjekte und Zonen wird sich die neue Wirtschaft nicht durchsetzen. Das häufig angekündigte Chaos wird die Gelegenheit für dieses Aussortieren sein, oder unser Sieg über dieses hassenswerte Projekt.

In der Jungle hat Thumfart diesen Vorwurf noch religiös zugespitzt: “Im Ausnahmezustand jenseits der langweiligen Rechtsnormen soll das eschatologische Heil gefunden werden. Tiqqun bedeutet auf Deutsch schlicht »Erlösung«.” Nun sind kabbalistische Begriffe, wie Tiqqun (bzw. Tikkun oder Tiqūn) einer ist, nicht dafür bekannt, irgendetwas “schlicht” zu bedeuten. Schon die Erklärung, daß die lurianische Kabbala davon spricht, wie das göttliche Licht nach der Schöpfung in zehn Gefäßen (“Sefirot”) gesammelt wurde, die aber das Licht nicht zu fassen vermochten und teilweise barsten, und wie nun die Aufgabe der Menschheit darin besteht, die Scherben und Funken zu finden und wieder aufzulesen (lat. “religere”) und zusammenzuführen, was als Reparatur, Verbesserung und allgemeine Versöhnung, eben “Tikkun”, bezeichnet wird, schon diese Erklärung ist viel zu kurz. Und ihr fehlt noch, wie die Gruppe den Begriff als das jüdische Konzept sozialer Befreiung und Gerechtigkeit faßt. Schnell hingegen wird klar, daß es sich bei “Tikkun” nicht um eine passiv erwartete Erlösung einer auserwählten Minderheit handelt, wie es nicht nur Thumfart der Gruppe unterstellt, sondern um eine riesige intellektuelle wie praktische Aufgabe für alle.

Umso ulkiger, daß Thumfart direkt danach schreibt: “Es ist kein Zufall, dass das nun keiner der Bewohner der Banlieues verstehen dürfte, für die das Kollektiv zu stehen vorgibt. Die elitäre Revoluzzer-Pose ist das beste Mittel zur Schwächung der weitergehenden Kämpfe um die Emanzipation der Bürger von den Eliten.” (JW) In einem Arbeitsgang dem Komitee elitären Avantgardismus vorzuwerfen und die Zielgruppe für zu blöd zu erklären, ist ja schon Einiges, dann aber das politische Ziel praktisch aus der Perspektive der Grünen zu bestimmen, ist, nun ja, offenbar links: “Von sozialer Gerechtigkeit, der Demokratisierung der Technik oder den Menschenrechten ist in dem Buch nie die Rede.” (taz) “Seine Autoren kämpfen nicht etwa für linke Ideen wie soziale Gerechtigkeit, Demokratisierung der Technik und Menschenrechte, sondern gegen die Moderne als Ganzes.” (JW)

Um jetzt nicht auch falsch verstanden zu werden: das Buch ist für vieles zu kritisieren (z.B. für den fehlenden Blick auf die Produziertheit der Welt) und ist auch überhaupt nicht frei von höchst kritikablen Stellen, gerade beim Themenkomplex Entfremdung, wie etwa dieser hier:

Unsere Geschichte ist jene der Kolonisierungen, der Migrationen, Kriege, Exile, der Zerstörung sämtlicher Verwurzelungen. Es ist die Geschichte all dessen, was uns zu Fremden in dieser Welt gemacht hat, zu Gästen in unserer eigenen Familie. Wir wurden unserer Sprache enteignet durch die Schule, unserer Lieder durch die Hitparade, unseres Fleisches durch die Massenpornographie, unserer Stadt durch die Polizei, unserer Freunde durch die Lohnarbeit.

Gegen Kritik wie die von Thumfart ist das Buch jedoch jederzeit zu verteidigen, da er es einerseits fies anzuschmieren versucht und andererseits vieles daran schlimm zu finden scheint, was es gerade wichtig macht. Auch sei Thumfart noch mal ans Herz gelegt zu lesen, was das Komitee zur Frage von Autorenschaft zu sagen hat:

Dieses Buch ist mit dem Namen eines imaginären Kollektivs unterzeichnet. Seine Redakteure sind nicht seine Autoren. Sie haben sich damit zufrieden gegeben, ein bisschen Ordnung in die verschiedenen Allgemeinplätze dieser Epoche zu bringen, in das, was an den Tischen der Bars, was hinter verschlossenen Schlafzimmertüren gemurmelt wird. Sie haben nur die nötigen Wahrheiten fixiert, deren universelle Verdrängung die psychiatrischen Kliniken und die Blicke mit Schmerz füllt. Sie haben sich zu den Schreibern der Situation gemacht.

Thumfart schreibt: “Man muss den Übersetzern des Buchs danken. Wie ein Lackmustest offenbart gerade seine missglückte Rezeption unbequeme Wahrheiten.” (taz) Die er natürlich trotzdem auch gegen das Buch wendet. Aber: look who’s talking!

Schon ein kurzer Blick in das Buch zeigt, dass das Vorgehen der französischen Behörden zwar verfahrensmäßig skandalös, aber inhaltlich nicht ganz unberechtigt ist.“ (taz)

P.S.

Daß Alex Rühle in der SZ schreibt: “Das System ist überall, fast wie Gas ist es noch in die letzten Ritzen des Privatlebens gedrungen”, ist für Thumfart eine “Entgleisung” und obendrein eine Erfindung dieses deutschen Journalisten, “der damit den globalen, demokratischen, marktwirtschaftlichen Zusammenhang bezeichnet, gegen den das Buch wettert. Die Gasmetapher ginge sogar für den paranoischen Duktus des Textes selbst zu weit.” (taz) Dabei stammt die Metapher gar nicht von Rühle, sondern von Deleuze, der im Artikel “Postskriptum zur Kontrollgesellschaft” 1990 schrieb: “…in einer Kontrollgesellschaft tritt jedoch an die Stelle der Fabrik das Unternehmen, und dieses ist kein Körper, sondern eine Seele, ein Gas”, und der damit zu illustrieren versuchte, wie Leistung und Wettbewerb immer gründlicher in den Individuen versenkt werden.

24 Responses to “Jungle World vs. “Der kommende Aufstand””

  1. Mmmatze Says:

    Puh, dein Text ist ja mal wieder fast so lang wie das Pamphlet selbst. Ich les es grade, bin gespannt …

  2. zelwig Says:

    Danke für diesen Standpunkt. Habe den “kommenden Aufstand” noch nicht gelesen, aber spätestens jetzt habe ich Lust drauf.

    Dankedanke für die Mühe 🙂

  3. SM Says:

    Lieber Daniel,

    dankeschön, dass wenigstens du noch nachdenkst. Ebenso wie du habe ich mich über die grenzenlose Narretei des Herr Dummfurz ereifert. Was mag dieser Mensch für Gründe haben, den Text derart geziel mißzuverstehen? Das eigene Ego, Profilierungssucht, Beratungsresistenz, Merkbefreiung? So borniert kann mensch ja gar nicht sein. Noch dazu hat er ja sogar ein Sekundärbuch zu Agamben veröffentlicht (http://www.weltbild.de/3/15580681-1/buch/ist-das-zoon-politikon-ein-oxymoron.html). Giorgio Agamben ein Rechtsintellektueller… das Agamben mit Walter Benjamin, Hannah Arendt und Adorno argumentiert, lässt er einfach mal unter den Tisch fallen. Wie du aufgezeigt hast ist das Schweinejournalismus – Zitate werden aus dem Kontext gerissen, gezielt verfälscht und in einen Zusammenhang gepackt der dem eigenen beschränkten Horizont angepasst ist. Selten solch ideologischen verbrämten Dreck gelesen, ich frage mich wie die Taz und die Jungle World sich hergeben können soetwas zu veröffentlichen.

    Ich sehe das wie du – das macht es nur noch spannender, sich intensiv mit dem Text auseinanderzusetzen. Ich werde mir meine Leute dazu suchen, vielleicht hast du ja Lust? Bei den Situationisten ansetzen, (Anti-)Kunst, (Anti-)Politik und (Nicht-)Philosophie kombinieren, das Autorenkonzept aufgeben und sich jenseits von Egomanie, Öffentlichkeit/Medien, linkem Kleingrünbürgertum und dem ganzen Kladeradatsch um eine Alternative kümmern. Vielleicht sollten wir einfach einen ähnlichen Text für die “Deutschen Zustände” entwickeln?

    S.

  4. classless Says:

    “ich frage mich wie die Taz und die Jungle World sich hergeben können soetwas zu veröffentlichen.”

    Bei der taz wundert’s mich nicht so sehr, da liegt ja auch dieser Demokratie-vs.-Extremismus-Blickwinkel näher, bei der Jungle ist es schon betrüblich. Then again, sie würden vermutlich auch eine Kritik an Thumfart drucken. Allerdings wohl gekürzt, umlektoriert und mit blöder Überschrift.

    “Vielleicht sollten wir einfach einen ähnlichen Text für die “Deutschen Zustände” entwickeln?”

    Den Aufstand, der hierzulande ausbrechen will und den die Rezeption des Buches ja leider auch umso deutlicher nahelegt, würde ich lieber verhindern wollen. Beziehungsweise geht es schon die ganze Zeit darum, den permanenten Aufstand, mit dem die ganz besonders Deutschen ganze Regionen beglücken, zurückzuschlagen.

    Die dazu nötigen Strukturen sind aber in der Raumzeit auch dual-use, würde ich sagen.

  5. skp Says:

    Die Jungle World ist endgültig im Elend der Verblödung angekommen. Mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.

  6. bob Says:

    Hoch erfreut, dass Du, Kulla, ganz im Gegensatz zum linken Blätterwald etwas mit dem kommenden Aufstand anfangen kannst – aber das überrascht mich nicht, es gab ja allen Grund, eben dies zu erwarten!

    Dennoch finde ich, dass Du allzu wohlwollend über die jungle world urteilst. Auf ihre Weise konnte die Zeitung von Bernd Beier ja auch etwas mit dem kommenden Aufstand anfangen, nämlich ihn als Anlass für eine Stellungnahme zu benutzen: Wenn jemand zum kommenden Aufstand aufruft, dann wird diese Zeitung lieber mit der taz für die Verteidigung der Demokratie und nötigenfalls auch für das Bombardement des Kosovos eintreten (anders kann man ja das Festhalten an den Menschenrechten nach ’99 nicht verstehen, oder?). Das ist zwar nichts neues, sondern nur das, was “man schon immer” von der Wochen-Taz ahnte, aber ja auch eine Eigenschaft des kommenden Austands, nämlich dass eine Stellungnahme die andere hervorruft.

    Hier übrigens noch ein anderer Text, der weder konservativ bespricht noch sich turmfürzlerisch ereifert:
    http://magazinredaktion.tk/insurrection.php

  7. der kardinal Says:

    auch die deutschen haben den aufstand nötig, damit sie sich endlich zu menschen emanzipieren. die konformistische revolte niederzukämpfen, das muss man verdammt nochmal endlich kapieren, wird kein gott, kaiser oder tribun fertig bringen, sondern nur der “wirkliche ausnahmezustand” (benjamin).

  8. dadanot Says:

    hallo daniel,

    gibt es einen mitschnitt der veranstaltung? ich und weitere freunde würden uns darüber sehr freuen. danke

  9. classless Says:

    Allgemein würde ich aber jetzt auch nicht gleich die Jungle mit diesem Text in eins setzen.

    @ dadanot

    Die Veranstaltung wurde meines Wissens nicht mitgeschnitten, war aber höchstwahrscheinlich auch keine einmalige Sache.

  10. lasterfahrerei Says:

    teilweise erinnert mich “der kommende aufstand” ja an die temporäre autonome zone von hakim bey.

    könntest du ja auch rausarbeiten, inwieweit deren manifest dann eine allgemeine veränderung wünscht, die also gesamtgesellschaftlich wirken soll im gegensatz von beys mehr exklusiven ansatz.

    zu kritisieren auch der recht dramatisch klingende titel “der kommende aufstand”, der mal eben so eine erwartungshaltung aufbaut. interessant dabei eben die wahl des wortes aufstand, bey hat den ja gewählt eben weil er dann wiederum revolution als eine wiederholung des davor bestehenden ansieht und bei ihm das moment des aufstandes eben das entscheidende ist.

    hakim bey ist auf jeden fall dann nochmal eine ecke schwülstiger..

    achja aus dem besprochenen buch:

    »Das Seltsame ist nicht, dass Wesen, die sich verstehen, eine Kommune bilden, sondern dass sie getrennt bleiben. Warum können sich die Kommunen nicht ins Unendliche vermehren?«

    weil vermutlich sich nicht jeder mit jedem zu jeder zeit und zu bestimmten situationen versteht.

  11. Wolfgang Says:

    @Bob
    Vielen, vielen dank für den link in deinem kommentar.

    Irgendwie scheint mir das vom ‘unsichtbaren komitee’ sauber situationistisch eingefädelt. Heute Nautilus-verlag, damals war es Bertelsmann, der die Sex Pistols-lp in der brd vertrieb. Die reaktionen aus dem sich links dünkenden milieu(v.a. soz-päds) war ganz ähnlich, sogar die Ramones galten als faschistisch.
    Thumfart ist nur die spitze des eisbergs. Solche Daniel Cohn-Bendit-typen gab es damals(’68) und wird es immer geben, die sprecher, vermittler, kollaborateure, ex-punks(Aram Linzel), v-erwachsene.
    Dabei kann ich mit ‘Der kommende Aufstand’ allein nichts anfangen; wo ist die musik dazu? Näher ist mir da die musik(&texte, auf dem innersleeve) auf der neuen Tyvek-lp, ‘Nothing fits'(auf InTheRed), und das cover ist auch sehr schön. Ob dieser aufstand jemals in den segregierten Antifa-, Punk-, oder Garage-szenen der kack-stadt Berlin ankommt ist fraglich, eher wird er vom kartell hiesiger bourgeoiser indie-booker(proper-rock.com) geschluckt.

    Eines noch: Wer musik als “mucke” bezeichnet bringt damit das dasselbe verhältnis* zum ausdruck, wie jemand, der eine frau “votze” nennt.
    *= kapitalistische gebrauchslogik
    @Kulla
    Immer schön die Krummelus-pillen nehmen(und nur die).

    “Society is organized lovelessness.” (Aldous Huxley)
    http://www.youtube.com/watch?v=EAW76x_wG14

  12. classless Says:

    Hm, also ich sage “Mucke” vor allem zu meinen eigenen Hervorbringungen, vielleicht aus einem ähnlichen Grund, aus dem ich Peter Laus schmunzelnden Kommentar zu unserer ersten CD, “Was die jungen Leute eben so für Musik halten”, zitiere. Koketterie. Ich hielt das immer für eine Verniedlichungsform.

    Auf jeden Fall denke ich nicht, daß die Anrede “Votze” nur von kapitalistischer Gebrauchslogik kündet.

  13. Donauwelle Says:

    http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=37576

  14. Marodeur Says:

    “ich frage mich wie die Taz und die Jungle World sich hergeben können soetwas zu veröffentlichen.” (SM)

    Erboste Kulla-Fans proben den Aufstand und verlangen (mal wieder) Zensur, wenn jemand die Wahrheit über ihren rechten Anarcho-Mumpitz schreibt.

    Köstlich.

  15. SM Says:

    @Marodeur schön, dass ich dir eine Freude gemacht habe. Vergiss es, ich bin kein Kulla “Fan” – ich habe mich nur gefreut dass er wenigstens noch nachdenkt. Hast du den Text und die Rezensionen überhaupt gelesen, oder laberst du einfach nur? Wie definierst du Warheit? Was meinst du genau mit rechtem Anarcho Mumpitz, wie geht für dich Herrschaftsfreiheit mit einer rechten Meinung zusammen?

    Ich gehe einfach mal davon aus, dass du einfach das wiederkäust was die Medien darüber schreiben, keine Ahnung von der Zielrichtung des Textes hast und es einfach z. B. mit den Hakenkrallen Anschlägen oder was auch immer in Verbindung bringst. Diese Verbindung ist völlig willkürlich gezogen. Oder nenn mir mal eine konkrete Textstelle, wo du das herausliest.

  16. Marodeur Says:

    “Was meinst du genau mit rechtem Anarcho Mumpitz, wie geht für dich Herrschaftsfreiheit mit einer rechten Meinung zusammen?” (SM)

    Herrschaftsfreiheit hat zur Folge, dass alle, also auch (alle) “Meinungen” herrschen, bzw. gleichberechtigt über gesellschaftliche Belange bestimmen. Die Herrschaft von Meinung ist, da diese Produkt von Unwissenschaftlichkeit und Ressentiments ist, an sich schon reaktionär genug. Dass dabei dann rechte Positionen obsiegen werden, dürfte eigentlich jedem denkenden Menschen klar sein. Von daher muss sich das “Unsichtbare Komitee” auch gar nicht erst zum Rechtsradikalismus bekennen, sie kriegen den auch schon so hin – mit “links”.

    Es ging mir bei meinem Posting hier aber viel mehr um etwas Formales, nämlich den von dir vorgeführten Gestus des in CDU-Manier abbügelnden Spießbürgers, der sich darüber empört, wie sein Leiblingsboulevardblatt sich denn für irgendwas “hergeben” (SM) könne, was es ohnehin schon längst als eigenen Inhalt auf der Agenda hat, sowie die implizit enthaltene Forderung, eine “Veröffentlichung” (SM) von “soetwas” (SM) Nichtpassendem doch bitte in Zukunft zu unterbinden.

    Freude, naja.
    Ekel, allerdings.

  17. SM Says:

    Zunächst ist also festzuhalten du hast den Text nicht gelesen. Gut also brauch mensch von dir in diesem Thread, wo es nunmal um den Text geht, nichts sinnvolles erwarten. Das du dich an formalen Dingen hochziehst, es dir also nicht um den Inhalt geht, hast du ja ebenfalls selber geschrieben.

    Zitat Marodeur: Herrschaftsfreiheit hat zur Folge, dass alle, also auch (alle) “Meinungen” herrschen, bzw. gleichberechtigt über gesellschaftliche Belange bestimmen. Du bist ja völlig merkbefreit … “Herrschaftsfreiheit bedeutet Herrschaft der Meinungen”. Nein – Herrschaftsfreiheit bedeutet Freiheit von jeglicher Herrschaft – eben auch der der Meinungen. Auf einem Niveau, welches du vielleicht verstehst: “Jeder macht was er will, alle machen mit.” Mit dem Text hat das aber trotzdem nichts zu tun.

    Das Herrschaftsfreiheit utopisch ist und eine eigene Totalität entfaltet, könntest du mir ja vorwerfen, dann könnten wir mal eine sinnvolle Diskussion beginnen. Da müsste ich sicherlich zurückrudern, was ich gerne tue. Ich habe gar kein Bock irgendjemand Wahrheiten unterzujubeln, zu missionieren. Und genau das ist ebenfalls eine Stärke des Textes.

    Das die Jungle World den Text von Jochen Thumfart veröffentlich hat, ärgert mich schon etwas. Das hat nichts mit Zensur zu tun, denn solche Artikel kann mensch ja in der FAZ, SZ und Konsorten ohne Probleme unterbringen. Wenn die Jungle World sich davon nicht mehr unterscheidet, dann hat sie ihre Extistenzberechtigung imho verloren. Das fände ich traurig, da ich die Jungle World ganz gerne gelesen habe, da es dort noch Autoren gibt, die eigenständig nachdenken und nicht wie die meisten anderen Rudeljournalismus betreiben.

    Lieber Marodeur, ich habe nichts gegen dich, trotzdem ist das was du hier fabrizierst nicht besonders produktiv. Gerne unterhalte ich mich mit dir über den Text, gerne persönlich, wenn du mal nach Dresden kommst. Doch ich glaube du müsstest da erstmal lesen. Wenn ich dir noch etwas nahlegen kann, beschäftige dich erstmal mit dem Situationismus, Giorgio Agamben, den Aufständen in den Banlieus und den Grundzügen des Textes. Vielleicht verstehst du dann um was es hier geht.

    Der Text ist wirklich toll, gerade weil er eben keinen Anspruch auf Wahrheit, Avantgardismus, Definitionshoheit erhebt. Er gibt nur das wieder was die Leute in Frankreich auf der Straße sagen. Es ist ein Angebot – für ein Gespräch, warscheinlich aber auf einer Ebene die du leider nie erreichen wirst, weil du nur oberflächlich rummeckerst. Es geht um eine Perspektive, die eben nicht in revolutionärer Attitüde besteht, eben nicht in einem linksradikalen Habitus, eben nicht im Lifestyle, eben nicht im Spektakel …

    Mach was du willst … und das meine ich sehr ernst. Ich gehe auf jeden Fall ein Stückchen mit dem Ganzen mit und bin dabei konkret Alternativen heute und hier, in meinem Leben, umzusetzen. Hoffentlich schreibst du nicht nur Meckereien unter irgendwelche Blogartikel und lebst ansonsten dein scheisskonformes Leben.

  18. hannes Says:

    zum verlinkten radiobeitrag aus freiburg: gerhard hanloser(der ja gerne mal palitücher als cooles kleidungsstück verteidigt) zitiert hier und da mit erhobener stimme aus dem manifest..und das war`s dann auch; 5 minuten(so lange geht der beitrag) lebenszeit verschenkt..futter für eine weitere tirade aus dem spannenderen zirkel freiburgs(isf, vor allem bruhn).

  19. classless Kulla » Blog Archive » Jungle World vs. Johannes Thumfart Says:

    […] noch mal die Aussagen über die Jungle überdenken! In der neuen Ausgabe nimmt nämlich – wie erwartet – Cord Riechelmann die unsäglichen Besprechungen Thumfarts von “Der kommende Aufstand” […]

  20. Donauwelle Says:

    @hannes – Du wirst schon Deine Gründe gehabt haben bis zum Ende zuzuhören. Ich jedenfalls finde das dezentrale Konzept überzeugend, u. a. auch weil es die Möglichkeit bietet nicht Hamas etc. in den Mittelpunkt zu stellen.

  21. ivo Says:

    @SM: “Das die Jungle World den Text von Jochen Thumfart veröffentlich hat, ärgert mich schon etwas. Das hat nichts mit Zensur zu tun, denn solche Artikel kann mensch ja in der FAZ, SZ und Konsorten ohne Probleme unterbringen.”

    Da hast du aber etwas verwechselt. Gerade die FAZ und das bürgerliche Feuilleton haben das Manifest für den kommenden Aufstand doch über den grünen Klee gelobt!

  22. SM Says:

    @IVO – Anfangs … der Rudeljournalismus hat nachgezogen …

  23. A.K. Says:

    Yo classless,
    grad auf deine obige Auseinandersetzung gestoßen. Sehr verdienstvoll! Ich wollte mich eigentlich nicht zu der ganzen Sache äußern, neulich hab ich mich dann doch hinreißen lassen.
    “Der beste Beitrag zum kommenden Aufstand…”, hört, hört.
    http://linksunten.indymedia.org/de/node/35129
    grrrts,
    a.k.

  24. Knutknecht Says:

    […] Jungle World vs. „Der kommende Aufstand“ […]

Leave a Reply

2MWW4N64EB9P