Heute mal ohne mich

October 21st, 2006

Ich bin heute nicht bei der Kundgebung gegen den Naziaufmarsch in Westberlin, zum Teil des Arbeitens wegen, zum Teil aber auch wegen der Breite des Bündnisses, die letztlich signalisiert, daß das Thema angekommen ist und vielleicht fürderhin zur Angelegenheit der sogenannten Mitte werden könnte.

Das schlägt sich leider auch in einem merkwürdigen Aufruf nieder, den ich dieses Jahr ungern kolportieren mochte. Ich teile Lizas Kritik an der Formulierung, es gebe zu Israel und Palästinensern unterschiedliche Meinungen im Bündnis. (Nicht die verschiedenen Meinungen sind das Problem, wohl aber die Unausgesprochenheit, die bei diesem Themenkomplex allerlei sehr Unschönes implizieren kann.)

Andererseits haut auch Lizas Welt selbst ordentlich daneben, wenn es zum Aufruf-Passus „Wir wenden uns zugleich gegen jede Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens oder migrantischen Hintergrunds. Es geht nicht um einen Kulturkampf gegen ‚den’ Islam, sondern um ein gemeinsames politisches Streiten gegen Islamismus und religiös verbrämte Gewalt“ heißt, die Verfasser würden “den in diesem Zusammenhang gänzlich albernen Vorwurf des Rassismus” fürchten. Das ist leider im Kontext der antiislamischen Blogosphäre und ihrer Anhänger in den Kommentarthreads keineswegs albern.

(Falls ich heute tagsüber meine Kommentare nicht lesen kann: Ja, Lysis, ich meine, es dort mit Fascchisten zu tun zu haben und habe mir dein Elaborat zum Thema schon angesehen.)

4 Responses to “Heute mal ohne mich”

  1. nonono Says:

    Und da denken die Holmies, der Spagat zwischen Aufhebung des Kapitalverhältnisses und offener Gesellschaft wäre schon arg…

  2. scrupeda Says:

    Ich bin hin und auch schon wieder zurück:
    http://www.scrupeda.net/wordpress/2006/10/21/sind-wir-nicht-alle-ein-bisschen-opfer-des-zionismus/

  3. Lizas Welt Says:

    Habe ich da wirklich so „daneben gehauen“? Ich halte es tatsächlich für abwegig, im Kontext einer Demonstration gegen eine antisemitische Manifestation über „Islamophobie“ zu sprechen (auch wenn den Begriff selbst nicht auftaucht, ist es offensichtlich, dass von ihm die Rede ist):

    1. Es ist eine Unsitte, Antisemitismus und „Islamophobie“ auf eine Stufe zu stellen. Und das tun die Initiatoren der Aktivitäten gegen den Al Quds-Tag, wenn sie schreiben: „Wir wenden uns zugleich (!) gegen jede Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens oder migrantischen Hintergrunds.“ Eine Kritik des (in diesem Falle islamischen) Antisemitismus ist bittere Notwendigkeit – mit „Diskriminierung“ hat das nichts zu tun. Wer das trotzdem explizieren zu müssen glaubt, traut entweder den eigenen Argumenten nicht recht oder ist bereits denen auf den Leim gegangen, die immer dann, wenn der islamische Antisemitismus kritisiert wird, „Islamophobie“ schreien – ganz so, als sei es per se rassistisch, den in der arabischen Welt nun einmal virulenten Judenhass mit scharfen Worten zurückzuweisen.

    2. Wenn es in dem Aufruf weiter heißt: „Es geht nicht um einen Kulturkampf gegen ‚den’ Islam, sondern um ein gemeinsames politisches Streiten gegen Islamismus und religiös verbrämte Gewalt“, dann frage ich mich, mit wem denn hier gegen was gekämpft werden soll, wenn vorher noch explizit auf die „unterschiedlichen Meinungen [im Bündnis] zu dem andauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern“ hingewiesen wird. Offensichtlich ist es so, dass hier einmal mehr der vorgeblich „gute“, „friedliche“ Islam gegen den „bösen“ Islamismus in Anschlag gebracht werden und Sympathisanten mit einem – vorsichtig formuliert – fragwürdigen Verhältnis zu Israel um keinen Preis verschreckt werden sollen. Eingedenk des weltanschaulichen Charakters des Islam, der die Religionsausübung gerade nicht im rein Privaten verortet, sondern als eine die gesamte Gesellschaft vollständig durchdringende Veranstaltung sieht, ist diese Trennung jedoch falsch – sie fällt hinter die Erfahrungen, die Erkenntnisse und das Wirken etwa einer Ayaan Hirsi Ali und einer Necla Kelek zurück, und sie verdreht Opfer und Täter.

    3. Meine Kritik ging aber noch weiter, denn nach dem Aufruf kann man nicht ausschließen, dass dessen Verfasser selbst nicht von einem Kollektiv lassen können oder wollen, das als „Menschen muslimischen Glaubens“ ethnifiziert wird. Dadurch wird jedoch die Kritik des politischen Islam abgeschnitten, statt das Individuum vor den Zumutungen der Umma in Schutz zu nehmen und zu stärken – also der Ideologie, die den Al-Quds-Tag kennzeichnet und bestimmt, mit aller Konsequenz entgegenzutreten. Es ist dies ein Antirassismus, der sich schwer damit tut, das Individuum vor die Gemeinschaft, vor das Kollektiv zu stellen, weil er selbst nicht von diesen Kategorien abstrahiert – damit ist er leider näher dran an den „Islamophobie“-Schreihälsen, als er selbst vermutlich denkt, denn auch diese können sich Menschen nur als Ethnien vorstellen. Um wie viel sinnvoller wäre es da gewesen, das Recht auf Unglaube und Verschiedenheit zu betonen!

    Ich bestreite selbstverständlich nicht, dass es nicht unerhebliche Tendenzen gibt, die Zumutungen des Islam mit einer Ausländer-raus-Politik zu kontern. Derlei hat mit einer Kritik des Antisemitismus allerdings rein gar nichts zu tun. Die Initiatoren der Demonstration gegen den Al Quds-Tag haben in ihrem Aufruf außerdem deutlich gemacht, was ihre Kritik am Islamismus ist – wer das rassistisch findet, folgt einem interessierten Missverständnis. Daher halte ich eine entsprechende Abgrenzung für albern – vielleicht ist sie aber auch vorauseilender Gehorsam. Das wäre noch ärger.

  4. classless Says:

    Ich stimme dir in den meisten Punkten (Kampfbegriff Rassismus, Kampfbegriff Islamophobie) zu, doch scheint unsere Beurteilung des real existierenden Rassismus, der sich unter dem Banner des Antiislamismus versammelt, auseinanderzugehen. Wenn du schreibst, derlei habe “mit einer Kritik des Antisemitismus allerdings rein gar nichts zu tun”, dann stimmt das natürlich; davon befindet man sich möglicherweise dennoch in derselben Gesellschaft, von der sich meines Erachtens bisher kaum explizit distanziert wurde.

    Vielleicht auch aus der täglichen Erfahrung mit besonders Deutschen im Arbeitsalltag würde ich behaupten, daß die Übertragung des Ressentimentkomplexes “Ausländer” auf “Moslems” sehr weit verbreitet ist und in dem Zusammenhang “nicht unerhebliche Tendenzen” eine Untertreibung darstellt.

    Es geht nicht darum, ob sich die jeweils Angegriffenen selbst als Moslems verstehen oder nicht, es geht zumindest an diesem Punkt darum, ob sie völlig richtig interpretieren, was ihnen als Ausländern gilt, egal ob sie Moslems sind. Sich von den Parolen zweier der meistgelesenen deutschen Politblogs bezüglich einer neuen Reconquista und der Auslassungen ihrer mittlerweile endlosen Blogroll mit Namen wie “Martell” und “Gates of Vienna” abzugrenzen, halte ich überhaupt nicht für albern, sondern für notwendig.

    Dabei hast du wiederum recht damit, daß die Art, wie diese Abgrenzung formuliert ist, auch als Anbiederung und übervorsichtiger Disclaimer zu verstehen ist. So wie es da steht, kann ich das auch nicht unterschreiben. Aber ich bleibe dabei, daß die Abgrenzung von konservativen Ausländer-Bashern oft zu kurz kommt.

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