Ohne Geld denken

December 17th, 2007

>>Anders als seltsame Altlinke mariniert er sich nicht im ranzigem Aufguss der falschesten Lesart des Marx´schen. Im Gegenteil überfährt Bockelmann eindrucksvoll jeden noch so gutgemeinten operativen Eingriff in die krisenhaft globale Wirtschaft heute.<< Der Jaegerzaun bespricht einen Text über die Abschaffung des Geldes vom großartigen Eske Bockelmann, Autor von “Im Takt des Geldes“.

19 Responses to “Ohne Geld denken”

  1. sepp Says:

    Bockelmanns Text in der Streifzüge wurde bereits vor einiger Zeit schonmal hier kritisiert:

    http://prodomo.50webs.net/4/wie_gehabt.html

  2. classless Says:

    Jagerzaun: “Bockelmann belässt es nicht bei der unendlichen Ausschmückung des Utopia ohne Geld und Verdinglichung – der im Privaten nachzugehen ich als alternative Montagsbeschäftigung jedoch vorschlagen möchte – sondern lässt sich präventiv auf die Frage der Nichtverstehenden danach ein, wer das denn dann alles bezahlen solle. Niemand!, fängt er die Skepsis derer auf, die sich noch für den Ehrenamtsquatsch, um des status quo willen, stark gemacht hatten, niemand soll sie bezahlen, denn niemand hätte mehr etwas zu bezahlen […] für nichts wäre mehr Geld aufzubringen.”

    Prodomo: “So wird Bockelmanns Traktat etwas zu flapsig, wenn er die Umwandlung der Lohnarbeit in ehrenamtliche Tätigkeit – unter Voraussetzung der Abschaffung des Geldes – allen Ernstes als „erzkommunistische Idee“ feiert. Vielleicht habe ich die Ironie ja nur nicht verstanden, aber dass das beschriebene Szenario gar nicht so weit weg ist vom staatlich zugewiesenen Arbeitsdienst an der Gemeinschaft erläutert Bockelmann nicht.”

    Hm, haben wirklich beide denselben Text gelesen?

  3. godforgivesbigots Says:

    Kann man den irgendwo im Netz lesen?

    In (Sub-)Kulturen wo die Kategorie der Ehre eine maßgebliche Rolle spielt, nimmt auch ihr Gegenstück, die Schande einen zentralen Platz ein.

    Der Ehrenmord setzt einem als Schande wahrgenommenen Leben ein Ende.

    Das Ehrenamt versucht eine als Schande empfundene Gesellschaft von oben herab zu verbessern.

    Das Ehrenwort ist die Rechtfertigung einer Schandtat (Stichworte: Korruption, Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble, Erinnerungsverluste, schwarze Köfferchen, Königshaus Saud).

    Andererseits, auch die Datennutzlast (content) dieses Blogs wird unentgeltlich (ehrenamtlich) bereitgestellt, und ist die erzkommunistisch?

  4. classless Says:

    Der Content? Das sind doch nur redaktionelle Ergänzungen zu den Werbeeinblendungen in der Seitenleiste 😉

  5. ghost Says:

    Nich schlecht
    bin sehr positiv überrascht

    ist der herr Bockelmann, immerhin ja “einer von zwei Intellektuellen in Chemnitz” (*lach* tja, jetzt wo ich weg bin…*schrei*) so gut wie die Besprechung ihn aussehen läßt?

    Grüße Schmüße Popüße.

  6. godforgivesbigots Says:

    Ja wenn das so ist sollte ich womöglich doch Dein Buch mal lesen. Ist mir aber bis jetzt noch nicht über den Weg gelaufen. Vielleicht mal den Weihnachtsmann fragen.

  7. sepp Says:

    Leider ist derselbe Text gemeint. Der Jaegerzaun hat ihn wohl nicht richtig gelesen oder die Sache mit dem Ehrenamt umgedeutet. Bockelmann bezieht sich eindeutig positiv auf ehrenamtliche Tätigkeiten. Nur weil es kein Geld mehr gibt, heißt das ja nicht automatisch, dass es keinen Arbeitszwang mehr geben kann. Bockelmann versäumt es, die Rolle des Staates in der kapitalistischen Produktionsweise zu debattieren – damit handelt er sich Probleme ein.

  8. nonono Says:

    @sepp
    Dein Argument klingt ja wie Gegenstandpunkt – Bockelmann verletzt die heilige Dreifaltigkeit und denkt nur ans Geld.

    @ghost
    “Im Takt des Geldes” ist an so vielen Stellen wundervoll, an denen die lieben Kritiker mit ihren Aufgaben es nicht sind – angefangen beim ausgebreiteten Horizont, endend bei der unübersehbaren Fassungslosigkeit über die eigenen Funde. Habe lange niemanden mehr gelesen, der zugibt, dass seine Position davon nicht gerade plausibler erscheint, dass er ihren Geltungsbereich auf noch mehr Gebiete ausdehnt.

  9. ghost Says:

    Verdammt. 36 Euro.
    Nicht drin.

  10. Hannes G. Says:

    Ich bin nicht dermaßen begeistert. Bockelmann hat eine Idee: die Ablösung und Verselbständigung des Werts vom GW durch die Entstehung des Kapitals (Anfang 17.Jh.) korrespondiert mit geistigen Entwicklungen (entstehung des Taktes in Musik und Dichtung, Funktionalismus in der Naturwissenschaft, Subjekt-Objekt-Dualismus in der Philsophie) in der selben Zeit. So weit so interessant. Aber dann entpuppt sich Bockelmann zum einen als Ableitungsmarxist, für den von vornherein feststeht, dass die Dynamik des Werts die Baisis dieser Entwicklung ist. Zum zweiten zwängt er m.E. schließlich alles sehr gewaltsam und undifferenziert in das entdeckte Schema F.
    Ganz davon abgesehen hat mich Bockelmanns Stil total genervt. “Ich bin erstaunt über mich, dass ich die Formen gefunden habe, nach der die Welt verhext ist. Jetzt erklärt Euch, liebe Kinder, der Onkel mal, was er dolles entdeckt hat.”
    Wer die theoretischen Ausführungen des Buches (Im Takt des Geldes) in Kurzform konsumieren will, lese: Bockelmann, Die Synthsis am Geld, in: Kaempfer u.a., Die unsichtbare Macht – neun Studien zu Liberalismus – Kapitalismus, 2005

  11. classless Says:

    Mir war nicht klar, daß es für ihn von vornherein feststeht – zumindest war das dem Buch nicht zu entnehmen. Und ich mochte seine Art der Darstellung sehr gern – ob das was mit literarischen Vorlieben zu tun hat?

  12. sepp Says:

    @nonono: Was hat das mit Dreifaltigkeit zu tun? Wenn man über eine zukünftige Gesellschaft ohne Geld reden will und dann einfach das Problem des Staates außen vor lässt, muss das schief gehen. Insofern hat Hannes G. recht, dass Bockelmann ein Ableitungsmarxist ist, denn für ihn scheint sich mit dem Verschwinden des Geldes auch das Problem politischer Herrschaft aufgelöst zu haben.

    “Im Takt des Geldes” fand ich bis auf die ständige Selbstbeweihräucherung sehr instruktiv, wobei der Teil über Philosophie eindeutig der Schwächste ist. Aber Bockelmann kann zeigen, dass das abstrakte Denken tatsächlich auf der gesellschaftlichen Synthesis durch den Wert basiert (das ist keine Ableitung, sondern die Konsequenz der Erkenntnis, dass die Formen des Denken nicht unabhängig von Erfahrung sind), was Sohn-Rethel bloß behauptet hat. Was man mit dieser Erkenntnis anfängt, ist wiederum eine ganz andere Sache – müsste es nicht im Kommunismus auch eine Form von abstrakter Vermittlung geben?

  13. Hannes G. Says:

    @ sepp

    Dass die Formen des Denkens nicht vom Himmel fallen ist schon klar. Aber ist gibt auch andere Herleitungen des Bruchs um 1620, die die Entstehung des Kapitals selber zurückführen. (Bspw. Türcke in “Sexus und Geist”). Die Frage also ist, was man an den Anfang seiner Begründungskette setzt. Und bei Bockelmann steht halt von vornherein fest: zugrunde liegt das Geld, das andere erwächst darauf. Das Geld seinerseits eine synthetische Leistung des Denkens, wie unbewusst auch immer, voraussetzt, fällt dann hinten runder. Aus diesem mir unauflösslichen Zirkel, dass das Geld selbst schon eine synthetische Leistung voraussetzt (wie Bockelmann selbst in dem kurzen Text nicht müde wird zu betonen), daher nicht selber der Grund aller Äquivalenz und Synthesis sein kann, stielt sich Bockelmann raus: ”Wenn nicht auf diesem, auf irgendeinem anderen Wege jedenfalls muss die Vorstellung von Äquivalenz oder vielmehr die Verpflichtung auf sie entstanden sein.” (Im Takt des Geldes, S. 129) In dem kurzen Text heißt es: ”Egal, wie es mit dem Geld und der Äquivalenzvorstellung seinen Anfang genommen haben mag […].” Nachdem er das Geld “irgendwie” und “egal” wie eingeführt hat, kann er alles daraus ableiten. Adorno macht es sich übrigens nicht so leicht, etwas an den Anfang zu setzen. Er redet vielmehr von der “Urverwandtschaft” von Tausch und Denken. In beiden waltet das “Identitätsprinzip”. Adorno bezieht sich dabei übrigens auf Nietzsche, von dem die Behauptung stammt, dass Denken und Tauschen im Grunde gleich verfahren, indem sie identifizieren.

  14. Hannes G. Says:

    Sorry für meine morgentliche Rechtschreibung: die ist “hinten runder” gefallen.

  15. nonono Says:

    @sepp

    Die GSP-Dreifaltigkeit: Staat, Nation, Kapital.

    @Hannes G.

    Huhn oder Ei mal wieder – dennoch macht Bockelmann deutlich, dass wir alle auf einer Hühnerfarm leben, um im Bild zu bleiben.

  16. Hannes G. Says:

    @ nono:

    Genau diese Formulierung habe ich an anderer Stelle gebraucht:

    “Wahrscheinlich steckt in der Frage, was zuerst dagewesen ist – das Geld oder die synthetische Leistung des Denkens – so wenig unmittelbar die Antwort wie in der nach Henne oder Ei. Leider stellt Bockelmann die Frage nicht, obwohl sie sich in seinen Schriften aufdrängt.”

  17. nonono Says:

    Ich finde es legitim und sympathisch, wie sehr Bockelmann erst mal über seine Entdeckungen abgeht – dabei muss es ja nicht bleiben. Aber ich würde nicht von jemandem, der den Horizont soweit aufgeacht hat, auch noch die richtigen Schussfolgerungen bzgl. Staat und Revolution (sepp) und die richtige Herleitung (Hannes) verlangen, die ich selbst jeweils auch nicht kenne.

    Wie hat denn Türcke diesen Übergang hergeleitet?

  18. Hannes G. Says:

    Türckes “Sexus und Geist” geht vom christlichen Patriarchat aus. Dies hätte zu einer wahnhaften Seelenökonomie geführt, die zu Naturwissenschaften etc. und, hier wird Türcke sehr waghalsig, auch zur kapitalisitschen Produktionsweise geführt hätte.

    Türcke beginnt mit dem Matriarchat. Das lass ich mal weg. Die Trinität Gott, Gottes Sohn, Heiliger Geist ist die ewige Abkehr vom weiblichen Geschlecht, das mit Natur assoziiert wird – die ewig in sich kreisende und sich selbst befriedigende männliche, entsinnlichte Bewegung des Geistes.
    Der sich reinigende Geist hinterlässt permanent sein Gegenteil in Form bedrohlich-fremder Natur. Dieses ihm feindliche Fremde, das seine innere Wunde und sein blinder Fleck ist, bekämpft er durch die Inquisition.
    Der vergebliche Versuch mittels Inquisition einen Feind zu besiegen, der zum einen kein Feind ist und zweitens den Inquisitoren selbst innewohnt, führt ungewollt in ein neues Zeitalter. Die Inquisition ist die Keimzelle einer neuen Wissenschaftsauffassung, die Francis Bacon dereinst philosophisch auf den Begriff bringen sollte. Schon die Inquisition ist Induktion. Diese dient der Erforschung und Kontrolle der Natur, jene der Herrschaft über die Menschen durch deren Erforschung und Überwachung. Alles soll der Vernunft gehorchen. Die Vernunft wandelt sich unterdessen vom Zweck zum Mittel. Das ist die hässliche Leistung der Reformation.
    Damit einher geht die „Entzauberung der Welt“, denn was sich in Quanta umrechnen lässt, verliert jegliche überirdische Aura. Die „Entzauberung der Welt“ geht parallel im naturwissenschaftlichen Treiben vor sich. Türcke exemplifiziert diese Entzauberung anhand der Wissenschaftsauffassung Francis Bacons und zeigt gleichzeitig, wie diese Wissenschaftlichkeit aus dem Hexenwahn hervorgeht. Bacon will den Geist von allem Spuk und damit ausdrücklich die Welt von aller Hexerei „reinigen und frei machen“, indem er dem Geist die Methode zur Erkundung der Welt beibringt. Diese Methode nennt Bacon Induktion und sie besteht zuerst im Registrieren aller Phänomene, deren Messen und Quantifizieren. Und schließlich „folgt dann die Induktion selbst“ – das Auffinden der „Wesenheit in den Dingen“. Die Natur soll dem Menschen Untertan werden. Bacon begründet das mit christlichem Gewissen und setzt die Inquisition in neuer Gestalt und in vorerst humanerem Antlitz fort. Induktion ist jedoch nicht nur Methode zur Beherrschung der Natur, gleichzeitig soll durch sie hindurch der Geist an die Kette genommen werden. Das Tun der Vernunft soll nicht mehr „weibisch“ sein. Es soll Früchte tragen als „Beweis des Geistes und seiner Kraft“. Der Autarkiewahn des Geistes transformiert sich in den Wahn der permanenten Selbstbestätigung, die der Geist immer wieder in den Ergebnissen seiner Arbeit erhält. Er muss „unablässig mehr aus sich machen“. Dieser „seelenökonomische“ Wahn „übersetzt“ und „versachlicht“ sich laut Türcke in gesellschaftliche Objektivität, d.i. das kapitalistische Produktionsverhältnis. „Es leidet keinen Zweifel: Die doppelt rationalisierte Sucht, die da die Seelen bewegt und eine neue Art der Subjektivität zu prägen beginnt, hat genau die Struktur, die, in gesellschaftliche Objektivität übersetzt – das moderne Bewegungsgesetz des Kapitals ergibt.“ (192)

    Ich würde dem ganz und gar nicht umstandslos zustimmen, aber als Korrektiv zu Bockelmann finde ich das erst mal nicht schlecht. Auf alle Fälle ist das Buch von Türcke ähnlich großangelegt wie Bockelmanns – und man lernt neben der spannenden Entfaltung der These viel über Philosophie, Naturwissenschaft, Religion, Geschichte…

  19. frechinchen Says:

    @sepp:“Leider ist derselbe Text gemeint. Der Jaegerzaun hat ihn wohl nicht richtig gelesen oder die Sache mit dem Ehrenamt umgedeutet. Bockelmann bezieht sich eindeutig positiv auf ehrenamtliche Tätigkeiten”

    dass bockelmann 1zu1 hinter dem ehrenamt steht, so wie es in der realpolitischen umsetzung seine funktion in der brd erfüllen soll (zivilgesellschaftlicher kack), darf bezweifelt werden. vielmehr greift er die idee des ehrenamts nur “als tätigkeit ohne bezahlung” auf. ” Also, Bürger, Schluss mit der sozialen Kälte, warmherzig angepackt und menschlicherweise auf Bezahlung verzichtet!” kann zunächst kaum ohne ironie verstanden werden. gerade das nachschicken ” Hm, und doch – so ähnlich denke ich mir das auch” deutet darauf hin, dass das noch unmodulierte ehrenamt ihm m.E. als einstiegsidee und aufhänger für seine argumentation dienen soll. auf ehrenamtliche tätigkeit wird ja bekanntlich dann gepocht, wenn die soziale kacke am dampfen ist – sich der sozialstaat so gar nicht tragen lassen will. bockelmann geht es aber eben nicht um symptombekämpfung qua des instrumentes ehrenamt, sondern um das herausstellen, des geradezu zwanghaften wertdenkens.

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