Dresden-Disko

February 28th, 2010

In der Jungle World ist Dresden diese Woche noch mal auf der Disko-Seite gelandet, und irgendwie sind beide Texte merkwürdig. Der erste heißt “Dresden war ganz und gar nicht nazifrei“, und so sehr ich es begrüße, wenn die antifaschistische “Reinigungsmittel- und Kammerjägerrhetorik” (No Tears For Krauts) solcherart gebounct wird, ist es doch albern, nach dem erstmaligen Verhindern des Aufmarschs zu sagen: Ätsch, aber ihr habt die Kundgebung nicht verhindert. Das ist auf einer Ebene mit den Vorwürfen an “Keine Versöhnung mit Deutschland”, sie hätten mit ihren Aktionen beim öffentlichen Gedenken dieses nicht verhindert.

Auch mit den im Text folgenden Behauptungen, die Blockaden seien von der Polizei einfach “stehen- oder sitzengelassen” worden, die Polizei hätte nicht vorgehabt, die Nazis laufen zu lassen oder die Blockaden zu räumen, macht es sich die Verfasserin m.E. zu einfach. Es gab sicherlich polizeiseitig die Bereitschaft, bei entsprechend großer Zahl von Blockierenden an entsprechend vielen Stellen und nach mehreren Räumversuchen irgendwann den Naziaufmarsch abzublasen. Aber ich denke, der Tag hätte auch anders verlaufen können.

Den zweiten Text schrieb Jana Meiser von Avanti, die noch mal einen schönen Eindruck davon gibt, was aus dem Bündnis seit dem 13. Februar so zu hören war. In die Eingangsschilderung der “Dresdner Verhältnisse”, die “den Aufmarsch am 13. Februar zum wichtigsten identitätsstiftenden Event der extremen Rechten” gemacht haben, wird die “linke Szene in Dresden” – “zerstritten und wenig selbstbewusst” – gleich mit einsortiert.

Später wird nochmal betont, “eine Auseinandersetzung mit den Nazis in Dresden und anderswo” könne “nicht allein auf einer theoretischen Ebene vollzogen werden. Politik muss hier praktisch werden.” Ich weiß, ich wiederhole mich, aber sie eben auch: Die zerstrittene linke Szene hatte bis 2008 weitgehend ohne Zugeständnisse an den Opferdiskurs und weitgehend ohne eine Verengung auf den Naziaufmarsch bis zu 1500 Gegendemonstrierende in die Stadt mobilisiert. Das heißt, es hatte eine Praxis gegeben, die nicht irgendwie separat von der rein “theoretischen Ebene” oder über sie hinausgehend funktionierte.

Und “Der Satz »In Dresden ist es anders« ist passé”? Muß die Antifa anderswo auch immer gegen die Stadt und ihre Vertreter agieren? Muß sie die überwiegende Mehrzahl der Leute sonst auch immer selber mitbringen?

4 Responses to “Dresden-Disko”

  1. Xenu's Pasta Says:

    Echt? Woanders ist das nicht so?

  2. skp Says:

    dieses bündnisgefasel ist unerträglich. Hauptsache die Nazis laufen nicht und die Dresdner Bürger können ungestört rumopfern. Inhalt = 0; Aktionismus und Symbolfetisch = alles. ein Spektakel, wie es im Buche steht.

  3. fortschritt Says:

    Jo, die beiden Texte waren komisch. Aber ist das nicht in der Disko immer so?

  4. Aktionskletterer Says:

    Aus dem zitierten Flugblatt:

    – auch wenn ihnen öffentlich kaum noch jemand Verständnis entgegenbringt, stellen NPD und Co. gerade im ländlichen Raum nach wie vor eine ernstzunehmende Gefahr für Migranten, Punks oder Obdachlose dar –

    Also unter dem Aspekt Freistaat gegen Freiraum als Hauptkonfliktlinie haben beide recht und auch wieder nicht. Die Nazis haben sich nicht wie gewünscht das Tüpfelchen auf dem i der kulturellen Hegemonie inszenieren können, aber inwieweit dieser tatsächlich flächendeckend beigekommen ist ist damit nicht entschieden. Entscheidend dafür dürfte sein, dass die politische Aufarbeitung des Extremismuswahns als Staatsideologie, die in beiden Rezensionen quasi konsensuell angestoßen ist, auf eine Weise entwickelt wird welche klare Kante gegen Querfrontansätze zeigt. Die gesamte politische Konstellation von Dresden ist an sich schon ein Musterbeispiel dafür, wie staatstragende Braunzone und staatsfeindliche Braunzone trotz allem Extremismusgeschwafel eine nahtlose inhaltliche Kontinuität ineinander aufweisen, dessen Ausstrahlung durchaus über Sachsen hinausreicht.

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