Schlecht verstandene psychedelische Erfahrungen in postmoderner Philosophie

July 29th, 2010

Guter Trip:

>>Symbole sind Mittel, wohl die wichtigsten Mittel, mit denen wir der Welt um uns herum Bedeutung verleihen. (…) Vielleicht der auffälligste Aspekt dieses symbolischen Prozesses ist, wie Kertzer bemerkt, “sein Für-selbstverständlich-gehalten-Werden.” Menschen sind sich nicht unbedingt bewußt, daß sie selbst und ihre Kultur die Welt mit ihrer eigenen symbolisch konstruierten Version der Realität ausstatten. Ganz im Gegenteil glauben die Leute, daß die Welt sich einfach in der Form darstellt, in der sie wahrgenommen wird.<< Schlechter Trip: >>…sobald wir anerkennen würden, in welchem Ausmaß unsere Realitätsvorstellungen Produkt eines künstlich erschaffenen Symbolsystems sind, so wäre [es], wie Kenneth Burke klarmacht, “als würden wir über den Rand der Dinge in einen unendlichen Abgrund blicken”.<< Und die Folgen: >>Durch Symbole begegnen wir dem Erlebnischaos, das uns umgibt, und schaffen Ordnung. Durch die Objektivierung unserer Symbolkategorien statt ihrer Betrachtung als Produkte menschlicher Schöpfung sehen wir sie als gewissermaßen Produkte der Natur, “Dinge”, die wir einfach wahrnehmen und erkennen.<< "Üben, üben, üben!" (Wolfgang Neuss) (Zitate aus dem Text, den ich gerade übersetze: “Ihr redet von Sachbeschädigung, wir reden über Menschenleben. Wahrnehmungen von Gewalt unter griechischen anarchistischen Gruppen” von Panagiotis Papadimitropoulos/Void Network, Übersetzung ist noch roh, I know…)

10 Responses to “Schlecht verstandene psychedelische Erfahrungen in postmoderner Philosophie”

  1. Steffen Geyer Says:

    Ola!

    Wenn es da eine lesetaugliche Version gibt, wär ich gern gierig 🙂

    Mit hanfigen Grüßen
    Steffen

  2. classless Says:

    Das dauert noch.

  3. G.P. Sommer Says:

    Ich verstehe nicht genau den Sinn deines Titels. Soll er so etwas wie eine Kritik andeuten? Wie lautet dann diese Kritik? Ich würde mir wünschen, Du könntest das noch etwas ausführen. Damit ich auch mitlachen kann.

  4. classless Says:

    Ist ja nur eine kleine Skizze. Ganz grob: Das erste Zitat klingt wie etwas, was jemandem auf einem guten Trip eingefallen ist, das zweite entsprechend eher nach einem schlechten Trip, und die Konsequenzen basieren dann eben eher auf zweiterem, weshalb ich Neuss’ Empfehlung zitiere, den Umgang mit Rausch und Ekstase zu erlernen… Für das Drogenbuch wird der Zusammenhang von Acid und Postmodernism eine gewisse Rolle spielen; dann gibt’s das also in ausführlicher und verständlicher. Sorry.

  5. classless Says:

    Bisher hab ich dazu nur die Eigenerfahrung mit beidem und halt solche Schnipsel:

    “But perhaps the major influence from the emergence of LSD in the late 1960s was philosophical. [Postmodernism, Paris after 1968] Context and relationships were everything, and fixed values were rejected. The similarities with the ‘expanded awareness’ of acid are striking, and the fact that ideas like this took off after LSD washed through Parisian minds cannot convincingly be dismissed as coincidence. But what is interesting is that anecdotal evidence suggests that LSD use was far less prevalent in Paris compared to, say, Czechoslovakia, where the drug is more strongly linked to the uprisings of the same year.” (John Higgs: I Have America Surrounded. The Life of Timothy Leary, London 2006)

  6. Aktionskletterer Says:

    Gemessen am psychedelischen Anspruch ergibt das so kein klares Bild. Am guten Trip ist mehr dran als nur Distinktionsgewinn, und der schlechte Trip ist umfangreicher als lediglich eine atemberaubende Perspektive. Was das Symbol von seinem materiellen Träger unterscheidet ist die mühelose Kopierbarkeit. Wenn man diese Definition auf den Kopf stellt dann ergibt sich dass sich das Vorhandensein eines Symbols dadurch nachweisen lässt dass man die Wahrscheinlichkeit dieser Eigenschaft mit den Mitteln der Mathematik aufspürt. Wenn bei einer Papstwahl je nach Stand des Verfahrens der Rauch regelmäßig eine bestimmte Farbe hat dann könnte das eine Bedeutung haben. Etc. Sobald eine bestimmte Regelmäßigkeit nachzuweisen ist dann könnte das die Folge einer gezielt genutzten mühelosen Kopierbarkeit sein. Wo aber ein Symbol ist, da muss es neben Empfänger und Kommunikationsweg auch einen Absender geben. Fasst man das Universum als archetypische Reproduktionsmaschine auf welche auf jede Idee mit einer passenden Situation antwortet, dann steht die psychedelische Herangehensweise vor der Probematik der Authentizität der aus dem Rauschen des Alltags gefischten Symbole. Ist der Absender tatsächlich das Universum, oder eine vorgeschobene Verschwörung?

  7. G. P. Sommer Says:

    Sie vergessen dabei nur, dass auch ein Kopierer bedient werden will. Die erste Alternative scheidet somit aus. Und was ist mit der zweiten? Der Fetischismus eine Verschwörung? – Da bin ich doch zu old-schooled, um das zu glauben. Wenn die postmoderne Philosophie irgendetwas richtig erkannt hat, dann das, nämlich die libidinöse Besetzung des Objektes ernst zu nehmen. Das Symbol zeigt nicht die Welt an sondern ihren Wert, ihre Besetzung. Nur den Zweifel an der Authentizität des Lustgewinns durch den Fetisch/das Symbol, dass er/sie lediglich als eine Abweichung, eine Entschädigung für das, was einem versagt wird, interpretiert wird, den hat die Postmoderne fallen gelassen. Insofern verstehe ich das “schlecht verstanden” einfach als ein “nicht einverstanden”.

  8. Aktionskletterer Says:

    Tut sie durchaus nicht, da es auch Kopierer gibt die sich selber bedienen wie etwa der genetische Code. Und selbst eine Verschwörung im Gewand des Fetischismus ist nicht unvorstellbar, da ließen sich beispielhaft etwa die Romeos der Stasi anführen oder auch die Kinohelden des digitalen Überwachungsstaats. Wenn es darum geht darauf mit einem “nicht einverstanden” zu antworten, dann lässt sich nach den genannten psychedelischen Kriterien analog zwischen einem guten und einem schlechten Korb unterscheiden. Der Fetisch als solcher ist allerdings schon in der Vormoderne authentisch, insofern dass die Bedeutung des Symbols mit seinem materiellen Träger in eins fällt.

  9. G. P. Sommer Says:

    Der Vergleich mit den Kopierern, die sich selber bedienen, ist Quatsch. Es sind immer die Individuen, die sich und damit die Gattung reproduzieren. In der Biologie und ebenso in der Soziologie. Der ganze Symbolkram ist als Seiendes vermittelt durch das Individuum, erstens wird er dem Individuum vermittelt als Seiendes (nenn es Enkulturation), zweitens von diesem reproduziert und schöpferisch verändert (das Individuum immer als politisches Wesen begriffen).
    Und gerade die Stasi ist doch nun wirklich kein Beispiel für eine Verschwörung sondern für ein Höchstmaß an technischer Rationalität im Dienste der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Sicherheit – wobei in Europa traditionell eben immer die Privatsphäre und die individuellen Rechte auf der Strecke bleiben.

  10. Aktionskletterer Says:

    Natürlich muss man sagen dürfen dass die Evolution lediglich eine Theorie ist, aber dafür ist der Individualismus eindeutig eine anthropozentrische Schöpfung. Und der Mensch ist in der Genetik der absolute Ausnahmefall, wegen der Willensfreiheit und der sich daraus ergebenden Weltanschauungsmetaphsyik usw., die etwa beim Saatgut nicht vorkommen. Der “ganze Symbolkram” aber schon. Und zum Thema HVA hier nur soviel, dass das genannte Beispiel nicht aus dem dieser zugefallenen antifaschistischen Erbe stammt ist offensichtlich, vielmehr ist sie wegen der bislang einmalig transparenten Quellenlage als Referenzgröße attraktiv.

Leave a Reply

2MWW4N64EB9P