Libyen, Tschernobyl, Ungarn & immer wieder Deutschland in der aktuellen “konkret”
March 29th, 2011Stefan Frank in seinem instruktiven Text über Gaddafi (“verbringt selbst viel Zeit mit dem Studieren und Erforschen seines eigenen Buches”) und Libyen:
>>Europas Politiker, Journalisten und Intellektuelle lieben Diktatoren, die vom Volk gefürchtet werden und für Ruhe sorgen können. Entgleitet ihnen die Kontrolle, haben sie versagt und werden verachtet. Hosni Mubarak regierte Ägypten fast 30 Jahre lang im Ausnahmezustand. Vier Wochen vor seinem Sturz wurde er in deutschen Zeitungen erstmals “Diktator” genannt. Daß Außenminister Westerwelle ihn im Mai 2010 als Mann von “großer Weisheit” gepriesen hatte, der “die Zukunft fest im Blick” habe (s. Konkret 7/10), war seinerzeit kaum jemandem eine Bemerkung wert; sieben Monate später wurde er deshalb verspottet – weil er auf einen Schwächling gesetzt hatte. Die Partei des ehemaligen tunesischen Diktators Ben Ali war über 20 Jahre lang Mitglied der Sozialistischen Internationale. Vier Tage nach Ben Alis Sturz wurde sie ausgeschlossen – gegenüber Versagern ist die Sozialistische Internationale so unerbittlich wie die Cosa Nostra. Die aber, die ihre Gegner im stillen abmurksen, brauchen keine Kritik zu fürchten.<< Und: >>Das berüchtigte Abu-Salim-Gefängnis bei Tripolis aber wurde nicht abgerissen, dort wurden Menschenrechtsorganisationen zufolge im Juni 1996 an einem Tag mehr als 1.200 politische Gefangene ermordet. 1989 wurde erstmals der “Gaddafi-Preis für Menschenrechte” verliehen (in der Jury saß Jean Ziegler, der im Jahr 2002 selbst den Preis gewann, gemeinsam mit dem Holocaustleugner Roger Garaudy).<< Christian Jakob über die Zusammenarbeit von EU und Libyen zur “Eindämmung irregulärer Migration”, die laut Silja Klepps Schätzungen jährlich zehntausende Migranten das Leben kostet:
>>Dennoch ist die Praxis der direkten Zurückschiebung, die Italien seither vielfach praktiziert, ein Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Die legt fest, daß Abschiebungen nur zulässig sind, wenn Schutzsuchende zuvor die Möglichkeit bekommen haben, einen Asylantrag zu stellen. Italien setzte sich über dieses sogenannte Non-Refoulement-Gebot einfach hinweg, während Libyen als einziges nordafrikanisches Land die Genfer Flüchtlingskonvention gar nicht erst unterzeichnet, geschweige denn ein Asylsystem eingerichtet hat.<< Rolf Surmann über die Entschädigungsdebatte für “Euthanasie”-Geschädigte und Zwangssterilisierte:
>>Eine besondere Leistung vollbrachte der CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe. Er stellte seine Rede unter das Motto “Unrecht kann Recht nicht verdrängen” und formulierte: “Am Zweiten Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes als Schlußgesetz halten wir fest.” Damit bekräftigte er, daß die Mehrheit des Bundestags auch heute nicht bereit ist, den rassehygienisch geprägten Bundestagsbeschluß des Jahres 1965 aufzuheben.<< Christian Y. Schmidt über die “Jasmin-Revolutionäre” in China:
>>Zwar behauptete Watson Meg [von Boxun], ihm sei der Aufruf lediglich zugespielt worden, und an den Gerüchten, er sei mit den Verfassern identisch, sei nichts dran. Vielmehr stammten diese mit hoher Wahrscheinlichkeit aus Festlandschina selbst, was auch an dem verwendeten Wortschatz ablesbar sei. Doch gerade die ausgebenen Demparolen (u.a. “Wir wollen Essen” Wir wollen Arbeit! Wir wollen Wohnungen!”) wiesen auf das Gegenteil hin. Wer Leute auffordert, mitten in Peking solche Parolen zu rufen, hat von der Realität in chinesischen Großstädten allenfalls ein historisches Bild.<< Detlef zum Winkel über Tschernobyl:
>>Der Betonsarg, unter dem der Unglücksreaktor vergraben wurde, hält (aber ein weiteres Vierteljahrhundert wird er nicht halten). Die Umgebung des Ortes ist immer noch wie ausgestroben und wird es auch bleiben. (…) Einen Akzent besonderer Art setzte die deutsche Außenpolitik, als sie vor Jahren ihre Bereitschaft erklärte, die ukrainische Energiewirtschaft zu fördern, aber nur mit Atomprojekten…<< Jörg Kronauer über ungarische und deutsche Volkstumspolitik:
>>Mehr als 200.000 Polinnen und Polen besitzen mittlerweile einen deutschen Paß, ebenso tausende Tschechinnen und Tschechen. Dementsprechend kann Budapest im Streit mit den Nachbarstaaten stes völlig zutreffend darauf verweisen, daß es mit der Vergabe der Staatsbürgerschaft an die sogenannten Auslandsungarn nur dem in der EU kaum kritisierbaren deutschen Vorbild folgt.<< Michael Schilling über Jutta Ditfurths wiederholte Abrechnung mit den Grünen:
>>Geradezu penetrant zeichnet die glücklicherweise unversöhnliche Autorin, die sich im Milieu auskennt, die Karrieren grüner “Atomkraft nein danke”-Politiker nach: von der Demo am Bauzaun bis zum Empfang beim Vorstand des Energiekonzerns…<< Mathias Brandstädter über den Film “Wer wenn nicht wir”:
>>…Regisseur Andres Veiel hat sich (…) nicht an [Vespers] Roman Die Reise (…) orientiert, sondern vor allem an Gerd Koenens belletristischer RAF-Blaupause mit Bestsellerauflage (Vesper, Ensslin, Baader, Fischer-Verlag). (…) Die Reise wäre als literarischer Steinbruch allemal ein gutes Sujet für einen Film gewesen. Dabei hätte man entdecken können, daß Vesper anderes mitzuteilen hatte als die wohlfeile Formel “Faschismus gleich Totalitarismus gleich Linksextremismus”. Doch dieser Ansatz hätte vorausgesetzt, daß man sein Buch wenigstens auszugsweise liest und es als Roman begreift.<<
March 30th, 2011 at 19:16
Top-Ausgabe!
March 30th, 2011 at 19:58
Ist das Sarkozy da auf dem Cover?