KI vs. SI
August 16th, 2006Zu Beginn der Veranstaltung zum Verbrecher-Sammelband über die Situationisten versprach Stephan Grigat, Aussagen über die heutige Brauchbarkeit der SI zu treffen, doch für den längsten Teil seines eigenen Vortrags ging es um die Kritik an der heutigen Kritik an der situationistischen Kritik, also um den überraschenden Befund, daß die SI heute vereinnahmt und mißverstanden wird; in den beiden folgenden Beiträgen von Eiko Grimberg und Bernd Beier gab es Ermüdend-Deskriptives und bewegungslinksradikale Golden Oldies, was sich ebenso um die Eingangsfrage herumstahl.
Auf den Nationalsozialismus als blinden Fleck der Situationisten hätte Grigat auch in zwei Sätzen hinweisen können, er machte jedoch die “Notwendigkeit der Parteinahme materialistischer Kritik für den Zionismus und für Israel” auch zu einem Hauptthema der anschließenden Diskussion, die von einem Bekannten treffend damit beschrieben wurde, daß man sie sich genauso vorher ausdenken können und daß sich im noch interessantesten Teil Grigat und ein Freund der klassenlosen Gesellschaft wechselseitig ein verkürztes, falsches Verständnis Debords vorwarfen – dicht an absurdem Theater, nur nicht aufregend genug dafür. (FdkG: “Klar handelt es sich bei Palästina und beim Iran nicht um bürgerliche Staaten, sondern um Rackethaufen…”, Grigat: “Es ist ja nicht falsch zu sagen, die Amerikaner würden in al-Qaida ihr Alter Ego bekämpfen…”)
Auf die erste Publikumsfrage – eben nach der angekündigten Brauchbarkeit – hatte Grigat wohl noch mal die Verkaufszahlen des Buches halbiert, als er abermals betonte, daß es keinerlei Anknüpfungspunkte an die SI-Positionen zu Zionismus und Krieg gäbe und sich die Frage stellen würde, inwieweit sich diese Positionen auf die Situationisten insgesamt auswirkten. Zugute zu halten sei ihnen jedoch, daß sie die Fetischkritik kurz in Frankreich eingeschleppt hätten, bis sie sofort wieder verpufft sei, und daß sie eine rücksichtslose Kritik an anderen linken Lagern incl. dem leninistischen Staatsfetischismus geleistet hätten: “Nach dem Staat rufen wie attac – ist alles nicht neu.” Attac ist aber auch sowieso nicht mehr neu.
Zur Frage, was die radikale Verweigerungshaltung gegenüber der Kulturindustrie heutigen Künstlern sagen könnte, meinte Grimberg, ihr Buch sei keine Kunst, es beträfe sie selbst also nicht; das “autonome Kunstwerk” sei jedoch immer noch “Möglichkeit der Vorstellung des anderen”, würde es bei Adorno angbelich heißen. Grigat sagte grinsend ebenso schön wie aber auch billig, daß eben “bei uns alle Begriffe negativ” seien, es um ein “Programm der Kritik” ginge. Anti-Kunst könne allerdings in Konkretismus und Vitalismus abgleiten, aber…
Leider nicht wirklich eingegangen wurde auf Stefan Wirners Frage, welches die Kriterien der bürgerlichen Gesellschaft (und der Barbarei) seien, nach denen ja immerhin ermittelt werden könnte, womit wir es vielleicht bei weniger eindeutigen Fällen als Israel oder Nazideutschland zu tun haben. Grigat wich zunächst mit der Bemerkung aus, daß er den Begriff “aus Tradition” verwenden würde und daß er überfragt sei. Dann kamen lahme Allgemeinplätze über die positiven Bestimmungen wie Rechtsstaat, Individualrechte etc.
Im weiteren Verlauf mußten dann alle Anwesenden, die etwas gegen Antideutsche hatten, das noch mal zornig, beleidigt oder pädagogisch, auf jeden Fall lautstark loswerden, was zeigte, daß die Heterogenität des Sammelbandes mit der des Publikums einhergeht. Nicht mal dieses Gezoffe vermochte dem Podium mehr als hölzerne Richtigstellungen zu entlocken. Da es sich inhaltlich immer mehr dem “Urschleim” (scrupeda) annäherte, hätte das Podiums-Trio doch etwas souveräner agieren können statt sich endlose Wiederholungen von tausendmal Gesagtem einzulassen.
What a waste of time.
January 27th, 2010 at 15:18
[…] der Lieblingsobjekte der Begierde und Zuneigung in der Linken sind): Die Herausgeber und Autoren eines beim Verbrecherverlag veröffentlichten Sammelbandes zu einem Symposium über die Situationisten 2005 in Wien mit dem Titel „Spektakel – Kunst – […]