PorYes im Sonntags-Club (ca. erste Hälfte)

March 22nd, 2010

Am Sonntagabend wurde im Sonntags-Club die Reihe Reclaim Feminism mit dem Thema “Queerfeministische Pornos” fortgesetzt. Laura Méritt zeigte drei Filmbeispiele und führte in die Entstehungsgeschichte der PorYes-Bewegung ein.

Der Begriff Porno sei negativ belastet und das zurecht. Mainstream-Pornos verliefen nach Schema: Steigerungsphase, endend mit Ejakulation des Mannes im Gesicht der Frau. (Hier wurde es kurz etwas albern im Raum, als sie zur Kritik an dieser schematischen Pornographie sagte, Alice Schwarzer habe nur den Kopf dafür hingehalten.) Agierende im Schemaporno: Männer als Hengste, die immer spritzen müssen, und Frauen, die immer bedient werden müssen.

Hierzulande sei sexpositiver Feminismus weniger bekannt, PorNo habe mehr Medienaufmerksamkeit bekommen. Frauensexshops habe es auch erst deutlich später als die anderen Sexshops gegeben. In Filmen aus dieser Bewegung sei es zunächst darum gegangen, mehr als nur die Genitalien zu zeigen, Körper nicht überstylt, auch mal dicker oder mit einem Pickel darzustellen und das Ganze mit Safer Sex zu verbinden.

Das erste Beispiel stammte aus den schwedischen “Dirty Diaries” von 2009, für die Mia Engberg mit staatlicher Förderung 13 feministische Handycam-Filme zusammenstellte und mit einem Manifest verknüpfte (“To fight sexist porn you have to smash capitalism and patriarchy”). Soundtrack u.a. von Fever Ray. Gezeigt wurde daraus “Skin”: zwei Menschen making out in Ganzkörpernylons, die sie nach und nach zerschneiden und zerreißen.

Nun kam Laura Méritt auf Kriterien für feministische Pornos zu sprechen. Die Darstellung sei nicht straight auf die Ejakulation des Mannes gerichtet, weibliche Sexualität käme überhaupt erst mal vor. Statt eindimensionaler Rollenbilder ginge es um Vielfalt: andere Körperformen, auch mal Menschen über 30, andere Sexualitäten, aber eben nicht als neue Sonderkategorien. Wichtig seien gute Arbeitsbedingungen, freiwillig und konsensuell, nicht 60 Stunden hintereinander, bei kommerziellen Produktionen auch gut entlohnt. Und um die Dominanz des männlichen Blicks zu überwinden: Frauen nicht nur vor der Kamera, sondern auch dahinter.

Zweiter Beispielfilm war die Episode “Billy Jack Gunn & Paul Gunn” aus Shine Louise Houstons Serie Crash Pad, produziert von Blowfish. Méritt hob hervor, daß es auf der DVD auch sowas wie “Commentary” gibt, wo sowohl die Macherin als auch Darstellende zur Intention und Arbeitsweise zu Wort kämen. An der Episode fand sie typisch, daß hier Emotionen gezeigt wurden, daß es eine Verbindung übers Körperliche hinaus gab, daß miteinander gesprochen und verhandelt wurde: “Es darf auch gelacht werden.”

Das dritte Beispiel stammte aus Maria Beattys “Sex Mannequins”. Hier sei alles total inszeniert und Ritual: “Jedes Detail sitzt.” Anders als im Mainstreamporno würden jedoch nicht Frauenstimmen eine Oktave höher und Männerstimmen eine Oktave tiefer gesetzt werden; auch hier gäbe es Achselhaare und Pickelchen zu sehen. In der gezeigten Szene kommt eine Frau zum Höhepunkt und ejakuliert, danach ist jedoch nicht einfach Schluß, sondern beide Frauen halten sich in den Armen.

In der nun folgenden Fragerunde ging es um Verkaufszahlen (Candida Royalle verkaufe 10.000 Filme pro Monat, in Europa sei Petra Joy am erfolgreichsten), Bezugsquellen (Petra Joy in Sexshops, anderes nur in Frauensexshops, bald soll es PorYes-Regale in Erotikboutiquen geben) und die Einflußnahme auf den Mainstream (bei Spielzeug habe es schon geklappt: das sei mittlerweile farbiger, hübscher und besser verpackt). Diese kleine Werbeunterbrechung wurde komplettiert mit dem Content-Industrie-Satz: “Im Internet gibt’s alles, aber nicht die Qualität, und die Qualität wird sich durchsetzen”.

Den zweiten Teil der Veranstaltung, die Dokumentation “Pornoprotokolle” von Isabella Willinger, habe ich dann leider nicht mehr gesehen. Vielleicht kann dazu noch jemand was nachtragen, der dort war.

6 Responses to “PorYes im Sonntags-Club (ca. erste Hälfte)”

  1. Dörte Says:

  2. john doe Says:

    unterm strich war ich von der veranstaltung enttaeuscht. die kritik war augenscheinlich den meisten wahrscheinlich eh schon klar und belief sich auf allgemeinplaetze, ne flott inet recherche haette da auch gereicht. etwas pubertaer waren die lacher im publikum (neben dem schon oben erwaehnten alice schwarzer lacher ging das gekicher auch schon bei “das hier soll eine einfuehrungsveranstaltung sein” los!). ich fand es komisch mit 80-100 leuten in einem ueberfuellten raum einen 10 min porno (dem eine nette grundidee zugrunde lag) zu schaun, dann kamen die erwaehtnen 2 weiteren ausschnitte und schuppps war es das…
    schade!

  3. jaichweißdiejungeweltundso Says:

    junge welt 25.03.2010 / Feuilleton / Seite 12Inhalt
    Puppen haben keine Pickel

    Wo Eva Herman das Sagen hat, kann es keine guten Pornos geben: Eine Veranstaltung der Reihe »Reclaim Feminism« in Berlin

    Von Elsa Köster

    Qualität durch Ent-Machoisierung: eines von elf »Dirty Diaries«

    Sex, spritz, fertig, tschüs. Pornodrehbücher sind eher schnell geschrieben. Obligatorisch ist das mit Sperma versehene Frauengesicht. Ende gut, alles gut. Die feministische Bewegung unter Alice Schwarzer fand auf soviel Vielfalt nur eine Antwort: »PorNo«. Daß in der Frauenbewegung immer auch über einen sogenannten »sex-positiven« Zugang zu dem Thema diskutiert wurde, drang lange nicht an die Öffentlichkeit.

    Doch jetzt gibt es »PorYes«. Das Label wurde voriges Jahr ins Leben gerufen, zur Verleihung des ersten feministischen Pornofilmpreises in Europa. Am Sonntag wurde die PorYes-Bewegung bei der Veranstaltungsreihe »Reclaim Feminism« in Berlin diskutiert. Ein Bündnis aus antifaschistischen und feministischen Gruppen will den Neokonservativen in Deutschland die Deutungshoheit über den Feminismus wieder entreißen. Denn wo Eva Herman das Sagen hat, kann es keine guten Pornos geben.

    Als die Organisatorin des feministischen Pornoawards, Laura Merrit, mit ihrem Einführungsreferat begann, platzte der kleine Sonntagsclub in Prenzlberg bereits aus allen Nähten. Das Publikum war gemischt, was die Organisatorinnen begrüßten. Feministische Pornos seien auch Männersache. Schließlich bedeuten Pornos bisher vor allem Penetration durch immer steife Hengste, endend in der Ejakulation des Mannes in das Gesicht der Frau. Eine Ausblendung der weiblichen und eine Zurichtung der männlichen Sexualität.

    In feministischen Pornos soll alles anders werden. Gute Arbeitsbedingungen sollen herrschen, gute Bezahlung und Arbeit nur nach dem Konsensprinzip. Der weiblichen Sexualität wird endlich Platz eingeräumt, die ewige Penetration weicht einer Vielfalt von Sexualitäten. Und das ohne die übliche Puppisierung. Pickel bekommen ihren Platz, unrasierte Achseln, Gelächter und Absprachen zwischen den Vögelnden. Für Merrit und die PorYes-Kolleginnen ist in einem feministischen Porno das Praktizieren von Bi-, Homo- und Heterosexualität genauso wichtig wie die Vielfalt der Akteure. Transgender, Männer und Frauen sollen im feministischen Porno gezeigt werden, auch Menschen verschiedenen Alters, verschiedener Körperformen, verschiedener Hautfarben.

    Die Protagonisten des ersten Filmbeispiels zeigten zunächst gar keine Haut. Ihr erotisches Spiel beginnen sie von Kopf bis Fuß verhüllt, in einer Art Ganzkörperstrumpfhose. Beim Sex werden die Körper langsam freigelegt. Mit einer Schere werden nach und nach jene Körperteile befreit, die sich am meisten nach Hautkontakt zu sehnen schienen. »Dirty Diaries« von Elen Magnusson besteht aus elf dieser kunstvollen Porno-Kurzfilme. Mit dem Prädikat »feministischer Porno« versehen, wurde der Film sogar vom schwedischen Staat gefördert.

    Später wurde der 70minütige Dokfilm »Pornoprotokolle« von 2008 gezeigt. »Wollen wir wirklich so schlecht gefickt werden?« fragt Regisseurin Isabella Willinger. Und porträtiert in einem wirren Durcheinander Menschen, die sich mit Pornographie auseinandersetzen – irgendwie. Man findet sich wieder zwischen einer Aktfotografin, die die Peinlichkeit von Sexualität überwinden möchte, und einer Sängerin, die sich auf der ICE-Toilette ein Stück Illustrierte in die Vagina steckt. Wenn es überhaupt einen roten Faden gibt, ist das ein Mainstream-Pornofilmer, der die Pornowelt gerne revolutionieren würde. Ent-Machoisieren. Aber die Industrie will nicht. Also steckt derweil ein Bilderbuchmechaniker mit Latzhose und Herkules-Kreuz seinen Schwanz in die Vagina eines süßen tschechischen Püppchens, das keine Pickel hat.

    Laura Merrit ist überzeugt, daß der Pornomarkt bald feministisch revolutioniert wird. Weil Sexismus kein Nebenwiderspruch ist. Und feministische Pornos nicht auf die Weltrevolution warten können. Für die Porno-Diskursverschiebung setzt Merrit auf die Mechanismen des freien Marktes: Qualität setzt sich durch. Dafür soll der »FairPorn«-Stempel etabliert werden. Damit der Konsument weiß, was drin ist. Wie beim Bio-Ei: Political Correctness für die, die es sich leisten können. Bis zur Weltrevolution.

    »Reclaim Feminism«, noch bis 19.Mai an verschiedenen Orten in Berlin

    https://www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2010/03-25/028.php

  4. Maedchenmannschaft » Blog Archive » Kultur, Politik und Termine – wieder alles dabei! Says:

    […] Die Veranstaltung „Queerfeministische Pornos” hat classless Kulla besucht und rezensiert. […]

  5. dry_grounded Says:

    Ich muss sagen, dass ich vorallem die Location nicht sonderlich gut gewählt fand, hier haben sich Form und Inhalt nicht gerade die hand gereicht. Es war einfach unangenehm, sich die Filme in so überfülltem Raum anzusehen. Andererseits fand ich die Filme selbst aber gut gewählt – schade nur, dass nicht genug Zeit für die mittleren beiden blieb und etwas quälend mein Eindruck, der sich mit den anderen anscheinend überschneidet, dass das Publikum teils reagiert hat, als gäbe es eine Freakshow zu sehen (unter anderem sind hier auch die Lacher an diversen Stellen gemeint.)
    Gewundert habe ich mich auch, dass beim Maria Beatty Film, trotz Beteuerung es gehe nicht um /männliche 😉 / Ejakulation, mal eben die “Story” bis zur Ejakulation vorgespult wurde.

    Die “Pornoprotokolle” könnte man wohl als etwas zusammengestückelt beschreiben, trotzdem fand ich aber, waren die Referenten nicht schlecht gewählt. Zusammenfassend war die Message irgendwie zwar redundant, aber vielleicht muss man es ja noch viel öfter wiederholen, damit auch noch die letzten begreifen, dass feministischer Porno nicht gleich kein Porno ist.

    Diskussion gab es ja nicht wirklich – was ich bedauerlich fand in anbetracht eines so kontroversen Themas.
    Ich halte Fragen/Aussagen wie “Ich war da also bei Beate Uhse und hab’ nach anspruchsvollen Filmen gefragt, da haben die mir so n Kleopatrafilm gegeben, was soll man da machen?” nicht für sonderlich diskussionsanregend. So hat mich zwar die Art des Diskurses etwas gestört, aber der Abend hat mir persönlich durchaus Anstöße gegeben, was die Erweiterung des eigenen Pornorepertoires anbelangt, und das ist ja auch was.

  6. lasterfahrer Says:

    sex ist ja auch ein bierernstes thema. da darf nicht gelacht werden. na einigen geht das dann eben an die scham grenze oder sie sind überfordert. denke aber schon das das geht, also lachen und über etwas ernst reden, weiss aber auch aus erfahrung das einige menschen das nicht mögen und sich veralbert vorkommen. und das thema ist schon ein wichtiges, nicht das ich jetzt falsch verstanden werde.

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