Zwischenbilanz nach einem Jahr Revolution

November 5th, 2019

Im November 1919 lag der Ausbruch der Revolution ein Jahr zurück. Mit den während des Kriegs erprobten Mitteln des Massenstreiks und der Räte-Selbstorganisation hatten Millionen im ganzen Reich den Ersten Weltkrieg und die Monarchie beendet, Achtstundentag und Frauenwahlrecht durchgesetzt, an Stelle des Deutschen Kaiserreichs die Deutsche Sozialistische Republik begründet.

Während die ersten Versuche der SPD-Führung und des Militärs, die Revolution zurückzurollen, daran gescheitert waren, dass die dafür vorgesehenen Truppen nach Hause gingen oder sich der Revolution anschlossen, war ab Weihnachten 1918 mit kleineren, aber schwer bewaffneten und politisch klar reaktionären Einheiten brutal mit Kriegsmitteln gegen alle vorgegangen worden, die auf der Durchsetzung des SPD-Parteiprogramms (Demokratie und Sozialisierung) bestanden.

Trotz einer bis April andauernden reichsweiten Massenstreik-Bewegung für die Sozialisierung und entschlossener Versuche, diese von unten in den Betrieben und Bergwerken durchzusetzen, und trotz der sich radikalisierenden Organisationsformen der Revolution war die militärische Gewalt der Regierungsseite entscheidend: Tausende wurden getötet, inhaftiert, misshandelt, der militärische Ausnahmezustand wurde verfassungsmäßig festgeschrieben und bis auf weiteres fast überall dauerhaft verhängt.

Begleitet wurde das von der Regierungspropaganda, der Sozialismus sei schon da, und von der vor allem Militärpropaganda, die völkisch-antisemitisch gegen die “Roten” hetzte und zu diesem Zweck Agitatoren wie Hitler ausbildete.

Während sich die Konterrevolution im Verlaufe des Jahres 1919 nicht nur in Deutschland zum Faschismus formierte, versuchte auch die Revolution sich neu aufzustellen: die KPD schließt im Oktober 1919 auf ihrem Heidelberger Parteitag jene aus, die gegen eine Beteiligung an Parlament und Gewerkschaft sind und die wie die international organisierten “Wobblies” (IWW) auf noch konsequentere Selbstorganisation der Arbeitskräfte orientieren. Damit wird im folgenden Jahr das Zusammengehen der KPD mit der linken USPD (und im März mit den Gewerkschaften bei der Abwehr des Kapp-Lüttwitz-Putsches) möglich, der Ausschluss führt aber auch zur Bildung der KAPD und ihrem engen Zusammenwirken mit den regional starken syndikalistischen Organisationen.

Die Revolution wird noch mehrmals ihr Haupt heben, wird dabei zwischen radikaler Basisorientierung und dem Vorbild der im Bürgerkrieg erfolgreicheren Bolschewiki mehrfach ihre Gestalt ändern und insgesamt verzweifelter werden. Die Konterrevolution wird sich ideologisch aufrüsten, und zehn Jahre nach der endgültigen Niederschlagung der Revolution im Herbst 1923 wird sie in offen faschistischer Form die Macht im Land übernehmen.

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