Illuminati / Angels & Demons

May 17th, 2009

Bei den meisten Romanverfilmungen wird darum gebangt, ob der spezifische Zauber des Buchs erhalten bleibt oder gehofft, daß ihm gar neue Nuancen abgewonnen werden können. Das ist bei Dan Brown umgekehrt, wie die cinema bemerkt: “Ron Howard ist es lediglich gelungen, eine haarsträubende Story von ihren kuriosesten und blödsinnigsten Wendungen zu befreien.” Wie schon beim Vorgänger (bzw. Nachfolger) “Sakrileg / Da Vinci Code” kann der Film nichts an Browns mit durchsichtigen Geschichts- und Wissenschaftsfakes zugekleisterter Ahnungslosigkeit ändern.

Es geht im Film wie schon im Buch nicht um die Illuminaten. Statt wie sonst in so vielen Verschwörungsbüchern üblich deren gesicherte Geschichte nach vorn und hinten durch die Zeit zu verlängern, lassen Browns Buch und seine Verfilmung die historische Wirkungszeit des Illuminatenordens fast vollständig aus und widmen sich einer erfundenen Vorgeschichte, in der der Vatikan Jagd auf “Illuminatenwissenschaftler” macht, und einer Gegenwart, in der mit dem Schreckgespenst sehr später Rache ein katholischer Eiferer beinahe zu einer Art Kriegspapst wird.

Als wären die letzten Päpste nicht Wojtyla und Ratzinger gewesen, ist im Stile von Verschwörungsliteratur der späten Siebziger die Rede von einem progressiven Papst, der sich den Ungläubigen gegenüber zu nachsichtig und versöhnlerisch zeigt, also letztlich von Albino Luciani, dem 33-Tage-Papst, um dessen Tod 1978 sich bis heute verschiedene Gerüchte erhalten haben. Dieser Papst, zu dem es heute keine Entsprechung gibt, wird bei Dan Brown im Auftrag von fundamentalistischen Kirchenmännern vergiftet, die diesen Mord und weitere Gewalttaten den “Illuminati” anlasten wollen.

Glücklicherweise ist Professor Langdon (Tom Hanks) vor Ort und kann in letzter Minute verhindern, daß die katholischen Verschwörer Erfolg haben. Langdon verkörpert Browns Bild eines Experten, der – wie auch in “Sakrileg” – jedes Zeichen zu deuten weiß und generell als wandelnde intellektuelle Überlegenheit agiert, obwohl er doch nur mit Dan-Brown-Geschwindigkeit denkt.

Für diese Figur hat sich Brown ein paar Geschichten ausgedacht, die er dem Vatikan vorwerfen kann, nur um dann großmütig und weise seinen Furor wieder beiseite zu legen. Weder wurde Kopernikus umgebracht, noch gab es “La Purga”, die Brandmarkung von “Illuminatenwissenschaftlern” durch die Kirche 1668, die nun in der Gegenwart die Brandmarkung von vier entführten Kardinälen mit Chancen auf den Papsttitel zur Folge haben soll. Langdon wirft dem Vatikan vor, die Wissenschaftler in Geheimorden getrieben zu haben, in denen sie dann unnötigerweise zu Feinden der Religion geworden seien. Das waren doch gute Jungs, die hätten doch nützliche Mitglieder der Gesellschaft werden können – Brown hat offensichtlich keinen Schimmer davon, wie sich die Geheimgesellschaften im 17. und 18. Jahrhundert bildeten, wie darin sowohl die bürgerlich-aufklärerischen als auch die klerikal-feudalen Kreise (und allerlei Mischgruppen) hinter dem Rücken der Monarchie gegen diese und gegeneinander arbeiteten, teilweise aber auch einfach an der übrigen Gesellschaft vorbei.

Das Thema des Filmes wie des Buches ist neben Dan Browns sabberndem Erstaunen vor den Unglaublichkeiten der Welt vor allem die Versöhnung von Religion und Wissenschaft, von Christen und Atheisten. Sofern Brown sich für diese Story bei Wilson (“Illuminatus!”) bedient hat, wie er es mutmaßlich auch bei “Sakrileg” tat (Vorbild dort: “Der Sohn der Witwe”), hat er nicht nur wie dort eine Metapher verbuchstäblicht, sondern aus einem Angriff auf den Staat ein versöhnlich ausklingendes Gerangel zwischen zwei eigentlich grundlos rivalisierenden Gruppen in der Gesellschaft gemacht.

Obwohl der mächtige Kardinal Strauss (Armin Müller-Stahl) signalisiert, man würde die riesige Menschenmenge auf dem Petersplatz im Zweifelsfall lieber opfern, als die Papstwahl zu unterbrechen, wird er zum Schluß zu einem dieser ekligen Gesichter der Versöhnung, der Langdon in väterlichem Ton sagt, daß Religion unvollkommen sei, da alle Menschen unvollkommen seien: “When you write of us, be gentle!”

Langdon wiederum kokettiert nur mit seinem Unglauben, da er ständig durchblicken läßt, daß er gern glauben würde: “Faith is a gift that I have yet to receive.” Er hat was dagegen, daß die Kirche Kunstwerke zerstört und daß sie die Forschung unterdrückt, ansonsten scheint er keine grundsätzlichen Einwände zu haben.

Selbst der eigentliche Hauptverschwörer McKenna (Ewan MacGregor) gibt den Gorbatschow: “Science and religion are not enemies.” Religion würde nur dazu auffordern, langsamer voranzuschreiten und dafür als rückständig gelten. Doch diese Kirche und ihre Führung seien “souls of compassion in a world that is spinning out of control”. Er plädiert für “simple truth and openness” und demonstriert ja später, wie Jenseits-Gläubige sich nützlich machen können: als Bombenentschärfer.

Die meisten übrigen Charaktere haben nicht viel zu melden, der kühle Killer tötet für alle, auch für die Juden, der Chef der Schweizergarde sagt, seine Kirche würde die Hungernden füttern – jeder hat halt so seinen Programmsatz and that’s it.

Die weibliche Hauptfigur wurde gegenüber dem Buch noch weiter zur schlauen Staffage reduziert: Vittoria Vetra (Ayelet Zurer) hat nicht ihren Vater, sondern nur einen Kollegen verloren, und so wirkt es im Film auch seltsam unmotiviert, warum sie Langdon begleitet, warum sie mit ins Vatikanarchiv gehen darf, warum sie dort eine Seite herausreißt. Sie wirkt als Langdons Ehefrau im Wartestand, seine intellektuell ebenbürtige Unterstützerin, die mit hilfreichen Übersprungshandlungen dem Genie den Rücken freihält.

Immerhin bleiben ihr die zwei einzigen schönen Sätze im Film vergönnt. Die obligatorische Annäherungsszene, in der in anderen Filmen das gemeinsame Bogenschießen oder Fernrohrschauen zum Einsatz kommt, leitet Vetra im Vatikanarchiv mit der Frage ein: “Do you need help with the Latin?”

Und die möglicherweise beste Zusammenfassung der Brownschen Symbollehre dürfte ihre Bemerkung sein: “This symbol could have another meaning!”

Kleine Artikelreihe über die Illuminaten: Intention und EntstehungAusbreitung und KriseVerbot und RadikalisierungArrivieren und NachwirkenSex, Lügen und Überwachung. Zeitzeugen packen aus

8 Responses to “Illuminati / Angels & Demons”

  1. Zinderella Says:

    Ich glaube man kann getrost sagen, dass dir der Film auch nicht sonderlich gefallen hat.

  2. Carola Says:

    Hallo,
    danke für deinen Kommentar. Ich habe nur den Film gesehen und vorher nicht das Buch gelesen. Ich fand den Film trotzdem toll und habe auch keine Geschichtsabhandlung erwartet. Werde aber in naher Zukunft mal das Buch lesen.

  3. THE IIIuminati HUnter Says:

    500 R1GHT !!!

  4. Rasul Says:

    classless = prizZzelezZz !!!!

    c007el kommentar; –> vielen DANK dafür !!:!!

  5. Filmvorstellung: Illuminati « Blynder Says:

    […] Illuminati / Angels & Demons […]

  6. Fx Says:

    Insgesamt muss ich sagen: Naja. Schoene Aufnahmen von Rom, einige Unrealitischkeiten rausgenommen, trotzdem noch total ueberdrehter Plot und (wenn ich mich recht erinnere) leicht geaenderte Schlussszene. Haette nicht sein muessen, aber immerhin weiss ich jetzt, wie sich Hollywood eine Antimaterieexplosion vorstellt — beeindruckend zumindest.

  7. Ingo Says:

    Nicht verschweigen sollte man die Besprechung von Jens Balzer, dem (fast) einzigen Grund, die Berliner noch zu lesen:

    http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2009/0512/feuilleton/0011/index.html

    Nur sind dessen Artikel immer besser als die Platten oder Filme, die er verhandelt 😉

  8. Cannabis Kommando Says:

    Es ist schon seltsam. Da läßt sich ein todkranker Mann zum Papst wählen, setzt seine beiden Vorgänger zum Doppelnamen zusammen, nennt sich als erster Papst der Geschichte “der Erste”, und stirbt kurz darauf als letzter einer langen Reihe italienischer Päpste. Der erste nicht mehr von der italienischen Oligarchie gestellte Papst seit der Reformation wählt daraufhin denselben Doppelnamen, muß sich aber “der Zweite” nennen. Könnte der sich was dabei gedacht haben?

    Nun macht Europa gerade mal 7% der Weltbevölkerung aus, jetzt wo dieser Quatsch den Markt überschwemmt müssen Interessierte die aus dem Rest der Welt hierher kommen erst einmal dabei geholfen bekommen den Illuminatenspam aus ihrem Kopf zu filtern bevor sie eine Chance haben etwas von Europa zu kapieren. Deswegen haben die Amerikaner beim Literaturnobelpreiskomittee voriges Jahr auch so eine heftige Abfuhr erhalten.

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