Leipzig -> Berlin

April 25th, 2010

Zehn Stunden!

Aufgebrochen gegen Mittag, trotz leichter Zeitnot – viel zu tun für später am Tag – gegen den Zug entschieden und stattdessen mit der Tram nach Schkeuditz rausgefahren. Dort bis zur Auffahrt gelaufen, auf die für einen Samstagnachmittag überdurchschnittlich viele Autos einbogen. Dann etwa alle zehn Minuten ein Auto angehalten: aber sie fuhren nach Leipzig, Bautzen, Magdeburg und sonstwohin. Die Dessauer, Potsdamer und Berliner fuhren an mir vorbei. Außer zweien, die auch sogleich Geld verlangten. Und tschüß.

Irgendwann waren zwei Stunden rum und es hielt jemand, der nur bis zur ersten Auffahrt nach dem Schkeuditzer Kreuz, Wiedemar, fuhr. Hier machte ich den entscheidenden Fehler und stieg ein. Der Gedanke war etwa: das ist ‘ne Scheißauffahrt, gerade am Samstag, aber hier ist ja auch doof.

In Wiedemar dauerte es eine Weile, bis überhaupt ein Auto kam, das vielleicht dritte oder vierte hielt aber auch schon an (naja, nach einer halben Stunde) und der Fahrer versprach, bis zum Rasthof Köckern zu fahren. An der B100 fuhr er aber raus und verlangte mitten auf dem riesigen Straßenkreuz, daß ich aussteigen soll, ließ auch nicht mit sich reden, wurde sogar etwas laut.

Ich suchte eine Weile nach dem Ausgang, also nach dem Weg von der Autobahn runter. Während ich das tat, wurde ich plötzlich von einer anderen Straße aus vollgeschrien: “Ab! Das ist Autobahngelände!” Ich rief zurück, daß ich ja auch versuchen würde, es zu verlassen, aber der Kerl schrie weiter: “Wenn du in fünf Minuten noch hier bist, dann hol ich meine Kollegen!”

Er verschwand, ich lief auf die B100 vor, stellte mich an die Ausfahrt zur Autobahn, wo man zwar nicht wirklich gut steht, aber rechtlich gesehen stehen darf. Kaum habe ich mir ein “B” auf einen Schreibblock gemalt und es hochgehalten, kommt der Schreihals wieder, steigt aus, streift sich eine orangene Weste mit einem “Sachsen Anhalt”-Logo über und meint, jetzt würde er die Kollegen holen. Ich sage ihm, daß ich doch gar nicht mehr auf der Autobahn wäre und da auch gar nicht stehen wollte, aber er meint, es könne nicht jeder rumlaufen, wie er wolle und es gäbe hier Probleme mit “Rumänenpanten”, die angeblich Leuten als Anhalter auflauern würden.

Also rief er die Polizei (und nicht seine Nazi- oder Bürgerwehrkumpels, wie ich durchaus befürchtet hatte) und mir blieb nichts übrig, als zu warten – er blockierte ja mit seiner Karre und seinem Generve die einzige taugliche Stelle. Die Polizei nahm das Ganze wohl nicht wirklich ernst – er mußte nochmal anrufen, bis sie dann nach über einer halben Stunde auftauchten.

Sie fragten ihn, wo er mich gesehen hätte und dann fragten sie ihn, warum ich dann jetzt hier sei. Als sie mitbekamen, daß er extra noch mal wiedergekommen war, fragten sie ihn, ob ihm klar sei, daß ich ja auf dem Kreuz nur abgeworfen worden war. Er fing wieder an mit seiner Leier, es könne ja nicht jeder wie er wollte und die Rumänen und überhaupt, aber die beiden Cops interessierte das nicht mehr.

Zur Abwechslung mal nicht das Problem
Zur Abwechslung mal nicht das Problem

Sie gaben mir meinen Ausweis zurück und meinten, an dieser Stelle könnte ich stehenbleiben. Dann fuhren sie weg, der Typ aber nicht. Also beschloß ich, mich ein bißchen umzusehen, bis er endlich weg wäre, auch weil ich befürchtete, daß vielleicht doch noch wirkliche Kumpels von ihm auftauchen könnten.

Als ich eine halbe Stunde später wieder da war, war er weg, ich schaffte es, eine Dessauerin anzuhalten, die mich bis nach Köckern fuhr und mich so davor bewahrte, den Einbruch der Dunkelheit an dem unbeleuchteten Kreuz zu erleben.

In Köckern hielt ein Mann aus Berlin, stieg aus, kam ums Auto herum, musterte mich und fragte, wo ich in Berlin hinwolle, Ost- oder Westberlin. Als ich meinte, Osten, stieg er wieder ein und fuhr weg.

Dann hielt ein Rostocker Bauunternehmer, der Umspannwerke baut bzw. bauen läßt, der freundlicherweise durch Berlin fuhr und mich am Westkreuz rausließ.

8 Responses to “Leipzig -> Berlin”

  1. Justus Says:

    Oje du Armer… 🙂
    Stoppen ist doch scheisse…

  2. classless Says:

    Es ist glücklicherweise eher selten so, sonst würde ich das auch nicht machen.

  3. Nicolai Says:

    Was für ein Bild.
    Da hast du ja mal wieder Deutschland von seiner schönsten Seite gesehen.

  4. Aktionskletterer Says:

    Versicherungstarife welche keine vollständige Auslastung des Fahrzeugs erlauben gehören verboten.

  5. mach-es-anders Says:

    Ich weiß ja nicht wie das im Osten ist falls es überhaupt unterschiede gibt. aber in Nordeutschland ist es immer viel einfach an Raststätten Leute zu fragen.
    Beispielsweise die Strecke Berlin-Hannover-Bremen
    musste bisher nie länger als 40 Minuten rumstehen bis ich jemanden gefunden habe.
    nett gemeinter tipp…

  6. classless Says:

    Ist sicher nett gemeint, hat aber mit der geschilderten Situation nichts zu tun. Köckern war der erste Rasthof auf der Strecke…

  7. xatzex Says:

    “In Köckern hielt ein Mann aus Berlin, stieg aus, kam ums Auto herum, musterte mich und fragte, wo ich in Berlin hinwolle, Ost- oder Westberlin. Als ich meinte, Osten, stieg er wieder ein und fuhr weg.”

    hier musste ich ja seeeehr laut lachen. genau wegen solcher stories ist stoppen eben nicht scheiße. also, im nachhinein betrachtet.

  8. classless Says:

    🙂

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