Angels Selbstmordkommando

February 21st, 2008

Während ich das Gemaule über die letzten beiden Staffeln von “Angel” nicht nachvollziehen kann, da sie mir trotz einiger blöder Wendungen insgesamt sehr schwungvoll und verspielt erschienen, muß ich über das Ende, also über die Haupt-Handlung der letzten beiden Folgen, noch mal ein paar Worte verlieren.

War es bislang in der gesamten Serie um ein Ensemble von Einzelkämpfern gegangen, die einen streckenweise aussichtslos erscheinenden Kleinkrieg führen, so unternahmen sie doch im engeren Sinn keine Selbstmordkommandos und schafften es bisweilen, veritable Apokalypsen zu stoppen.

In der vorletzten Folge wird nun ein mächtiger Geheimbund eingeführt, der Circle of the Black Thorn, der als letzte irdische Instanz die “Unmenschlichkeit des Menschen gegen den Menschen” aufrechterhält und die – nun vermutlich endgültige – Apokalypse herbeiführt. Diese Verschwörung funktioniert komplett wie in Verschwörungserzählungen der anti-geheimbündlerischen Tradition (in Wolfgang Wippermanns seltsamer Terminologie wäre das in etwa die Tradition “satanistischer Verschwörungsideologien”), sie ist nicht offen antisemitisch konnotiert, kurz gesagt, geht es um Macht, nicht um Geld.

Circle of the Black Thorn

Angels Plan sieht so aus: Er glaubt nicht, die Apokalypse verhindern zu können, doch er will die aus seiner Sicht Schuldigen töten, selbst wenn das seinen sicheren Tod und den Tod sämtlicher seiner Kampfgefährten bedeutet. Die konstituierende Handlungen, mit denen er sich an die Umsetzung seines Planes macht, folgen denn auch der typischen Logik der Gegenverschwörung: um “sie” aufzuhalten, ist jedes Mittel recht; so zu werden wie “sie”, ist letztlich unvermeidlich. Um in den Orden aufgenommen zu werden, tötet Angel und beauftragt einen Mord, er täuscht seine eigenen Leute – alles als Vorauszahlung auf die letzte Rechnung.

Die konzertierte Aktion, mit der das Season Final endet, besteht aus einzelnen gezielten Tötungsaktionen, die bereits als Selbstmordmissionen angelegt sind. Die überlebenden Kampfgefährten stellen sich in der letzten Szene einer offensichtlich nicht bezwingbaren Übermacht entgegen. Fade Out, Ende.

Hier ist schon beinahe eine erzählerische Mechanik zu beobachten. Nur wenige Episoden vorher hatte der gute Bad Guy Lindsey noch Stimmung gemacht mit Ansagen wie dieser:

>>It’s here. It’s been here all along, underneath. You’re just too damn stupid to see it. The Apocalypse, man, you’re soaking in it. (…) D’you think a gong was gonna sound? Time to jump on your horses and fight the big fight?<< Im Zusammenspiel mit der Verstrickung Angels und seiner Leute ins Geschäft eines Großunternehmens hätte sich das durchaus in diese Richtung auflösen lassen, das Geschäft selbst hätte wie in Teilen der 5. Staffel zum Kern des Problems erklärt werden können. Angel selbst antwortet Lindsey:

>>You say, everything we do is a distraction to keep us busy from looking under the surface…<< Doch "unter der Oberfläche" sucht Angel nun nicht nach der inneren Logik des Geschäfts und dem Wert, sondern nach Verantwortlichen, die die Ablenkung organisiert haben wie sie die Menschen insgesamt manipulieren und dem Untergang entgegentreiben. Lindseys schöner Satz >>Heroes don’t accept the world the way it is – they fight it.<< wird von Angel nicht als Aufforderung zum Kampf gegen die schlecht eingerichtete Welt, sondern als Aufruf zur Liquidierung der Manipulatoren verstanden. Für dieses Vorhaben kann Angel selbstverständlich nur eine kleine Gegenverschwörung aufbieten - die Einengung des Problems und die Fokussierung auf einen kleinen Kreis von Schuldigen sorgen quasi notwendig für Konzeption eines Selbstmordkommandos. Nichtmals der Versuch der Vermittlung wird unternommen; die Gegenverschwörung setzt somit voraus, daß die manipulierten Massen ihnen bei ihrem Vorhaben nicht helfen können. Wie im Weltbild der RAF wird stellvertretend für Menschen gehandelt, die einen nur “objektiv” legitmieren, nicht aber praktisch beauftragen und von denen mehr oder weniger offen klar ist, daß sie für den Kampf nicht zur Verfügung stehen, sich schlußendlich sogar zahlreich an der Verfolgung und Zerschlagung der Gegenverschwörung beteiligen.

Die letzte Folge trägt den Titel “Not Fade Away”. Nicht langsam verblassen sollen die Helden, sondern als Märtyrer für die Sache untergehen. Keine weitere Alternative scheint denkbar. Die Zuschauer scheinen sich mit dem Ende aber nicht unbedingt abfinden zu wollen; Autor Joss Whedon berichtet:

>>People kept calling it a cliffhanger. I was like, ‘Are you mad, sir? Don’t you see that that is the final statement?’<<

Klassenkampf bei Buffy The Vampire Slayer

29 Responses to “Angels Selbstmordkommando”

  1. Jakob Says:

    Ein Stück weit zieht sich die Logik der Liquidierung bei Angel aber auch durch, und ich denke, das dient natürlich dem Zweck, die Hauptfiguren in ein immer fragwürdigeres Licht zu rücken. Natürlich müssen auch bei Buffy die Oberschurken umgebracht werden, aber bei Angel scheint mir das typischerweise stärker den Charakter des Mordanschlags zu haben. Bei Jasmine hat es zumindest auch den Eindruck gemacht, und auch der Umgang mit Illyria ist durchaus maßgeblich von der Frage geprägt, wie man sich ihrer im Zweifelsfall entledigen kann. Das Prinzip der Gnade schimmerte eigentlich zum letzten Mal ernsthaft in Staffel 3 bei Holtz durch, und da sieht man ja, was passiert ist …
    Inhaltllich ist das keine schöne Aussage, zumindest, wenn man sich ganz und gar auf der Seite von Angel und Gefährten wissen möchte. Andererseits verrät es auch einiges über das “Gesetz des Erzählens”, das ziemlich eng verwandt ist mit der fragwürdigen Strategie “symbolischer” Politik, in der bestimmte (vermeintliche) Macher stellvertretend für die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst angegriffen werden. Angel ist eben einer maßgeblich “bösen”, falschen Welt ausgesetzt, und da sein Selbstverständnis ihm gebietet, (effektiv) dagegen zu kämpfen, muss er sich früher oder später fragen, ob es nicht Dämonen gibt, die zu liquidieren es sich mehr lohnt als die Schleimschnecke von um die Ecke. Selbst wenn damit nicht alles gut wird …
    Wir haben es also durchaus mit einer Grundproblematik eines elitären und militanten Selbstverständnisses zu tun: selbst in dem Bewusstsein, dass die Liquidierung eizelner nicht das System ändert (was in “Not Fade Away” ja auch klar gesagt wird) – gibt es trotzdem Einzelne, die (mehr als andere) liquidiert werden sollten? Oder ist das reiner, eliminatorischer Gerechtigkeitswahn?
    Eins unterscheidet Angel und seine Freunde jedenfalls von der RAF: sie können sich (leider?) nicht als Speerspitze einer weltweiten Bewegung für das “Gute” sehen. Sie sind einfach nur ethisch handelnde Individuen, wobei die Frage, was “ethisch” ist, gegen Ende der fünften Staffel längst so verwaschen ist, dass es eigentlich nur noch darum geht, nun ja, eben “unheimlich konsequent” zu sein …

  2. Angels Selbstmordkommando | buffylinke Says:

    […] Meine Betrachtungen zum Ende der letzten “Angel”-Staffel. […]

  3. godforgivesbigots Says:

    @Jakob – Transportiert die Erzählung von Buffy und Angel denn eine Gleichnisebene, die auf diese Welt geeicht ist, oder verschanzt sie sich in narrativem Solipsismus?

  4. neuronal Says:

    Das ist ne sehr gute Frage. Im Buffyverse ist meistens klar, dass sich die Fantasyelemente als Metaphern auf die heutige Lebenswelt von Teenagern (Buffy) bzw. jungen Erwachsenen (Angel) beziehen lassen.
    Ich frage mich nur, jetzt auf das ursprüngliche Posting bezogen, ob Whedon da wirklich eine Handlungsempfehlung fürs reale Leben abgeben will oder ob er am Ende von Angel nicht eher sagt: Okay, wir wissen ja alle, dass der Wurm im System steckt, aber ich konstruiere meine Story jetzt mal so an den Punkt der Ausweglosigkeit heran, dass der “richtige” Weg zumindest im Buffyverse eindeutig wäre (angesichts der kommenden Apokalypse). Das würde ich dann nicht als Verschwörungspropaganda sehen, weil es eben doppelt reflektiert ist. (Oder anders gesagt: Weil Whedon auf ein Publikum zählen kann, dass Erzählung von Realität zu unterscheiden weiß.)

  5. Dangerous Nerds Says:

    thumbs up 4 ur n3rdy 4n93l debate. 1f 0nly 1 h4d 3n0u9h t1m3 2 w4tch 3v3n m0r3 tv. wh4t 4 p1tty…

  6. Jakob Says:

    Ich denke, wie so oft lässt sich da kein abschließendes Urteil über den Verschwörungstheoretischen Gehalt schließen – nicht, dass immer nur alles im Auge des Betrachters läge, aber eben doch so einiges …
    Letztlich beugt sich die Abschlussfolge doch vor allem der Konvention, eine (Abenteuer-)Geschichte zu erzählen, deren zentraler Konflikt eben (und zwar möglichst personal) lösbar sein sollte, damit die ganze Sache nicht völlig unspannend und dröge wird. wenn man dabei den expliziten, militanten Kampf gegen das personalisierte als Metapher dafür sieht, entgegen aller Widrigkeiten “das Richtige zu tun” (und dafür zumindest bietet die serie sich ja an), dann steht am Ende der Serie jedenfalls weniger die Behauptung, man könne dem falschen Gang der Welt durch Kommando-Mordaktionen ein wenig sand ins Getriebe streuen, und mehr der Aufruf, angesichts eines völlig überindividuellen und nicht direkt angreifbaren Übels trotzdem nicht einfach mitzumachen, sondern das aufsässige Handeln wenigsten zu versuchen. Und das ist nicht so ganz falsch.

    Für die Tendenz zur “doppelten Reflektion” des Verschwörungstheoretischen Gehalts spricht jedenfalls das doch eher lächerliche, kleinbürgerliche Erscheinungsbild des “Circle of the Black Thorn”.

  7. godforgivesbigots Says:

    @neuronal – Und was ist der Unterschied zwischen Realität und Erzählung, oder genauer gefragt zwischen der Erzählung in der man lebt und der die man konsumiert? Namensräume scheinen es schonmal nicht zu sein, und Assoziationen die sich vornehmen lassen ermöglichen nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf die Intention eines Erzählers.

  8. neuronal Says:

    Sorry, ich hätte neutraler schreiben sollen: “…auf ein Publikum zählen kann, das Erzählung von Realität unterscheidet.” Das wäre für mich entscheidend: ob dieser Unterschied gemacht wird, ob dann wieder Whedon weiß oder hofft, dass der Unterscheid gemacht wird usw. usf.. Das sind natürlich Vereinfachungen, aber sonst kommen leicht die Ebenen durcheinander und man landet im Ontologischen. Ich will nicht ins Ontologische.

    Die Rückschlüsse auf Intentionen lassen sich durchaus durch öffentliche Äußerungen von Whedon untermauern, es gibt auch z.B. Audiokommentare auf den DVDs. Aber das sind ja eh keine höchstinstanzlichen Urteile, die wir hier abgeben.

  9. classless Says:

    Ich will nicht ins Ontologische.

    🙂

  10. godforgivesbigots Says:

    Oje. Dann bloß nicht auf den Ontologieknopf drücken.

  11. neuronal Says:

    Ach so einfach geht das! Auf den Knopf gedrückt und die Popkultur ist weg. Ist ja praktisch, allerdings kenne ich kaum Leute, die noch einen Fernseher besitzen.

  12. börk Says:

    sinnvollerweise sollte man sehen, ob sich die erwartungshaltung an das publikum nicht aus dem material selbst erlesen läßt. die intentionskrücke (intentional fallacy, anyone?) ist immer etwas albern. aber da ich die angelstaffeln noch nicht gesehen habe kann ich leider noch nichts genaueres sagen.

  13. neuronal Says:

    Bin ich prinzipiell einverstanden. Aber so eine Serie mit kurzem Produktionsvorlauf hat schon einen stärkeren Kommunikationsaspekt als ein Buch oder Film, mit den ziemlich gewaltigen Netzcommunities, die sich darum bilden und dann noch mit einem Popstar-Autor wie Whedon (vgl. whedonesque.com). Wenn man das mit Hintergrundwissen schaut (und so viele andere es tun), kann man’s doch auch in eine Analyse einfließen lassen.

  14. oona Says:

    Das Gemaule meinerseits bezieht sich einerseits auf einige Züge der letzten beiden Staffeln ganz allgemein und andererseits auf die Art und Weise, wie in Angel mit den Frauenfiguren umgesprungen wird – wobei das in der Gründlichkeit erst in der letzten Staffel deutlich wird. Ich schreib erstmal über letzteres, weil das hier bisher noch gar nicht verhandelt wurde. Die Statistik: Am Ende, zum finalen Kampf, ist nicht nur keine Frau mehr übrig, die ‘Helden’ sind also nur die Kerle und Illyria, die aus verschiedenen Gründen nicht gilt (mehr dazu unten), sondern keine der Frauen, die im Laufe der gesamten Serie teilweise gar nicht schlecht aufgebaut worden sind (Cordelia, Kate, Fred, Lilah und Gwen waren alle zumindest streckenweise wirklich cool), hat die Ehre, als Heldin zu sterben. Zur Erinnerung: die beiden wichtigsten Kerle, die sterben – Doyle und Wesley – opfern sich beide in einem halbwegs selbst gewählten Kampf, was ich hier als ‘Heldentod’ bezeichne. Die Frauen werden entweder stillschweigend irgendwann weg gelassen (Kate, Gwen) – auch das im Gegensatz zu männlichen Figuren wie Holtz und Lindsey) – oder sie werden von etwas infiziert, das sie beide weder verhindern noch bekämpfen können, nichteinmal durch ihren Tod. Sie sterben ohne darin selbst irgendeine Wahl zu haben, ohne zu kämpfen, und vergeblich (Cordelia, Fred).

    Wenn es eine gründlichere Methode gibt, die Frauen zu dekonstruieren, fällt sie mir gerade nicht ein. Das versaut mir nicht einfach nur den Spaß, das ist genauso scheisse wie die entsprechenden Wendungen an irgendeiner x-beliebigen Ecke der gegenwärtigen Kulturproduktion. Wobei ich den ‘Heldentod’ jetzt hauptsächlich als catchy und exemplarischen Aufhänger für ein größeres Problem betrachte. Es geht mir nicht um die Genre-Konventionen, um Cordelias Titten oder sonstige zum Ausdruck gebrachte Vorstellungen von Weiblichkeit, die in im gegenwärtigen Stand der Pop- und sonstigen Kultur nunmal meist irgendwie daneben sind. Es geht mir um den Spielraum, den es im Buffyverse sowieso aber auch in Angel selbst innerhalb dieser Konventionen gibt, der ausgelotet worden ist, aber spätestens in den letzten beiden Staffeln so sinnlos verspielt wurde. Warum wird Kate nicht Teil von Angel Inc. nachdem sie bei der Polizei gefeuert worden ist, weil sie zu oft Jagd auf übernatürliche Bösewichte gemacht hat? Warum erfahren wir nichts mehr über sie? Über Gwen? Wie daneben ist es denn, aus Cordelia für fast eine ganze Staffel eine willenlose Puppe einer höheren Macht zu machen, gegen die sie an keiner Stelle selber kämpfen kann (ich wiederhole mich, ich weiß, aber es leuchtet mir auch wirklich nicht ein). Warum kann Fred, die alles lernt, was sie an der Uni über Physik wissen, und dann wie geplant noch ein paar Dinge rausfindet, die sie noch nicht wissen, nicht rausfinden, wie sie Illuria wieder aus ihrem System kriegt? Warum muss wieder die Frau von einer höheren Macht übernommen werden, gegen die sie nicht kämpfen kann? Warum besteht sie nicht auf ihrem Recht, zu kämpfen und im Kampf verletzt zu werden, als Angel Wesley dafür zusammenscheisst, sie zu einer riskanten Aktion mitgenommen zu haben? Warum hat sie keine Knarre, als es brenzlig wird? Warum kann letzten Endes nur eine uralte Gottheit als Frau kämpfen? Auch der Rückbezug auf Pylea, und Angel als ‘handsome man’ / ‘shiny knight’ der sie rettet, erscheint mir nicht wirklich als Reflexion auf diese beschissene Rollenverteilung. And I could go on and on and on and on and …

    Nina, die einzige Frau, die am Ende übrig ist, fasst schön zusammen, wozu sich das Frauenbild in Angel entwickelt hat: ihre Werwolfinfektion, eine potentielle Quelle von Superkräften und, selbst wenn nicht kontrollierbar, zumindest anständigem Geprügel, fungiert letzten Endes bloß als Erzähldevice, um Nina in Angels Orbit zu bringen und ein paar Nacktaufnahmen unterzukriegen. Die Beziehung der beiden ist eigentlich auch egal, bzw. besteht schlicht daraus, dass sie ihn anhimmelt und sich von ihm abschieben lässt, als es brenzlig wird. Dagegen ist Cordelia, die Angel zumindest manchmal die Meinung geigt und hin und wieder auch zuschlagen kann, ja sich für den Kampf gegen das ‘Böse’ oder wie auch immer man das ausdrücke will entscheidet, auch wenn es ihr Leben bedroht und sie sich dagegen entscheiden könnte, geradezu ein feministisches Postergirl.

    Eigentlich wollte ich jetzt nochwas zu der Veränderung dessen, was bei Angel im Laufe der Zeit ‘das Richtige tun’ ist schreiben, aber der Kommentar ist schon zu lang geworden.

    Insgesamt finde ich zwar einige Subplots in SO5 nett, habe auch einige der eher für sich stehenden Episoden sehr genossen (“The Cautionary Tale of Numero Cinco”, “Smile Time”), und es sind natürlich immernoch eine Menge gelungener Dialoge und Quotes zu finden, aber die Rahmenhandlung entäuscht. Manchmal reichen Schwung und Spielfreude eben nicht.

  15. classless Says:

    Was am völlig richtig beschriebenen Verheizen der Frauenfiguren am merkwürdigsten ist, ist der diesbezügliche Kontrast zu Buffy. Hat sich da bei Whedon ein Zwang zur Konvention eingestellt? Ist er zurückgekrochen, um sich selbst zu relativieren? Oder war es mit dem feministischen Anspruch von vornherein gar nicht so weit her, war das letztlich auch nur Masche?

  16. börk Says:

    Hm. Aber in Firefly sind sie (die Ansprüche) ja dann doch irgendwie wieder da, hm?

    Ich denke eher es liegt an der inneren Struktur der beiden Serien, die ja beide über ihre titelgebenden Protags strukturiert sind, und während es eben bei Buffy ein Mädchen/ eine junge Frau ist, die klassenmäßig zwischen verschiedenen Ebenen gefangen ist, die sich durchsetzen muß, als Frau und als Jägerin, ist Angel eben nicht nur im Grunde ein Aristokrat, sondern als Vampir eben auch die sinnbildliche sexuelle männliche Potenz. Wozu auch sein Auftreten und Aussehen (diese Schultern! *rrrrhw*) paßt. Beide Serien hinterfragen zwar diese Struktur, aber es scheint (bear in mind I haven’t seen the last 2 Angel seasons yet) als ob sie für das Serienfinale eben maßgeblich ist (wodurch sie überhaupt erst zur Struktur wird *g*).

    So erkläre ich mir den Unterschied. Und wenn Angel (die Serie) eben eine bestimmte Ausprägung von Patriarchie diskutiert und ausführt, dann kann das auch feministisch unterfüttert sein. Die Darstellung eines Problems ALS Problem (und kann man da nicht sagen, daß die übermächtige Serienschwester, die mit abstrahlt auf Angel (ps. wie funktionieren am Ende eigentlich die CrossoverAuftritte, wenn es welche gibt?) genau diese Funktion erfüllt?) ist ja durchaus relevant für die Problemlösung.

    Oder?

  17. Oona Says:

    Ich habe leider weder den Eindruck, dass das Problem ueberhaupt als solches dargestellt wird (zumindest nicht mehr in SO 5), noch konnte ich irgendeine Notwendigkeit fuer eine solche Aufloesung der Serienstruktur/Problematik erkennen. Wobei Angels Maennlichkeit/Heldentum durchaus teilweise dekonstruiert wird. Er ist am Ende eine viel gewoehnlichere und minder tragische Figur als am Anfang, und der Schwerpunkt ist auch weniger auf dem allgemeinen Gekloppe.

    Die Crossoverauftritte in SO 4 (Willow, Faith) sind beide Hoehepunkte der Staffel und Willow und Faith bleiben als starke Akteurinnen unbeschaedigt. In SO 5 gibt es nur einen kleinen Minicrossover (Andrew), der keinen vergleichbaren Impact hat (obwohl man aus der Konfrontation von Andrew, unterstuetzt von einem Dutzend Slayers, und Angel + Spike auch eine ‘Paradigmenkonfrontation’ basteln koennte. Das traegt bloss nicht so weit weil die Slayer an der Stelle kein Wort sagen und eher Staffage fuer Andrew sind).

  18. Jakob Says:

    @Oona
    Du hast leider im Großen und Ganzen vollkommen recht. Was allerdings die Frage angeht, warum Kate nicht Mitglied von Angel Investigations geworden ist: Sollte sie. Die Schauspielerin hat abgelehnt, weil sie ein Angebot bei CSI oder so was hatte. Da wurde dann Fred eingeführt.
    Wäre Faith nicht für das Buffy-Finale gebraucht worden, hätte sie sicher auch gut bei Angel landen können. Wobei: Dann hätte sie dem serienstar wahrscheinlich den Rang abgelaufen, und das geht natürlich nicht!

    Jedenfalls ist klar, dass Angel die “Männlichkeitsserie” ist: Es geht um männliches Heldentum, um männliche Aushandlungsprozesse über “Frauentausch” (Wesley und Gunn, Angel und Spike), um spezifisch männlich codierte Charakterentwicklung hin zur Gewalttätigkeit (bei Wesley). Ob man das nun dekonstruktiv und als Männlichkeitskritik auslegen will oder als rein maskulinistisches Abfeiern des Abenteurertums, sei dahingestellt. Auf jeden Fall gibt es aber immer wieder die notwendigen Brüche, um das ganze genießbar zu halten.

    Außerdem finde ich schon, dass Illyria zählt!

  19. godforgivesbigots Says:

    @neuronal – Womit wir wieder bei der Ausgangsfrage wären. Wenn Du aus der Kommerzkultur heraus ins Ontologische gehst, und die Pseudounterscheidung zwischen konsumierter Erzählung und gelebter Erzählung (“Erzählung und Realität”) hinter Dir läßt, räumt diese Geschichte nachvollziehbare Übergänge zu der Geschichte ein oder nicht?

    @börk – Ich schlage vor die Frage der Intention anhand dieser Stichprobe zu betrachten.

  20. neuronal Says:

    Naja, wenn Du so fragst, nein. Es geht halt um relativ abstrakte Metaphern, die sich eher aufs Alltagsleben des Publikums, aufs Verhältnis zu Autoritäten, Geschlechterverhältnis, korrumpierende Kompromisse beziehen lassen. Auf der Makroebene lassen sich eher keine konkreten Querverbindungen ziehen, jedenfalls nicht so, wie das z.b. im derzeit sehr populären Battlestar Galactica gemacht wird. Oder zumindest fällt mir da jetzt nichts ein.

    Whedons Firefly-Projekt hat noch am ehesten politische Anklänge, die man vielleicht als aktuellen Bezug (auf den Irakkrieg) lesen könnte. Da gibt’s z.B.

    (Spoiler-Alert für classless)

    eine fiese interplanetische Regierung, die eine lebensfeindliche Welt terraformen will und auf böse Weise scheitert, was aber eher auf Ignoranz, fehlgeleiteten Idealismus und Bürokratie zurückgeführt wird.

  21. neuronal Says:

    Autsch, “interplanetisch”.

  22. börk Says:

    Die Abstraktheit vion Metaphern wird überschätzt.

    lach*

  23. neuronal Says:

    “If Senator Clinton thinks that ‘reject’ is stronger than ‘denounce,’ then I’m happy to concede the point, and I both reject and denounce”

  24. godforgivesbigots Says:

    @neuronal – Was ist das “naturalistische Science Fiction”? Soetwas wie sozialistischer Realismus im Weltall?

  25. neuronal Says:

    Das bezieht sich wahrscheinlich auf formale Aspekte (Handkamera, scheinbar nicht stilisierte Sprache), eine gewisse innere Kohärenz und Komplexität der Charaktere, die Einhaltung physikalischer Gesetze und realistische Technik unter den Prämissen, dass es Raumfahrt und intelligente Roboter gibt. Letztlich geht’s darum, ein Schiff mit ein paar tausend Insassen als eine Art bedrohte Mini-Gesellschaft im Überlebenskampf zu präsentieren. Das wird dann oft parallel zu aktueller Politik angelegt, es gibt Präsidentenwahlen, Folterdebatten, so Zeug, aber eher aus Top-Down-Perspektive. Die handelnden Figuren sind hauptsächlich Entscheidungsträger und ein paar Soldaten.
    Ist aber nicht so reaktionär, wie es jetzt klingt. Das wird alles zigfach gewendet, gedreht und relativiert, es gibt Liberale und Hardliner-Fraktionen, die wechselseitig die Oberhand gewinnen. Schwer zu sagen, welche Perspektive das einnimmt, aber sozialistisch ist sie nicht. Dafür kommt auch der ökonomische Aspekt zu kurz. Man könnte vielleicht sagen, dass da aktuelle amerikanische Befindlichkeiten analytisch durchgearbeitet werden.

  26. godforgivesbigots Says:

    Die treffendste Definition von “sozialistischer Realismus” fand ich in einem Kirchenführer zu einer Betonkirche aus der Ölboomzeit: “Die Form des Materials soll die Hand des Arbeiters sichtbar werden lassen.” Der Kitsch entsteht dadurch, dass die Stillung des Bedürfnisses nach Authentizität nur im Ausnahmefall frei von Erwartungshaltungen sein kann. Wenn immer eine Metapher in Material umgesetzt werden soll, findet das in einem Raum von Assoziationen statt, derer sich das Sichtbarwerdenlassen bedienen muß. Diese rein ästhetische Definition ist allerdings sehr weit gefaßt, sie schließt beispielsweise auch das Worldtradecenter mit ein.

    Die Science Fiction als Handlungsanweisung der Herrschenden, das dürfte auch daran zu erkennen sein ob die umliegende Produktwerbung ebenfalls an die Zielgruppe der Beamtenkaste angepaßt ist. Einen tieferen Einblick in dieses Phänomen könnte vielleicht der Auftritt Rush Limbaughs vor der Heritage Foundation geben, wo es darum ging die Rolle des Fernsehens als Träger des Staatskults zu reflektieren. Es mag sein dass sich auch der atlantizistische Flügel des deutschen Beamtentums dieser Krücken bedient. Meinst Du dass Wolfgang Schäuble sich sowas ansieht?

  27. neuronal Says:

    Ich weiß nicht, wie offen Schäuble für SciFi ist und politisch ist es vielleicht mehr was für Struck oder Müntefering, aber interessieren könnte ihn das schon. Allerdings weiß ich nicht, ob man beim Battlestar an Handlungsanweisungen interessiert ist. Mir scheint’s da eher um Reflektion laufender politischer Debatten zu gehen, indem zum Beispiel die “Guten” sich plötzlich in der Rolle von Rebellen gegen eine Besatzung wiederfinden. (Wobei die “Besatzer” dann auch wieder gute Gründe für ihr Verhalten bekommen, die terroristische Reaktion der Guten wiederum problematisiert wird, etc.) Wenn diese Strategie des Übersetzens in andere Kontexte aufgeht, kann einen das wirklich auf dem falschen Fuß erwischen. Andererseits läuft die Serie manchmal Gefahr, in einem relativistischen Ethik-Matsch zu versinken. (Weil z.B. die Situation der letzten Überbleibsel der Menschheit in der Serie nicht wirklich mit dem Irak vergleichbar ist.)

    Bei “24” ist das was anderes, das ist von einem Konservativen praktisch als politischer Debattenbeitrag und Bekenntnis zum Patriotismus konzipiert, mit Zugeständnissen an political correctness, und läuft auf dem Murdoch-Kanal FOX. Das ist politisch definitiv auf Schäuble-Linie.

  28. börk Says:

    @gfb: http://de.wikipedia.org/wiki/Realismus_%28Literatur%29#Naturalismus_-_ein_gesteigerter_Realismus.3F

  29. godforgivesbigots Says:

    Man kann sich schon fragen was von der Menschheit übrigbleiben wird sollten die Amerikaner am Irak verzweifeln und/oder unilateral abrüsten. Als absehbar darf wohl gelten dass in einem solchen Fall der bereits durch Saddam weitgehend ausgehöhlte Nichtverbreitungsvertrag endlich zusammenbräche, das darauf beruhende Kernprinzip der Vereinten Nationen – Atommacht=Vetomacht – seine Gültigkeit verlöre, und es in der Folge zu einem Knäuel von Rüstungswettläufen und sehr wahrscheinlich auch einer Kette von Kriegen käme, woraus die Menschheit dezimiert aber womöglich auch geeint hervorginge. Die Chance eine Einigung ohne Atompilze zu erzielen wäre dadurch sicherlich verspielt.

    Handlungsanweisungen sind derartige Programme in demselben Sinn wie die Puppe beim Erste-Hilfe-Kurs – welches Modell das im Ernstfall als Orientierung dient sich in demselben zurechtzufinden. In diesem Aspekt sehe ich keinen fundamentalen Unterschied zwischen einem American Dream der es allen recht machen will und der puritanischen Wir-gegen-den-inneren-Feind-Variante. Sicherlich gibt es da Rivalitäten sowohl in der Glotze als auch innerhalb der Beamtenkaste, aber in der amerikanischen Kultur wird der Staatskult von kulturindustriell hergestellten Erzählungen getragen.

    Die deutsche Beamtenkaste funktioniert da etwas anders, Träger des Staatskults sind hier traditionell in erster Linie konventionell gewachsene Ideologien bzw. Weltanschauungen, diese stellen die Modelle bereit welche den Beamten als Orientierung dienen. Seit dem Zweiten Weltkrieg tickt allerdings auch eine Minderheit in der Beamten hierzulande nach der amerikanischen Programmierung, und in dieser Tatsache sehe ich eine plausiblere Erklärung des Phänomens Schäuble als in den individualpsychologischen Ansätzen.

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