2016 zu begehende musikalische & theoretische Aufwiegelung

December 30th, 2015

MUSIK UNTER DIE LEUTE

Die neue, schnell eskalierende, im Verlauf aber recht entspannte Platte mit dem Lasterfahrer ist schon so gut wie fertig. “Wir streiken” ist drauf. Erste musikalische Ausflüge nach Südamerika sind drauf: eine Art Cumbiaton übers Rumlungern auf dem Gehweg in Asunción und eine Coverversion dieses Candombes, aus dem der vorläufige Albumtitel “Lluvia de estrellas” (sprich: “schúvia de estréschas”) stammt. Das schon live vorgetragene “Rammstein lösen sich auf” ist drauf. Ein Björn-Peng-artiges Lied über Anti-Klassismus mit dem Titel “Critical Richness” ist drauf. Ein trotziger Dub über die “wandering working class” ist drauf. Ein Breakacid-Brett, basierend auf einer Brustmilchpumpe und dem Standgeräusch eines Triebwagens, ist drauf. Und ein Track mit Onkel Torsun zu unser beider einstiger Lieblingsgruppe ist auch drauf.

Was noch fehlt: eine endgültige Entscheidung bezüglich unseres endlich mal etwas kürzeren und griffigeren Namens (Classta Kullasta? Clasta Kulasta? Oder nur Kullasta? Oder ganz anders?) und die Kohle fürs Vinyl.

Wir wollen wieder mehr Konzerte spielen (eins ist für den April in Siegen schon anberaumt), besonders gern immer mit dem lieben Björn Peng und seinem Fluffy Bad Trip Rotterdam Hardstyle; und auch auflegenderweise möchte ich wieder “möglichst viel verschiedene Musik” vorspielen.

Schließlich sind noch einige Features auf dem Weg: schon aufgenommen ist mein Rap-Part für einen Song von Frank Spilker; Alles.Scheiße wollen mich auf ihrem Album dabeihaben; das erste Stück der Kullaboration mit Ray Block (Projektname Graph Blockulla) ist halbfertig; und vielleicht wird endlich der schon lange beinahe fertige Track mit der Frittenbude mal vollendet…

IDEOLOGIE ERNSTNEHMEN

Angesichts von Facebook-Landschaften und Straßenbild wenden sich viele vermehrt und richtigerweise gegen Rassismus und Nationalismus. Zu oft bleibt es aber beim Verurteilen, Kopfschütteln, Auskotzen; zu oft wird Ideologie als Randerscheinung behandelt, als Manipulation oder Dummheit, als Nebensache im Klassenkampf, als zu Therapierendes oder hoffnungslos Verlorenes. Es muß besser gelingen, sie ernstzunehmen, ohne ihr auf den Leim zu gehen.

Ich will mit meinen Vorträgen und Texten (Buch-Neuauflage “Entschwörungstheorie” hoffentlich endlich dieses Jahr!) zu erklären helfen, warum Ideologie funktioniert, was sie Leuten bringt und wie ihr praktisch der Boden entzogen werden kann. Dabei ist wichtig, nicht an den Erscheinungsformen und ihrer (vermeintlichen) Absurdität kleben zu bleiben, sondern sich auf die Inhalte zu konzentrieren, auf die Gemeinsamkeiten der verschiedenen Formen von Ideologie und ihrer Gründe und Vorteile, und dabei vor allem im Blick zu behalten, wann und wie sich Auffassungen verändern. Allzuoft wird der Versuch nicht (mehr) unternommen, solche Veränderung herbeizuführen oder zu begünstigen, Menschen für Auseinandersetzungen erst zu gewinnen – stattdessen werden sie dann im Falschen festgenagelt und abgeschrieben, so als ob immer alle so verbohrt und unverbesserlich wären wie es meist nichtmals die Lautesten und die Lieblingsfeinde sind.

Weiter möchte ich darüber reden, wie sich Ideologie in der Populärkultur abbildet und bricht (z.B. “Klassenkampf bei Buffy The Vampire Slayer”) und was sie alles aus dem Blick geraten läßt (wie z.B. in “Homer Simpsons Mutter”).

Für die praktische Kritik in Gestalt von Widerstand und Aneignung gilt es wiederum, den Fokus weg von Vorwürfen und Anklagen gegenüber bestimmten Gruppen, Fronten, Parteien (bzw. immer den jeweils anderen) zu bewegen – also weg von bürgerlicher Identifikationspolitik, hin zu mehr Politik des Entkommens und der freien Assoziation. (Hierzu kann viel aus der Debatte um “Der kommende Aufstand” bezogen werden, aber auch aus der Auseinandersetzung mit möglichen Vorbildern, wie einem Teil der Bewegung der instandbesetzten Betriebe in immer mehr Ländern.)

RAUSCH & LUST ALS FÄHIGKEITEN VERSTEHEN

Fürs Entkommen und die Assoziation dürfte auf die Dauer unerläßlich sein, sich über die nach wie vor am wenigsten verstandenen der entsprechenden Fähigkeiten und ihre unzähligen Implikationen ins Klare zu setzen: Rausch als Fähigkeit des Sich-Entziehens und Lust als Fähigkeit, Verbindungen herzustellen. Beide müssen von jeglicher Herrschaft kontrolliert werden – und gehören zu den wichtigsten Fähigkeiten, um Herrschaft zu umgehen, herauszufordern und zu stürzen.

Die Ansätze, die ich dazu formuliert habe (“Leben im Rausch”, “Lust, Rausch & Zweifel”), müssen dorthin, wo sie theoretisch überprüft und weiter ausgearbeitet werden können; vor allem aber dorthin, wo sie in praktischen Auseinandersetzungen weiterentwickelt und erprobt werden können.

Außer meinen Vorträgen will ich mit einigen exemplarischen Besprechungen (z.B. zu “Delusions of Gender”, “Massenstreik und Schießbefehl”, “Into The Woods” u.a.) diese Ansätze besser zugänglich machen.

AUSDEHNUNG & ERWEITERUNG

Auch müssen all diese Themen von der deutschen Sprachinsel runter – ausgehend von einem kurzen Programmtext, der sich vertont auch auf der Platte mit dem Lasterfahrer finden wird (“This is classless”), möchte ich Texte ins Englische und Spanische übertragen.

Über jegliche Beihilfe, Ideen, Verbindungen, Weiterleitungen, Publikationsmöglichkeiten würde ich mich sehr freuen!

Und über albernen Quatsch. Und über hugs & kisses. Und darüber, euch zu treffen, wo was Gutes in Bewegung kommt, wo was Schlechtes gestoppt wird – und da, wo’s notwendigerweise rummst.


“Gutmenschen bei der Arbeit” titelten die Nazis – das nehm ich gerne an!
Ich weiß noch genau, wann das Foto gemacht wurde: als sie gerade ordentlich verloren hatten.
Halberstadt – dreimal blockiert! Immer gerne wieder!

(Auftrittsplanung: Erste Auftritte 2016.)
(Jahresrückblick: Empfehlungen des Hauses 2015.)

8 Responses to “2016 zu begehende musikalische & theoretische Aufwiegelung”

  1. Leserin Says:

    Schöne Pläne!

    Einfach nur Classta wäre auch gut…

    Bin besonders gespannt, was du aus “Into The Woods” machst…

    (Und was es mit diesem seltsamen Rammstein-Track auf sich hat…)

  2. Grüße aus Halle Says:

    Ein Mann gegen das System!

    Kulla kämpft bis zur letzten Powerpoint-Folie für den Kuschelkindergarten!

  3. Inside Job Says:

    “dorthin, wo sie theoretisch überprüft und weiter ausgearbeitet werden können”

    Wo wäre das denn so?

  4. classless Says:

    @ Leserin

    Ja, Classta wäre auch gut, stimmt – noch mehr Auswahl!

    @ Grüße aus Halle

    Aber ich bin doch nicht allein! Und ich tu immerhin nicht so, als wäre ich der unerbittliche Kritiker des netten Kuschelladens, in dem ich trotzdem ständig rumlaufe..

    (Außerdem: 2014 dachte ich noch, sich über die Verwendung von Slides bei Vorträgen zu mokieren, wäre mittlerweile einfach verstiegen und provinziell, aber nun muß ich einsehen: Es gibt leider Leute, die meinen das so ernst, daß sie immer wieder damit ankommen…)

    @ Inside Job

    Gute Frage – ganz allgemein und kurz: Menschen in entsprechenden Forschungsbereichen (das meiste ist wohl Neuro-, Bio- und Psychologie, anderes fällt eher in die empirische Sozialwissenschaft und Anthropologie) mit Zugang und Bereitschaft zu entsprechenden Untersuchungen.

    Ich sollte das vielleicht mal genauer aufdröseln…

  5. Paula Says:

    Na dann:

    Hugs & kisses! 🙂

  6. classless Says:

    *freu*

  7. Inside Job Says:

    Ja, mach das mal – Interesse erzeugt Schnittstellen, aber Häppchen erzeugen Interesse, you know…

  8. classless Kulla » Blog Archive » classless Jahresrückblick 2016: Tweets & Thesen, Musikvideos, Mitschnitte Says:

    […] mehr als sonst bei politisch-sozialen Auseinandersetzungen, aber auch bei der Musik; andere der vor einem Jahr formulierten Vorhaben blieben unterdessen liegen (Forschung, exemplarische Besprechungen, andere […]

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