Richard Dawkins – Der Gotteswahn (1)

April 10th, 2009

Eigentlich müßte sich Dawkins gutfinden lassen.

Er ist der Evolutions-Erklärbär, der Hacking als evolutionäre Strategie entdeckt hat: “Die Zweckentfremdung vorhandener Mechanismen ist ein naheliegender Weg, wie ein Apparat von scheinbar nicht reduzierbarer Komplexität den Gipfel des Unwahrscheinlichen erklimmen kann.” Er zitiert Betrand Russell, der auf die Frage, “was er sagen würde, wenn er nach seinem Tod Gott gegenüberstünde und erklären müsste, warum er nicht an ihn geglaubt habe”, antwortete: “Keine ausreichenden Anhaltspunkte, Gott, keine ausreichenden Anhaltspunkte.” Er begründet seinen Atheismus zuweilen, indem er sein christliches Gegenüber darauf hinweist, daß der “ebenfalls Atheist ist, nämlich in Bezug auf Zeus, Apollo, Amon Ra, Mithras, Baal, Thor, Wotan, das Goldene Kalb oder das Fliegende Spaghettimonster. Ich bin einfach schon einen Gott weiter.” Und Douglas Adams, der nicht so leicht zum Anhänger von irgendwas oder irgendwem wurde, war Anhänger von Dawkins.

Gerade in bezug auf die oft humorvolle und keineswegs pauschale Weise, in der Dawkins’ Plädoyers für den Atheismus daherkommen, waren meine ersten Äußerungen vorschnell, Dawkins würde “die wissenschaftlichen Erkenntnisse in Form eines Kanons” setzen und damit “Totalaussagen” treffen, “die für eine Kirche nicht überraschend sind, für die wissenschaftliche Methode jedoch verheerend.” Hier folgte ich letztlich eher der Darstellung des Spiegel 22/2007, der einen solchen Kanon vorstellte.

Nichts zurückzunehmen habe ich hingegen von meiner Kritik, Gott als reinen Wahn anzusehen, sei ein Rückfall in bürgerlichen Idealismus, wie ihn Marx heftig angriff:

“Marx schreibt 1844, dass es kindisch sei, auf Gottes Nichtexistenz zu bestehen. Für ihn ist das religiöse Elend Ausdruck des realen Elends und gleichzeitig Protest dagegen.

Neocons und Liberale erklären Religion für überholt und ineffizient, während sie selbst den ökonomischen Gottesdienst predigen. In diese Haltung fügt sich Dawkins’ Argumentation allzu gut ein, wenn er die Evolution mit Marktmechanismen analogisiert und den Kapitalismus darüber naturalisiert: “Diese Lücke [Marktlücke] wird durch die unsichtbare Hand der natürlichen Selektion geschlossen.”

Diese seltsame Situation, in der ich als Agnostiker, der ohne Gott aufgewachsen ist und deshalb aber keinerlei Mangel empfindet, nun von Anhängern des “Neuen Atheismus” der Inkonsequenz bezichtigt werde, ließ mich Dawkins internationalen Bestseller “Der Gotteswahn” zur Hand nehmen und gründlich durchsehen.

Dabei fällt vor allem auf, mit welchem Lagerdenken er sich zu Atheisten, Agnostikern und Gläubigen positioniert. Kurz gesagt, erklärt er Atheisten für die einzig aufklärerische Kraft, die er auch weitgehend für unfähig zu einer gewaltsamen Verbreitung ihrer Auffassung hält. Gläubige hingegen gelten ihm für praktisch alle Mißstände auf der Welt maßgeblich wenn nicht alleinig verantwortlich.

Gegen Agnostiker

Agnostiker hingegen können sich nicht entscheiden, nehmen falsche Rücksicht auf Religion und nützen somit objektiv dem Feind, also den Gläubigen. Ein Kapitel ist mit “Die Armut des Agnostizismus” überschrieben. Dawkins berichtet von dem katholischen Historiker Ross Williamson, der “den überzeugten religiös Gläubigen und auch den überzeugten Atheisten” gleichermaßen respektierte. “Seine Verachtung war den rückgratlosen Wischiwaschi-Mittelmäßigen vorbehalten, die irgendwo in der Mitte rumeierten.” Dann erzählt er von dem “hemdärmelige[n] Oberchrist[en]” seiner Schulzeit, der Atheisten ihrer Überzeugung wegen respektierte, während er Agnostiker für “sentimentale, verweichlichte, warmduschende, blässliche Ihr-Fähnchen-nach-dem-Wind-Hänger” hielt. Dawkins schreibt: “Teils hatte er recht, doch aus einem ganz falschen Grund. (…) Es ist nicht falsch, Agnostiker zu sein, wenn es weder für die eine noch für die andere Seite handfeste Belege gibt. Dann ist es die vernünftige Position.”

Dawkins scheint nicht zu sehen, daß es die meiste Zeit über für beide oder alle Seiten in Debatten Belege gibt und daß die agnostische Position, die sie fair gegeneinander abzuwägen versucht, zumeist die ist, die am schwersten durchzuhalten ist, da Anhänger der jeweiligen Lager einen auf ihre Seite zu ziehen oder der anderen Seite zuzuschlagen versuchen. Genau das macht auch Dawkins hier, wenn er Agnostiker damit zu blamieren versucht, daß Gläubige sie nicht ernst nehmen.

Nach verschiedenen Erörterungen darüber, wann eine agnostische Position seiner Meinung nach sinnvoll ist und wann nicht, erklärt Dawkins die Frage nach Gottes Existenz zu einer wissenschaftlichen Frage und kommt zu dem verblüffenden Schluß: “Entscheidend ist nicht, ob Gottes Existenz widerlegbar ist (das ist sie nicht), sondern ob sie wahrscheinlich ist.” Für eine atheistische Position, also eine Postion, die Gottes Existenz verneint, ist das eine absurde Aussage.

Gläubige als Scapegoats

Agnostiker scheinen Dawkins einfach deshalb als sowas wie Verräter zu gelten, weil er Gläubigen nahezu alles anlastet, was auf der Welt schiefläuft. In einer langen Aufzählung zu Beginn seines Buches führt er lauter historische und zeitgeschichtliche Ereignisse auf, die es seines Erachtens ohne Religion nicht gegeben hätte oder geben würde. In keinem einzigen Fall deutet er auch nur an, daß die Religion zumeist nur ein Faktor, oft nichtmals der entscheidende war. Weder die Hexenverfolgung, noch Selbstmordattentate, noch der “Krieg zwischen Israelis und Palästinensern”, noch “Ehrenmorde” sind primär oder gar ausschließlich religiöse Phänomene. Gäbe es keine “Verfolgung von Juden als ‘Christusmörder'” mehr, wie Dawkins es für eine Welt ohne Religion in Aussicht stellt, würde deshalb die viel gewaltigere Verfolgung von Juden aus anderen Motiven verschwinden? Und wenn er ebenfalls schreibt, “keine Zerstörung antiker Statuen durch die Taliban”, ist verblüffend, daß ihm selbst nicht auffällt, daß es auch die Statuen ohne Religion nicht unbedingt gegeben hätte.

WTC World Trade Center Imagine No Religion Richard Dawkins The God Delusion

Er zitiert Gore Vidal mit der Aussage, der Monotheismus sei “das unsagbare Übel in der Mitte unserer Kultur”, das Alte Testament ein “barbarische[r] bronzezeitliche[r] Text” und Judentum, Christentum und Islam “menschenfeindliche Religionen”. Sie sind “im wahrsten Sinne des Wortes patriarchalisch – Gott ist der allmächtige Vater -, und deshalb [!] werden Frauen in den Ländern, die von dem Himmelsgott und seinen irdischen männlichen Vertretern heimgesucht waren, 2000 Jahre lang verachtet.” Wer sich hier fragt, ob es nicht möglicherweise auch noch ein paar andere Gründe für die Geschlechtertrennung und -unterdrückung gegeben haben könnte als genau diese drei Religionen, wird schon bald nach Luft schnappen, wenn Dawkins nacheinander sowohl die Idee des Völkermordes, soziale Spaltung, Homophobie und schließlich auch die neuzeitliche Bevölkerungspolitik fast ausschließlich auf das Wirken der Religion und ihrer Anhänger zurückführt.

Zu den Londoner Anschlägen vom 7. Juli 2005 schreibt er:

Nur [!] religiöser Glaube ist eine so starke Kraft, dass er ansonsten geistig gesunde, anständige Menschen zu einer derart vollständigen Verrücktheit motivieren kann. Nun kann man natürlich sagen, dass der religiöse Glaube in dieser Hinsicht nichts Besonderes ist. Auch die patriotische Liebe zum Vaterland oder zur eigenen ethnischen Gruppe kann doch den Boden für ihre eigene Form des Extremismus bereiten, ist es nicht so? Ja, das sieht man an den japanischen Kamikazefliegern und den Tamilentigern auf Sri Lanka. Aber der religiöse Glaube bringt rationale Berechnung besonders wirksam zum Schweigen und übertrifft darin meist alle anderen Motive.

Das ist also das Problem, der Grund, weshalb ein Atheist Gläubige dermaßen verdammen muß: daß bei ihnen Mord und Massenmord keinem rationalen Kalkül mehr folgen?

Unschuldige Atheisten

So wie er Gläubige zu den Schuldigen an den meisten Mißständen der Welt erklärt und somit diejenigen, die er als Sündenbock-Jäger anklagt, gleich selbst zu Sündenböcken macht, nimmt er Atheisten gegen jegliche Kritik in Schutz und stellt sie, die einer Überzeugung wegen benachteiligt werden, mit allen, die ihrer zugeschriebenen Rasse oder anderer Zuschreibungen wegen verfolgt werden auf eine Stufe. Dabei ist die Zahl der Atheisten in den USA “weit größer als die der religiösen Juden, und doch”, wundert sich Dawkins, “gehört die jüdische Lobby in Washington zu den einflussreichsten Kräften.”

Atheisten sind für Dawkins die verfolgte Unschuld: “Nach meiner Überzeugung gibt es auf der ganzen Welt keinen einzigen Atheisten, der Mekka – oder Chartres, York Minster, Notre Dame, die Shwedagon-Pagode, die Tempel von Kyoto oder natürlich die Buddhas von Bamiyan – mit dem Bulldozer platt machen würde.” Er hat offenbar noch nie etwas davon gehört, wie in der Sowjetunion und in China Atheismus in der Praxis aussah, wieviele religiöse Gebäude dort geschleift, wieviele Gläubige verfolgt und ermordet wurden.

Um dem naheliegenden Argument zu begegnen, die größten Massenmorde des zurückliegenden Jahrhunderts seien nicht religiös motiviert gewesen, verdreht er die Fragestellung dahin, ob diese Massenmörder als Atheisten anzusehen seien, um dann zu dem Schluß zu kommen, daß Atheismus nicht als zentrales Motiv der Taten in Frage kommen würde. Er historisiert Hitler (der ja nicht so weit außerhalb des Zeitgeistes seiner Epoche gestanden hatte), schildert ihn als Katholiken und die Deutschen als Christen, und geht über den Einfluß darwinistischer Auffassungen auf die Nazis hinweg. Bei Stalin wiederum gäbe es “kein Indiz dafür, dass sein Atheismus das Motiv für seine Brutalität lieferte” – und was ist mit der Zielauswahl?

Nachdem er also der Frage erfolgreich ausgewichen ist, ob man die größten Kollektivverbrechen des 20. Jahrhunderts auch der Religion anlasten könnte, und sie in eine Verteidgung des Atheismus verwandelt hat, folgt das Bekenntnis: “Dass ein Krieg im Namen des Atheismus geführt würde, kann ich mir nicht vorstellen.” Die Macher von South Park haben auf diesen Satz mit der Doppelfolge “Go God Go” geantwortet, in der eine zukünftige atheistische Welt, die sich auf Dawkins beruft, über die Frage Krieg führt, wessen Logik die richtige ist.

Richard Dawkins South Park Go God Go
Dawkins bei South Park

Wenn Dawkins fragt, “Warum sollte jemand im Namen eines nicht vorhandenen Glaubens in den Krieg ziehen?”, liegt die Antwort auf der Hand: Weil die anderen glauben, weil er, wie Dawkins, davon überzeugt ist, daß alle ohne Religion besser dran wären. Oder eben weil dieser jemand überzeugt ist, die Argumente der anderen wären verkehrt.

  • Teil 2 des Postings
  • Teil 3 des Postings
  • 43 Responses to “Richard Dawkins – Der Gotteswahn (1)”

    1. Serdar Says:

      Falls du Zeit und Lust hast kannst du ja noch das hier anhören:
      Streitgespräch zwischen Herbert Schnädelbach und Magnus Striet

    2. xenu's pasta Says:

      Dawkins befindet sich halt auf einer Agit-Prop-Schlacht zur Imagebeschmutzung von Religion, und derer hauptsächlich christliche Varianten. Wo gehobelt wird fallen Späne.
      Keine Ahnung, wie deutlich das in der deutschen Übersetzung ist, aber auf englisch spricht er von “God Delusion” und scheint damit tatsächlich auch noch den Begriff zu meinen, unter welchen Leute sortiert werden, welcher Realitätsbild sich zu offensichtlich vom angenommenen Mainstream unterscheidet, um nicht ernstgenommen werden zu müssen. Ich find’s ja ein wenig arm, wenn den Gegner einfach pathologisieren zu wollen, aber das ist nun mal rhetorisch effektvoll und akzeptierter Mainstream in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung. Theologisch gesehen sind Dawkins Angriffe auf Religion eher uninteressant.

      Es gibt ansonsten natürlich auch noch andere Leute, die ihren Atheismus öffentlich vertreten, wobei die Trennung zwischen Atheismus, Anti-Theismus und Agnostizismus nicht immer so deutlich ist, und Dawkins in der Hinsicht vielleicht nicht bedeutender gemacht werden sollte als er ist. Sprich, Dawkins hat weder die Definitionshoheit darüber, ob Agnostiker zu “den Guten” gehören dürfen, noch ob es einen tatsächlichen wesentlich Unterschied zwischen Agnostizismus und Atheismus gibt.

      Ein gutes Trampolin ist http://atheistmedia.blogspot.com

    3. betty Says:

      Ah, jetzt verstehe ich deine Empörung während unseres Gesprächs u.a. über an mir verübte Schandtaten von katholischer Seite, genauer: einzelner Christen… Bzw. was DIR dabei im Kopf herum ging – irritierend allerdings, dass du mir in dem Moment quasi diese Dawkins’sche “Welterklärung” leisten zu wollen unterstelltest, während ich mich tatsächlich nur auf meine Erfahrungen bezog (kleine Projektionsleistung, hm?).
      Dawkins benutzt offenbar das, was tatsächlich an Schrecklichem im Namen verschiedener Religionen in unterschiedlichen Ausmaßen und Ausprägungen begangen wird – an anderen oder “nur” sich selbst, um wiederum sich mit den Bedingungen, die Erscheinungen wie Religiösität und Glaube erst ermöglichen (Wie muss ein vernunftbegabtes Subjekt beschaffen sein, um glauben zu können? Warum will es denn überhaupt glauben? etc.), nicht zu beschäftigen und auch nicht damit, in welchem Verhältnis diese Erscheinungen zu den Bedingungen stehen. Wesen und Erscheinung werden stattdessen in eins gesetzt, was nun allerdings nur die langweilige, weil dauernd geschehende Wiederholung der Verwechslung bzw. Identifikation von Besonderem und Allgemeinen in spezieller Dawkins’scher Weise darstellt. Erschreckend, zu welchem Ausmaß an Ignoranz und Ausblendung das bei ihm führt. Ihm einfach Naivität zu unterstellen, wäre wohl falsch, weil dieses Vorgehen ja einen Zweck erfüllt. Atheisten würden per se religiöse Symbole nicht zerstören wollen? Nur religiöser Glaube könne zu vollständiger Verrücktheit führen? Das Sein zum Tode soll ein rein religiöses Phänomen sein? Um Gottes Willen…! Wie stets: sollte doch bitte der, der sich zu Urteilen aufschwingt, die objektive Gültigkeit haben sollen, lieber schweigen, wenn er dabei von Kapitalismus nicht reden möchte. Es kann nur verdrehter Unfug dabei rauskommen, wie sich immer wieder bestätigt.

    4. classless Says:

      Wie gesagt, auf Dawkins’ Blindheit gegenüber anderen gesellschaftlichen Ursachen komme ich bei der Fortsetzung des Postings noch zu sprechen.

      (Meine Empörung war gar nicht an dich persönlich gerichtet, ich hatte vermutlich wirklich einen meiner gefürchteten Kurzvortrag-Anfälle 😉 )

    5. bigmouth Says:

      Theologisch gesehen sind Dawkins Angriffe auf Religion eher uninteressant.

      wenn man theologisch argumentiert, lässt man sich doch schon auf ein spiel anderer leute mit blöden spielregeln ein. afaik verweist dawkins für genauere philosophische argumentation auch sehr schnell im Buch auf John L Mackies “Das Wunder des Theismus”-Standardwerk (rezension hier: http://www.rote-ruhr-uni.com/cms/John-Leslie-Mackie-Das-Wunder-des.html ) – insofern geht die kritik ein wenig fehl.

      dass dawkins ein ärgerliches one-trick-pony ist, würde ich aber unterschreiben. dem mann fehlt einfach unglaublich viel an kenntnis über gesellschaftliche und geschichtliche zusammenhänge. besonders seien unterstützung sam harris’ finde ich sehr ärgerlich.

      Dennett könnte sich vielleicht mehr lohnen, ich weiß es nicht

    6. Cannabis Kommando Says:

      Oolon Coluphid Richard Dawkins fällt in seiner Religionskritik weit hinter Hoimar von Ditfurth zurück, selbst hinter Karl Marx, indem er versucht die bigotte Anti-Drogen-Ideologie als Transporteur seiner Weltanschauung einzuspannen. Die Frage bei einem solchen Unterfangen ist aber wer instrumentalisiert damit wen?

    7. shigekuni Says:

      http://www.youtube.com/watch?v=eaGgpGLxLQw

    8. xconroy Says:

      Man kann durchaus in Betracht ziehen, daß primär atheistisch motivierte Gewalt/Kriegführung denkbar wäre, auch wenn ich mir ein Szenario, das im Vergleich zur Southpark-Parodie nur annähernd realistisch ist, nicht wirklich vorstellen kann… das mag daran liegen, daß “Die Atheisten” einfach mal keine straff strukturierte, mit Führerprinzip und Ritualen versehene Massenbewegung sind.

      Dies waren aber sowohl der organisierte “realexistierende Sozialismus” in seinen diversen Facetten als auch der Faschismus/Nationalsozialismus. Man kann aus allem eine dogmatische Ideologie machen (die sich dann von Religion nicht mehr wesentlich unterscheidet) -*auch* aus Atheismus. Aber Sowjetunion und Nazideutschland verübten ihre Verbrechen m.E. NICHT aufgrund eines ideologisierten Atheismus, sondern aufgrund ANDERER Ideologien. Der Nichtglaube an einen (monotheistischen) Gott war vermutlich wichtig aus “Führersicht”, um ideologische Konkurrenz auszuschalten und die Schafe zu fokussieren – daß aber die hauptsächliche Motivation der konkreten Täter – KZ-Aufseher, Gulag-Wärter, Soldaten, wtf… – für ihre Gewalttaten in *Atheismus* begründet läge, halte ich für eine sehr schräge Hypothese. Genau diese Hypothese vertritt man aber m.E., wenn man religiös motivierte Gewalt wie Selbstmordattentate oder Morde an abtreibenden Ärzten mit Taten im Sowjet/Nazi-System gleichsetzt.

      Die Verklärung von Atheisten als “Bessermenschen”, die bei Dawkins zumindst ab und an durchscheint, halte ich für falsch – aber die Argumentation, Nazis und Kommunisten hätten ihre Gewalttaten primär aus atheistischen Gründen erledigt, für noch wesentlich falscher.

      (Fußnote: mit sowas darf man sich übrigens sowohl bei Telepolis als auch bei “politically incorrect” rumschlagen – Gläubige, die Atheisten mit der Nazi/Kommi-Keule angehen wollen… wieder mal ein Indiz dafür, wie ähnlich sich diese beiden Communities eigentlich sind XD… achja, echt fanatische Atheisten kann man in größerer Population eig. nur im “freigeisterhaus” erleben, und wie jeder Extremismus ist mir auch das irgendwie nicht sympathisch… das nur nebenbei)

    9. classless Says:

      @ xconroy

      “wenn man religiös motivierte Gewalt wie Selbstmordattentate oder Morde an abtreibenden Ärzten mit Taten im Sowjet/Nazi-System gleichsetzt.”

      Hab ich das gemacht? Die Idee war zu zeigen, daß Dawkins der Frage ausweicht, ob die Massenmorde des 20. Jahrhunderts primär religiös motiviert waren, nichts weiter.

      Zur gezielten Gewalt gegen Gläubige aus atheistischen (bzw. materialistischen) Beweggründen sollte ich wohl auch mal was schreiben, die Literatur über die frühe Sowjetunion ist voll von Anschauungsmaterial…

    10. Pent C. Klarke Says:

      Und hier die Hymne aller Agnostiker – Queen, Bicycle race (“I don’t believe in Peter Pan, Frankenstein or Superman…”:

      http://www.youtube.com/watch?v=2CTPLUcQAjk

    11. Gehirnschnecke Says:

      @ xconroy

      Hitchins sieht im Sozialismus des Ostblocks dann auch eine “Pseudoreligion”.

      (Hätte ich “God is not great” nicht gerade entliehen, ich könnte sogar mit einem Zitat aufwarten…)

    12. Cannabis Kommando Says:

      @xconroy

      Aber Sowjetunion und Nazideutschland verübten ihre Verbrechen m.E. NICHT aufgrund eines ideologisierten Atheismus, sondern aufgrund ANDERER Ideologien.

      Das sagt auch der Papst:

      Im 20. Jahrhundert hat dann in der dunkelsten Zeit deutscher und europäischer Geschichte eine wahnwitzige neuheidnische Rassenideologie zu dem staatlich geplanten und systematisch ins Werk gesetzten Versuch der Auslöschung des europäischen Judentums geführt, zu dem, was als die Schoah in die Geschichte eingegangen ist.

      Die These vom Atheismus als Wurzel allen Übels des letzten Jahrhunderts ist heute nur noch dort anzutreffen, wo eine ideologisierte Gleichsetzung von Nazismus und Stalinismus propagiert werden soll (Totalitarismusdoktrin).

    13. philip Says:

      der konter ist schon da:

      Bischof Mixa sieht Massenmord als Folge des Atheismus
      http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,618676,00.html

    14. lasterfahrerei Says:

      atheismus ist die folge einer korrupten organisierten kirche, welche den “an die frohe botschaft” glaubenden von seinem gott entfremdet hat.

    15. Cannabis Kommando Says:

      Das ist auch das Niveau von Zhang Qingli.

    16. ben Says:

      Hi,

      “Unschuldige Atheisten”

      Es geht hier nicht um Menschen. Menschen sind Fahrzeuge von Gedanken. Dawkins bezieht sich auf Gedanken welche Menschen zu irrationalen,schädlichen Handlungen veranlassen können.
      Da Atheist sein,fast überhaupt nichts aussagt,jediglich das Ablehnen einer Monotheistischen Religion,ist es auch kein Gedankenkomplex welcher Menschen zu Taten motiviert.

      Es gibt Atheisten die schlechtes tun,es gibt Atheisten die gutes tun.
      Sie tun beides unabhängig vom Atheismus,weil er ihnen kein dogmatisches Gedankengerüst vorgibt.
      Es gibt religiöse Menschen die schlechtes tun,es gibt religiöse Menschen die gutes tun.
      Die Wahrscheinlichkeit das ihr Handeln durch ihren Glauben,wenn sie stark gläubig sind,motiviert ist,ist viel größer-WEIL- Die Religion ein so mächtiger Gedankenkomplex mit Moral,Wertevorstellungen ist,welcher Menschen stark beeinflusst.

      Es gibt viele religiös motivierte Menschen,die in Afrika Entwicklungshilfe leisten um im Namen ihrer Religion etwas gutes zutun,nebenbei Missionieren Sie vielleicht noch und hoffen in den Himmel zu kommen.

      Die Religion ist Auslöser für etwas “”gutes””.

      Es gibt vielleicht Atheistische Menschen,die Entwicklungshilfe leisten,weil sie meinen etwas gutes tun zu müssen,aus welchen Beweggründen auch immer. Jedenfalls ist der Atheismus kein Grund dafür.

      So sieht es auch bei den “schlechten Handlungen aus”.

      d.h Atheismus ist kein Auslöser für Handlungen.

      Man müsste hier weitergehen.

      Ich bin Naturalist und Materialist.
      Wobei ich sagen muss,das sich das irgendwie unsympatisch anhört,wenn man die genauen Definitionen nicht kennt.

    17. ben Says:

      ps:

      Natürlich tun religiöse Menschen auch ganz unabhängig ihrer Religion gutes oder schlechtes.
      Was ich sagen wollte,war lediglich,dass Religion,viele Menschen stark in ihrer Entscheidungsfindung beeinflusst.

      Die Frage ist nun ja auch,ob das wegfallen von Religion,im Atheismus,Menschen genauso stark beeinflusst. Das denke ich nämlich nicht. Da Moral und Werte durch den Zeitgeist vermittelt werden und da Atheismus,wie gesagt,nur einen Gedankenkomplex ablehnt ohne einen neuen zu bieten.

    18. Will Says:

      Anyone who uses the term ‘new athiests’ in a derogatory fashion should be shot with shit.

      http://drinksoakedtrotsforwar.com/2009/04/12/none-of-your-fucking-business/

    19. classless Says:

      @ ben

      Ich behaupte nicht wie Mixa, Atheismus wäre der Grund für Massenmorde. Was ich sage, ist, daß auch Unreligiöse so etwas tun und daß Dawkins zu Unrecht ausschließt, daß Atheisten zu Gewalttaten und Kriegszügen gegen Gläubige fähig sind. Auf die ganzen anderen Faktoren, die Dawkins nicht diskutiert (Klassen, Rassismus, Geschlechtertrennung usw.) komme ich im dritten Teil zu sprechen.

    20. Cannabis Kommando Says:

      @ben – Wenn ich versuche Mixa etwas Positives abzugewinnen, dann komme ich noch am ehesten mit der Vorstellung weiter dass sein Textverarbeitungsprogramm die Vokabel “Etatismus” nicht kennt und die automatische Rechtschreibkorrektur den Schlamassel angerichtet hat. Wo die Staatsgewalt als (Ersatz-)Gottheit verehrt wird endet das immer ziemlich blutig, ganz gleich in welche Legitimation diese sich gerade kleidet. Aber wenn ein Militärbischof eine derartige Herrschaftskritik formulieren würde, dürfte er wohl in ziemlich lange Gesichter gucken.

    21. classless Says:

      @ Cannabis Kommando

      Ich sehe aber auch keinerlei Hinweise darauf, daß er diese Kritik formulieren wollen würde…

    22. Gehirnschnecke Says:

      Mir gehen religiöse Menschen dennoch eher auf den Zeiger als Atheisten und/oder Agnostiker. Propheten eines “neuen” Atheismus sind ähnlich lästig wie alle anderen Propheten eben auch.

      Trotzdem tat es mir wirklich gut Dawkins “God Delusion” und Hitchins “God is not great” zu lesen.

    23. michael Says:

      >“Entscheidend ist nicht, ob Gottes Existenz widerlegbar ist (das ist sie nicht), sondern ob sie wahrscheinlich ist.”
      >Für eine atheistische Position, also eine Postion, die Gottes Existenz verneint, ist das eine absurde Aussage.

      Warum?

      a) “Es gibt wahrscheinlich einen Gott so, wie eine der üblichen Religionen ihn sich vorstellen” und
      b) “es gibt wahrscheinlich keinen solchen Gott” sind ja nur aussagenlogisch symmetrisch. Im Unterschied dazu ist a) aber eine Hypothese mit dem Anspruch, bestimmte Phänomene zu erklären, b) ist aber keine (erklärt nämlich nichts), sondern ist nur der Verzicht auf a).

      “Prinzipiell möglich, aber wahrscheinlich falsch” ist der Standardstatus, den konsistente, mit den Beobachtungen verträgliche, aber ansonsten beliebige und nicht an den bestehenden Erklärungskorpus andockende Hypothesen im üblichen Naturwissenschaftsprozess ersteinmal haben. Das ist schon OK. Bezogen auf a) nennt man diese Position Ahteismus.

    24. classless Says:

      Da muß ich erst mal drüber nachdenken.

    25. michael Says:

      Wo ich’s mir nochmal angucke: Das ist, glaube ich, sogar ziemlich genau der Punkt, den diese “fliegendes Spaghetti-Monster”-Geschichte machen will.

    26. classless Says:

      Mir fehlt gerade die Zeit, den Gedanken hin und her zu wenden, aber simpel gesagt: Atheismus heißt doch eben nicht, daß Gott ein sehr unwahrscheinliches Konzept ist (das sehe ich als Agnostiker ja auch so), sondern daß es ihn nicht gibt. Und somit müßte, wenn es sich nicht einfach um einen entgegengesetzten Glauben handeln soll, Gottes Existenz zur Begründung des Atheismus widerlegt werden. Oder nicht?

    27. michael Says:

      Mir fehlt auch gerade die Zeit, die Wissenschaftstheorie nachzuschlagen, aber ich glaube, es geht so etwa um folgendes:

      Wissenschaftler reagieren nicht auf beliebige, unwahrscheinliche Thesen mit Gegenbeweisen. Und zwar nicht, weil sie besseres zu tun hätten, sondern aus einem Prinzip, was man glaube ich ganz gut mit “je abwegiger eine Hypothese, mit desto stärkeren Argumenten muss sie daherkommen” zusammenfassen kann und die sich daraus begründet, dass Abwegigkeit in Selbstimmunisierung gegen Kritik mündet. Religionen sind auf dieser Skala so ungefähr das abwegigste, weil sie ihre eigene Unwiderlegbarkeit schon mitliefern, die-Wege-des-Herrn-sind-unergründlich-mäßig. Die absolute unfalsifizierbare Hypothese.

      Wissenschaftler ziehen daraus dann aber nicht die Konsequenz zu sagen, “OK, können wir den lieben Gott eben nicht widerlegen, nennen wir das nach gewissen Spielregeln, die nicht unsere sind, also Agnostizismus statt Atheismus”, sondern sie sagen “Es gibt nach allen Regeln der Kunst keinen Grund, die Existenz Gottes anzunehmen. Abkürzung: Ich vermute vorläufig und jederzeit revidierbar, dass Gott nicht existiert. Abkürzung: Gott existiert nicht”.

      Mehr als “vorläufig und jederzeit revidierbar vermuten” tun wissenschaftstheoretisch informierte Wissenschaftler ja ohnehin nicht, deswegen ist da für sie kein Unterschied.

    28. classless Kulla » Blog Archive » Richard Dawkins - Der Gotteswahn (2) Says:

      […] ersten Posting ging es vor allem um Dawkins’ Lagerdenken, mit dem er an Atheisten, Agnostiker und religiös […]

    29. bigmouth Says:

      Atheismus heißt doch eben nicht, daß Gott ein sehr unwahrscheinliches Konzept ist (das sehe ich als Agnostiker ja auch so), sondern daß es ihn nicht gibt.

      für dawkins wohl nicht. der sagt das ja auch so in interviews, dass er gott nur als höchstgradig “improbable” ansieht. zum vergleich: http://en.wikipedia.org/wiki/Russell%27s_teapot (kennt das wer noch nicht?). über diesen tea pot kann man eigentlich auch nur agnostiker sein, genau so wie zum fliegenden spaghettimonster oder dem unsichtbaren rosa einhorn. oder die vorstellung, dass irgendwo im universum darth vader tatsächlich rumläuft. bei solchen beispielen fällt dann aber auf, dass das bestehen darauf, dass man gott auch nicht wiederlegt hat, etwas extrem absurdes besitzt

      Dawkins scheint unter agnostikern zauderer zu verstehen, die nicht handeln, weil sie sich dauernd in unsicherheit wälzen über eine sache, die fast entschieden ist

    30. classless Says:

      @ michael

      “je abwegiger eine Hypothese, mit desto stärkeren Argumenten muss sie daherkommen”

      Daß Religion auf Hypothesen beruht, ist zunächst mal nur eine Hypothese 😉 Der Rest ist mir zu normativ: abwegig? stark? Und was hat denn Rechthaben (Argument) damit zu tun, was stimmt?

      @ bigmouth

      Auch im Buch klassifiziert sich Dawkins so, vertritt aber dennoch seinen Atheismus. Zwischen “fast entschieden” und “entschieden” gibt es eben einen Unterschied, auch wenn er ihn nicht anerkennen will und denkt, er kann ja auch infinitesimal wenig gleich null setzen.

    31. michael Says:

      Ein Wissenschaftler hält Wissenschaft für den jeweils bestmöglichen, arbeitsteilig institutionalisierten Versuch, herauszufinden, was alles in der Welt der Fall ist und warum es der Fall ist.

      Wenn Atheisten Religiöse kritisieren und dabei als Wissenschaftler sprechen, nehmen sie sich Aussagen der Form “Gott ist so und so, macht das und das und wirkt damit in der und der Form auf die Welt” vor und fassen sie als einen Versuch auf, an diesem Unternehmen teilzunehmen (nämlich etwas zu behaupten, was in der Welt der Fall sei). Das will zumindest die wörtliche-Bibelauslegung-Intelligent-Design-Abteilung ja auch ausdrücklich so verstanden wissen. Aus Sicht eines Wissenschaftlers ist es legitim, so verstanden wollen zu werden (weil eine allgemeine Behauptung über einen Zusammenhang in der Welt eben entweder eine Hypothese oder sinnlos ist), er antwortet dann aber auch als Wissenschaftler, nämlich korrekt mit “wie soll denn das bitte gehen, mit der Jungfrauengeburt.”

      Was Religion abgesehen von einem System von Hypothesen sonst noch ist (ein erhabenes Gefühl, ein kulturgeschichtlicher Prozess), das steht auf einem anderen Blatt. Gegen das erhabene Gefühl angesichts einer erklärenden Theorie hat zumindest Douglas Adams ja anscheinend nichts einzuwenden.

      Das mit den Lücken meint er übrigens glaube ich anders. Dawkins hat nichts dagegen, dass Leute Lücken in der Evolutionstheorie suchen. Er findet es nur drollig, dass Religiöse bereit sind, ihren Gott zu nehmen und in diese vermeintlichen Lücken hineinzuquetschen. Ein allmächtiges, erhabenes Wesen, dass nur gerade dafür da ist, einige undichte Stellen an einer ansonsten ohne Gott auskommenden Theorie zu stopfen.

    32. bigmouth Says:

      ja. wie schrieb ein deutscher philosoph im 19. jhdt dazu: gott als schmutziger lappen in den lücken der welterklärung

    33. Linkdump 17.04. « meta.blogsport Says:

      […] liefert eine lesenswerte Kritik von Dawkins‘ Gotteswahn: Teil 1; Teil […]

    34. Andre Says:

      Aus astrophysischer Sicht ist Dawkins fast eine Null. Die Tatsache, dass es Raum und Zeit gibt, ist ein einziges Wunder. Aus evolutionsbiologischer Sicht ist Dawkins sein eigener Supremat.

    35. Gott vs. Die Welt « UnderTakeThisLaw Says:

      […] Bei Classless gibt es zu dem Atheistenfrontschwein Dawkins eine ausführliche Analyse (Teil 1 & Teil […]

    36. Bauhaustapete :: Thema: Religion 3 Says:

      […] Classless bietet derweil eine Kritik an der Religionskritik von Richard Dawkins in zwei Teilen auf: Teil 1 Teil […]

    37. Cannabis Kommando Says:

      @classless – Er hat gesagt er sei gegen Straflager, Geheimpolizei und Massenmorde. Wenn diese Position universalistisch ist dann ist sie gewollt oder ungewollt auch herrschaftskritisch. Was allerdings mir fehlt ist die Erklärung wie man vom Wegsehen von Gott zur Karriere in der Mordlagerpolizei kommt, da ist ein ganz großes Stück Kausalkette einfach ausgelassen, und wahrscheinlich gar nicht allgemeingültig hinzubekommen. Mixas Motiv wird aber dennoch nicht Herrschaftskritik gewesen sein, sondern sich steilen Thesen in der Öffentlichkeit zu sonnen. Er hätte ja mal was zum armenischen Genozid sagen können, da ist die Ursachenforschung wesentlich gehaltvoller, aber es würde erfordern sich mit einem ernstzunehmenden Gegenspieler anzulegen, anstatt bloß vom gesellschaftliche Gruppendenken zu zehren. Trotzdem hat er es aber nicht geschafft seine Schäfchen in der Frage der Agro-Gentechnik von den atheistischen Technologiekritikern zu spalten.

    38. ben Says:

      @classless

      Deine Antwort auf meinen Beitrag:

      “”Ich behaupte nicht wie Mixa, Atheismus wäre der Grund für Massenmorde. Was ich sage, ist, daß auch Unreligiöse so etwas tun und daß Dawkins zu Unrecht ausschließt, daß Atheisten zu Gewalttaten und Kriegszügen gegen Gläubige fähig sind. Auf die ganzen anderen Faktoren, die Dawkins nicht diskutiert (Klassen, Rassismus, Geschlechtertrennung usw.) komme ich im dritten Teil zu sprechen.””


      Genau das gleiche schreibt Dawkins in der Gotteswahn. Er stellt niemals Atheistische Menschen als gute Menschen da. Er schreibt lediglich das Atheistisches Gedankengut nicht gefährlich ist.

      Außerdem erwähnt er Klassen,Rassismus und Geschlechtertrennung im gleichen Athemzug wie du.

      Ich glaube du hast das Buch nicht richtig gelesen.

    39. classless Says:

      “Außerdem erwähnt er Klassen,Rassismus und Geschlechtertrennung im gleichen Athemzug wie du.”

      Auf welche Stellen im Buch beziehst du dich da? Ich hab diesen Punkt im dritten Teil des Postings noch mal vertieft.

      Dawkins schreibt – und das habe ich ja zitiert – daß er sich nicht vorstellen kann, daß Atheisten gegen Gläubige Krieg führen oder sie ihres Glaubens wegen verfolgen könnten. Und das ist historisch falsch, oder nicht?

    40. betty Says:

      Zum Begriff des Atheismus und seinem Verhältnis zu Gott bzw. zur Emanzipation der Menschheit hat Jörg sich im “Letzten Hype” Gedanken gemacht. Hier ein Ausschnitt:
      “Der Atheismus hat nun an der Religion nicht das fundamentale Rätsel durchzustreichen vermocht, dass der Mensch unfrei, unvollkommen ist, aber frei und vollkommen sein müsste; er hat nur die Existenz Gottes ausgestrichen, die scheinbare Lösung des Rätsels. Er hat jene Auflösung ins Negative nicht betrieben, dass der Mensch die Vollkommenheiten, die er Gott zugeschoben hatte, in sich selbst zurückholen müsste; mit einem Wort, er hat mit dem Begriff Gott auch den Gedanken durchgestrichen, was der Mensch sein könnte. Die Verwirklichung dieses Gedankens wäre die wirkliche Lösung des Rätsels gewesen, nämlich die befreite Menschheit.”
      Der ganze Text unter:
      http://letzterhieb.blogsport.de/2009/04/21/gott-ist-untot/

    41. Martin Says:

      Es erscheint mir als unsinnig, einem Gedankengebäude, das sich auf dem Unerklärbaren, ja geradezu auf der Unerklärbarkeit erhebt, damit begegnen zu wollen, daß es dem wissenschaftlich Erklärbaren widerspricht. Das ist gerade der Punkt!

      Über Jahrtausende haben sich die Religionen aber nicht auf das “Unerklärbare”, sondern auf Erklärungen berufen. Die Christen haben z.B. bis weit übers Mittelalter hinaus streng auf die “Wahrheit” ihrer Positionen gepocht und etwa die Juden deshalb abgelehnt, sie würden Lügen verbreiten (und nicht etwa nur, wie heute manchmal angenommen wird, weil sie eine andere Religion waren, man wusste natürlich auch damals schon, dass das nicht für eine Ablehnung ausreicht). So argumentiert etwa Luther in seiner zentralen Schrift des Antisemitismus “Von den Jüden und ihren Lügen” genau, was unwahr sei an den jüdischen Positionen, und schließt daraus, dass sie lügen würden.

      Christen hatten und haben genaue Argumentationen, etwa heute die Kreationisten. Intern benutzen Christen diese Argumentation auch weiterhin, um Menschen (etwa Kinder) vom Christentum zu überzeugen. Ich hatte genug Kontakt mit christlichen Kreisen: Niemand dort sagt, “das ist eben unerklärlich, aber ich glaube trotzdem daran”. Dieses Argument benutzt man nur, wenn stärkere Argumentationen von außen kommen. Dann beruft man sich darauf, dass das Wunderbare gerade darin bestünde, dass man es nicht verstehen, sondern nur glauben könne. Und das ist auch kein zufälliger Mechanismus (wir wollen uns ja alle vor Angriffen schützen), sondern einer der religionsspezifisch ist: Weder in der Wissenschaft noch im Alltag kann ich meine Meinungen so absichern. [Es ist das “Glaubensmodul”, siehe (c) unten, das spezifisch für Religionen ist.]

      Dawkins wichtigstes Argument ist IMO der Virus-Gedanke, der mit der Memtheorie (vgl. Susan Blockmore) zusammenhängt. Ich kann das hier nur stark verkürzt wiedergeben, und richtig verständlich wird es auch erst vor dem Hintergrund der Memtheorie. Verkürzt und in meiner Fassung also:

      Viren haben drei Elemente:
      (a) Einen Inhalt
      (b) Einen Reproduktionsmechanismus
      (c) Einen Absicherungsmechanismus

      Das macht sie strukturell zu Einheiten, die äußerst effektiv auf ihre eigene Reproduktion angelegt sind. Am Beispiel von Computerviren: Diese haben
      (a) einen Inhalt (den Programmcode);
      (b) einen Reproduktionsmechanismus (nicht nur der Kopiermechanismus an sich, sondern auch und gerade die Mechanismen, die die Reproduktion in ihrer Umwelt begünstigen, z.B. zum Öffnen von Anhängen verführende Mailtexte);
      (c) Verteidigungsmechanismen (diese sieht man allerdings besser bei echten VIren, bspw. wird das Aidsvirus so gefährlich, weil es gerade die Immunzellen des Körpers befällt, die es als einzige angreifen könnten).

      Religionen haben ebenfalls
      (a) einen Inhalt (Dogmen, Glaubensinhalte, Aussagen …)
      (b) einen Reproduktionsmechanismus:
      – sie übernehmen das Gehirn ganz und beschäftigen die Gedanken, so dass der/die Gläubige oft darüber redet und zu “predigen” beginnt, was eine entscheidende Voraussetzung für die Verbreitung von Memen ist;
      – sie verlangen religiöse Erziehung der Kinder;
      – sie betonen dass Menschen nur durch die Religion gerettet werden könnten;
      – sie verlangen oft auch Missionierung;
      – sie stellen die ganzen Kräfte des Individuums, bis hin zu seinem/ihrem Leben, in den Dienst der Religion)
      – sie misstrauen Andersdenkenden und hassen sie oft sogar (das ist kein Zufall, sondern war offenbar notwendig für den Erfolg, die Religionen die dies nicht hatten wurden vermutlich bis zur Unkenntlichkeit verändert; je mehr man Andersdenkende schwächt, desto mehr Erfolg hat die Religion)
      (c) einen Absicherungsmechanismus, das “Glaubensmodul”: Dieses sorgt dafür, dass (a) nicht angegriffen wird, der/die Gläubige wird immun gegen eigene Zweifel und kritische Argumente, weil die Religion ihm sagt, dass es gerade ums Glauben geht!

      Während man (a) bei jeder Überzeugung, Meinung oder wissenschaftlichen Theorie hat, ist schon (b) z.B. in der Wissenschaft so nicht gegeben: Dort gibt es Mechanismen, dass jedeR seine Theorie vorstellt, aber den anderen auch zuhört. Das ist das Prinzip – das es nicht immer funktioniert, ist dabei nicht entscheidend. – In der Kirche nämlich versichert sich eine Glaubensgemeinschaft grundsätzlich nur ihres “dogmatischen Inhalts” (a), zudem wird die Weitergabe an die Kinder wird verlangt. Die Verachtung der anderen Religionen ist auch kein entfernbarer Zufall, sondern strukturelle Notwendigkeit: Die Religionen, die sie nicht hatten, sind vermutlich deshalb ausgestorben, weil zu viele Menschen – die einfach etwas am Inhalt (a) einer anderen Religion lieber mochten – zu ihnen übergewechselt sind. Bei Wissenschaften existiert dieser Mechanismus nicht, man muss nicht andere “Schulen” verachten, sofern man die besseren Argumente hat, denn nur auf diese kommt es an. Es ist daher falsch, darauf zu verweisen, dass Wissenschaftler auch oft dogmatisch sind. Darum geht es nicht, sondern es geht um die Mechanismen und die grundsätzliche Funktionsweise des Systems.

      Und (c) schließlich gibt es in der Wissenschaft überhaupt nicht, sie wurde von vornherein als Gegenmodell dazu entwickelt, wo es eben nicht um Glauben geht. Alle Elemente der Religion – die Predigt von der Kanzel, die Auslegungspraktiken, die religiösen Autoritäten, die Existenz “heiliger Bücher”, die gegen Veränderung abgesichert sind, die Verbannung von Varianten als “Ketzertum” und “Häresie”, die “Gemeinde”, die Selbstversicherung im Gottesdienst – sind darauf ausgelegt, den Inhalt (a) zu stabilisieren, was wiederum für (b) entscheidend ist: Ein zerfaserndes “Genom” kann sich nicht weiterverbreiten, offenbar haben dank kultureller Evolution nur diejenigen Religionen überlebt, die ihren Inhalt sorgfältig absichern. — Deshalb ist es aber falsch, zu sagen, Wissenschaft – dogmatisch gepredigt – sei dasselbe wie Religion. Es macht immer noch einen himmelweiten 🙂 Unterschied, ob man – wie Dawkins – den systematischen Zweifel und das Hinterfragen “dogmatisch predigt” [also das Gegenteil von (c)] oder ob man einen Inhalt (a) dogmatisch predigt und zugleich (c) dazugibt!

      Doch auch im Alltag kommen Meinungen (d.h. Meme) mit (c) nicht weiter: Wenn du sagst “Das glaube ich nun mal, Argumente sind mir wurscht”, wirst du niemanden überzeugen, deine Meinung wird mit dir aussterben. Dasselbe gilt selbst für Ideologien: Diese sind eben nicht dasselbe wie Religionen, so verhängnisvoll sie im Einzelnen auch sein mögen; sie hängen doch immer noch davon ab, dass ihr Inhalt (a) Leute überzeugen kann und dass er nicht klar widerlegt legt, weil sie ja auf dessen Richtigkeit pochen. Deshalb können Ideologien auch mit Argumenten zurückgedrängt werden, was bei Religionen nur von außen gelingt (wenn die Religion eine Gesellschaft übernommen und sich mit (c) abgesichert hat, ist dies nicht mehr möglich).

      Das Virus-Modell der Religion hört sich zunächst wie eine vage Metapher an, es erklärt aber vieles sehr plausibel, z.B. wie die Religionen Menschen ganz übernehmen können; wieso sie sich so gut verbreiten; wie sie es schaffen, offensichtlich völlig falschen Inhalt (unbefleckte Empfängnis usw.) über Jahrtausende zu transportieren. Gut erläutert ist es in: Susan Blackmore, The Meme Machine, Kap. 15.

    42. Doc Says:

      Ich bin in einer christlichen Familie aufgewachsen und das Ganze ist eigentlich noch viel schlimmer, als Dawkins es beschreibt.
      Zunächst, meine Eltern gehören keiner Kirche an und verteufeln auch jegliche Art von Kirchen.
      Das heißt, dass sie sich, wie fast jede Glaubensgemeinschaft, für die einzig Wahren halten.
      Die religiöse Indoktrination, die man sogenannten Sekten vorwirft, findet im Christentum genauso statt, wie bei allen anderen Gruppierungen, die selbstverständlich alle in der Hölle landen werden.
      In der Hölle war ich schon. Denn die hatte ich hier auf Erden.
      Man wird im frühesten Alter schon an den Glauben, oder das Glauben herangeführt und jegliches eigentständige Denken wird systematisch unterbunden.
      Denn wie es in der Bibel steht, sollen wir folgsame Schäfchen sein, was seit 2000 Jahren ja wohl nachweislich für die jeweiligen Machthaber sehr nützlich war.
      Die enge Verstrickung zwischen irdischer und kirchlicher Macht wird wohl auch niemand mehr in Frage stellen.
      Natürlich steckt hinter jedem Krieg ein Macht- oder Wirtschaftsinteresse.
      Und für einen Krieg kann man beim Volk am einfachsten Zuspruch gewinnen, indem man sich von Gott berufen fühlt, um das Böse zu vertreiben.
      Glücklicherweise, muss man sagen, hat es der letzte US-Präsident und Oberchrist maßlos übertrieben, dass auch der letzte Gläubige ins Wanken geraten sollte.
      Man sollte nicht immer von sich selbst ausgehen, sondern die Menschen um sich herum mal beobachten.
      Warum tun Menschen etwas?
      Beim Glauben ist das sogar sehr einfach.
      Streng Gläubige folgen bedingungslos, weil es so in der Bibel steht.
      Etwas zu Hinterfragen ist Gotteslästerung. Und man soll der Obrigkeit gehorchen und dienen. Sprich Könige, Kaiser und Präsidenten.
      Das selbstständige Denken wird aber nicht nur in den Religionen möglichst unterdrückt.
      Überlegt mal, warum seit jahrzehnten die selbe Partei in eurem Ort an der Macht ist?
      Ganz einfach, mit dem Vertreter ist man zur Schule gegangen und einmal im jahr beim Stadtfest trinkt der mit einem nen Bier oder isst ne Bratwurst und ausserdem hat man den ja schon immer gewählt. Selbständiges Denken Fehlanzeige.
      Aber durch die unreligiöse Generation heute, die einen freien Geist besitzt, wird auch für Regierungen und Machthaber es immer schwieriger ihre Macht zu erhalten.
      Noch nie waren Wahlergebnisse so schwer vorauszusagen wie heute und das ist auch gut so. Nicht der von Gott berufene sollte regieren, sondern der, der sich für das Volk einsetzt.
      Und aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Religion an sich nur ein Vorwand für viele andere Dinge ist.
      Wasser predigen, Wein trinken. Das ist hier der richtige Satz.
      Hatte schon viele Unterhaltungen und augenscheinliche Erfahrungen.
      Und davon sind bis jetzt ALLE noch so Gläubigen betroffen, selbst die “Frommsten”, wie meine Oma.
      Morgens predigen, du sollst deinen Nächsten lieben und ne Stunde später die Nachbarn verteufeln, weil das Weltliche sind und man mit weltlichen Dingen nichts zu tun haben will.
      Seit ich drauf achte, fällt mir auf, dass all diese Leute genau das Gegenteil von dem tun, was sie predigen und sich aussedem in fast jedem Satz selbst widersprechen.
      Und an der Stelle kommt das heilige Buch genau richtig, weil man nichts anzweifeln darf.
      Sei der Zweifel auch noch so angebracht oder steht mittlerweile heute nachweislich nicht die Wahrheit in der heiligen Schrift.
      Und genau deshalb höre ich auch von meinen Eltern usw, dass wir heute eine furchtbare Zeit haben, wie nie zuvor und das Ende bald naht.
      Keine Kreuzzüge durch ganz Europa und über 60 Jahre ohne Krieg ist wirklich furchtbar, da muss man einfach zustimmen. Keiner muss zumindest in Deutschland oder gar Europa mehr hungern. Da wünscht man sich doch die gute alte friedlichen Zeit des Mittelalters zurück, wo die Menschen an Pest, Krieg und Cholera schon in jungen Jahren gestorben sind;)

    43. Richard Dawkins: Der Gotteswahn « LeseLustFrust Says:

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