Bad Vibrations

February 25th, 2005

Freundlicher Hinweis auf die Bedeutung von Dreadlocks

Zunächst beziehen sich die Rastas auf die Bibel, auf das sogenannte “Nazarite Law” (4. Mose 6:5), in dem vorgeschrieben wird, daß für die Zeit ihres Gelöbnisses weder Schere noch Messer das Haupt besonders geheiligter Personen berühren darf.

Die Trennung von sakral und profan, von Religion und Leben, wie sie sich in unserer Gesellschaft mehr oder weniger stark ausgebildet hat, lehnt Rasta gerade ab.

Rasta-Frauen: Marginalisierung

Frauen waren in der Rasta-Bewegung von Anfang an in der Minderheit. Zu einer Marginalisierung von Rasta-Frauen im rituellen Kontext kam es jedoch erst ab den 50er Jahren: Ein großer Teil der radikalen Dreadlocks-Rastas, die in den 50er und 60er Jahren entscheidend an der Entwicklung der grundlegenden Vorstellungen, Verhaltensweisen und Tabus der Rasta-Livity beteiligt waren, praktizierte eine asketische Lebensweise und hielt sich von Frauen fern. Aus dieser Zeit stammt die noch heute bei vielen Rasta-Männern vorherrschende Auffassung, daß Frauen für Männer (wegen der Erregung von sexueller Lust und Eifersucht) eine Ablenkung von religiöser Kontemplation bedeuten und in diesem Sinne als unrein gelten.

Rasta-Frauen attackieren vor allem folgende weit verbreiteten Einstellungen bzw. Praktiken:

– die Auffassung, eine Rasta-Frau könne nur durch ihren Kingman göttliche Inspiration erlangen;

– die Ausschließung oder Marginalisierung von Frauen bei Rasta-Ritualen;

– Konzeptionen von einer Unreinheit der Frauen, vor allem im Zusammenhang mit der Menstruation;

– orthodoxe Kleidungsvorschriften;

– das Tabu, Verhütungsmittel zu verwenden;

– Polygynie.

Kritische Rasta-Frauen vermeiden oft eine Zuspitzung und ein öffentliches Austragen von Konflikten innerhalb der Bewegung, um nicht dem Babylon-System Argumente für die Bekämpfung der Bewegung zu liefern.

Ausschluß

Am Reasoning der orthodoxen Rastas nehmen Frauen höchstens als Zuhöherinnen teil, und auch am Trommeln, Singen und Tanzen während der Nyabinghi-Veranstaltungen beteiligen sich meist ausschließlich Männer. In orthodosen Rasta-Gruppen ist es außerdem üblich, daß Rasta-Frauen nicht mit den Männern zusammen Ganja rauchen. Nach Auffassung orthodoxer Rastas gehören Gehorsamkeit, Bescheidenheit und Zurückhaltung zu den wichtigsten Verhaltensweisen, die von einer Rasta-Frau erwartet werden. Die entscheidende Bibelstelle, die den Rastas als Begründung für die Unterordnung der Frauen dient, ist Epheser 5,22-24. Dort heißt es:

“Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus); denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist; er hat sie gerettet, denn sie ist sein Leib. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, sollen sich Frauen in allem den Männern unterordnen.”

Während Rastas ansonsten bei ihrer Interpretation der Bibel sehr kreativ sind, wird diese Stelle von den meisten orthodoxen Rastas wörtlich genommen.

Verhüllung

Nach Ansicht orthodoxer Rastas dürfen Frauen keine Hosen tragen. Von ihnen wird erwartet, daß sie weite Kleidung tragen, um eine Betonung der weiblichen Körperformen zu vermeiden. Arme und Beine der Frauen sollen möglichst vollständig bedeckt sein. Die Beachtung dieser Kleidungsregeln soll bewirken, daß Rasta-Frauen weder in der Öffentlichkeit noch innerhalb von Rasta-Gemeinschaften bei Männern “unreine Gedanken” hervorrufen. Aus demselben Grund müssen nach der orthodoxen Auffassung Rasta-Frauen jederzeit ihre Dreadlocks bedecken, während das für Rasta-Männer nur in der Öffentlichkeit gilt. Außerdem ist das Auftragen von Make-up nach orthodoxer Ansicht für Rasta-Frauen tabu.

Gebärverweigerung macht Frauen zu Parasiten

Für die meisten Rastas ist Abtreibung Mord und damit eine der schlimmsten Sünden. Viele lehnen auch jede Art von Verhütungsmitteln kategorisch ab. Sie betrachten die Maßnahmen zur Geburtenkontrolle nicht nur als Manipulation der Natur durch den Menschen, sondern sehen darin auch eine konspirative Taktik Babylons, die darauf abzielt, alle schwarzen Menschen auszurotten.

Brother Miguel: “Abortion”

Don’t make them tie off your tubes

my sisters

Don’t make them steralize you

my brothers

Don’t make them turn you into a cemetary my sisters

Fire for the pill

Don’t be a seedless tree

That take but do not reproduce

That accept, but do not give

Then you are a parasite

Unreinheit

Viele Rastas nehmen keine Mahlzeit an, die von einer menstruierenden Frau gekocht wurde. Die extremste Form des Menstruationstabus herrscht bei den Bobo Dreads [zu denen sich Junior Reid zählt]. In deren Kommune müssen sich menstruierende Frauen vom ersten Tag ihrer Periode an für insgesamt 16 bis 20 Tage in ein sogenanntes Menstruationshaus zurückziehen. Während dieser Zeit ist ihnen jeglicher Kontakt zu den übrigen Mitgliedern der Kommune, vor allem mit den Bobo-Männern, untersagt.

Unnatürlich

Homosexualitat wird von ihnen mit Sextourismus und westlicher Dekadenz assoziiert. Sie gilt als eine Erfindung Babylons, also als etwas, was zur Zeit der Ancient days nicht existierte; deshalb halten die Rastas Homosexualität für unnatürlich und unafrikanisch. Die Behauptung, daß Homosexualität eine Erfindung der Europäer sei und im “alten Afrika” nicht existiert habe, wird auch in Afrika sehr oft benutzt, um die Tabuisierung von Homosexualität zu rechtfertigen (wie zum Beispiel in Mugabes Wahlkampfkampagne in Simbabwe).

Ethnopluralismus: Zurück zu den Wurzeln

Wenn es zum Beispiel in einer aktuellen Repatriation-Hymne (Bushman 2001: “Yadd Away Home”) nicht nur “Africa for Africans” heißt, sondern unter anderem auch “Europe for Europeans” und “Italy for Italians”, so stimmen diese Slogans – nimmt man sie aus dem symbolischen Rasta-Kontext heraus – sogar mit den Forderungen weißer europäischer Rassisten überein, die die Immigration aus den Entwicklungsländern nach Europa verhindern bzw. rückgängig machen wollen! [Fußnote: Zu einer Übereinstimmung weißer Rassisten mit den Forderungen von Angehörigen der afrikanischen Diaspora nach Repatriation kam es bereits Ende des 18. Jahrhunderts in England im Zusammenhang mit der Gründung von Sierra Leone (s. Bishton 1986: 73f.). Und auch Marcus Garvey erhielt in den USA Beifall von weißen Rassisten für seine separatistische Back-to-Africa-Rhetorik (s. Bilbo 1939 in Cronon 1973: 135-147)]

Die Schaffung des Eigenen soll eben gerade nicht ein Akt menschlicher Kreativität sein, denn menschliches Tun kann für Rasta nur zur Trennung dessen, was zusammengehört, führen. Das Schaffen des Eigenen ist… vielmehr ein Wiederfinden, ein Zurückführen zu etwas, was als Quelle angenommen wird.

Babylon muß brennen

Viele Rastafarians sind der Ansicht, daß die weiße Rasse als solche eine Verirrung ist. Ein Sündenfall, die Abkehr vom wahren, schwarzen Gott, ließ die Haut ausbleichen.

Das symbolische Niederbrennen Babylons (“burning down Babylon”) ist das zentrale Anliegen der Rastas bei ihren Nyabinghi-Zusammenkünften.

Blood and Fire ist eine weitere häufig von den Rastas verwendete Formel: Damit soll ausgedrückt werden, daß das Blut der Unterdrücker (“downpressors”) fließen muß, wenn Selassie sie mit seinem kosmischen Feuer verbrennt.

3. November 2002, Düsseldorf, ZAKK. “Give me some fire … Burn down Babylon!”, ruft Mellow Mark, der zusammen mit seiner Gitarre das Vorprogramm für Gentleman bestreitet…

Dann kommt Gentleman mit seiner Band auf die Bühne und läßt sich von der Massive feiern. Auch er trägt mit seinen Liedern zur Vernichtung Babylons bei: “A-just di fire-a-go bun dem. A-just di fire-a-go blaze dem…”. Deutsche Reggae-Artists wie Gentleman und Patrice sind nicht nur mit dem “Reggae-Virus” infiziert, sondern auch stark von Rastafari-Ideen beeinflußt.

Quellen: Volker Barsch: Rastafari – Von Babylon nach Afrika, Ventil Verlag Mainz 2003, S. 129ff., 133f., 141ff., 151, 170; Wolfgang Bender (Hg.): Rastafari – Kunst aus Jamaika, Bremen 1992, S. 12, 17f., 22f.

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