Antideutscher Folkloreabend

February 4th, 2006

Gestern abend fanden sich zumeist junge Antifas zum Partyfreitag der “Aktionswochen gegen deutsche Zustände” im Festsaal Kreuzberg ein. So sieht er also aus, der antideutsche Szenekonsens. Oder sind das nun die vielbeschworenen Softcore-Antideutschen?

Nein, veranstaltet wurden die Wochen von praktisch dem gleichen Zusammenschluß, der sich im letzten Jahr für die Antisexismus-Wochen zusammengefunden hatte. Böse Zungen behaupten, daß ein gemeinsamer Feind – die Sexisten und “Täterschützer” bei den “Hardcore-Antideutschen” – hier Einigkeit erzeugt hatte, wo es sie lange nicht gegeben hatte. Das BGAA hinter der Theke, der Antifaschistische Aufstand Köpenick an der Garderobe, an den Balkons die Banner “Solidarität mit Israel” und “Faschismus als patriarchale Ideologie angreifen”. So war denn auch im Festsaal noch die plumpeste antideutsche Folklore in Ordnung, sofern sie nicht mit der ‘Bahamas’ in Verbindung gebracht werden konnte. Am Einlaß war zu erfahren, daß Egotronic damit gedroht hatten nicht aufzutreten, wenn auf dem Hausverbot gegen einen ‘Bahamas’-Redakteur bestanden werden würde. Er durfte doch rein, der Eklat blieb aus, also wurde es lustig.

Erst wurde vorsichtig beäugt, ob man Knarf Rellöm so gut finden durfte wie zu Hause. Irgendwann gingen die unwillkürlichen Bewegungen Einzelner in kollektives Gewippe und Geschwanke über, was als allgemeines Okay akzeptiert wurde, so daß der Künstler sogar “sexy motherfucker” und “kommt näher, ich will euch spüren” stöhnen durfte. Unterdessen wurde hinter dem Tresen diskutiert, ob das mit Israel denn wirklich so okay wäre, denn Frauen hätten es dort auch nicht leicht. Droht uns aus dieser Richtung eine weitere Veranstaltung: “Sexismus in Israel – Keine Solidarität mit rassistischen und sexistischen IsraelInnen”?

Nun ja, Knarf Rellöm bot gegen Ende Bernadette la Hengst an der Gitarre auf und umgarnte den folgenden Auftritt von Plemo (“Ich will mit Mama weinen”), der dementsprechend auch erlaubt war.

Dann kamen als Headliner Egotronic (ja Headliner, Knarf Rellöm als Opener – so ändern sich die Zeiten), von Plemo mit dem Verweis auf seinen von Torsun bei der Trink-Lesung vollgekotzten Eimer angekündigt. Egotronic spielten, was sie immer spielen und rockten die Menge ordentlich (V36 als erstes Stück und als Zugabe nehme ich aber doch persönlich!). Leider rutschte Torsuns aus der Arschtasche seiner Hose herauslugender Danebro schon während des ersten Liedes in die Tasche hinein. (Wird das der nächste Fahnenstreit? Wer traut sich, mit einer dänischen Fahne durch Kreuzberg zu laufen?) Ich wiederum war nicht zugegen, als Torsun nach Rappern fragte, die auf seinen “weisz nicht”-Beat quatschen sollten. Magic Moment daher: Torsun sagt “Walser-Fischer-Möllewahn” an, Jan fragt: “A-G-F oder?”

Die anschließende Auflege ließ etwa bis zwei Uhr auf die erste Synkope warten, aus der dann aber in Gestalt eines Drum’n’Bass-Sets gleich ziemlich viele wurden. Ein paar Frauen verbrannten am Eingang einen Flyer mit antisexistischen Verhaltensmaßregeln – mehr Distinktion war nicht.

Für mich wurde das Politische dann recht privat, da ich – wie es unangekündigt alle paar Jahre geschieht – von einer erheblich konsequenteren Tramperin an einen unausgetragenen Persönlichkeitskonflikt meinerseits erinnert wurde. Ich bin Gelegenheitstramper, Reformist, domestizierter Nomade. Andere haben Zivilisationskrankheiten, ich habe Seßhaftigkeitskrankheiten. Oder ich bilde mir etwas ein. Handfest genug immerhin, um mich stundenlang herumwundern zu lassen, überfordert zu stammeln und mich etwa bei der Lektüre von “Ghost Riders” dazu zu bringen, mich dem Buch gegenüber beständig zu rechtfertigen.

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