Solidarität gegen Israel

August 12th, 2006

Als die Polizei darauf besteht, daß laut Demonstrationsauflagen das Tragen von Hizbollah-Fahnen nicht erlaubt sei, kommt es vorm Roten Rathaus noch vor Beginn des samstäglichen Aufmarsches “gegen den Krieg in Libanon und Palästina” zu ersten Rangeleien. Ein Fahnenträger will seine Fahne nicht rausrücken, es bildet sich eine Traube von Polizisten um ihn, schnell ist eine aufgebrachte Menge versammelt und ruft “Laßt die Leute frei”. Als wäre willkürlich gegen Unschuldige durchgegriffen worden, machen die späteren Teilnehmer der Demonstration ihrer Empörung Luft und schimpfen im traditionellen Autonomensound gegen den “Bullenstaat” sowie gegen “deutsche Polizisten, Mörder und Faschisten” – “…schützen die Faschisten” hätte ja auch nicht gepaßt, sie haben ja gerade einen verhaftet.

deutschland arafat

Überhaupt sind die Slogans alle etwas modifiziert und dem Anlaß angepaßt. “Kein Blut für Öl”, der bislang unbestritten populärste Rückgriff der Friedensbewegung in die völkische Propaganda, wurde ersetzt durch “Kein Blut für Macht.” Gerade sind Ölinteressen out, da es ja auch die europäischen im Iran gibt, die das ganze schöne Feindbild durcheinanderbringen. Auf einem Schild, das sich eine junge Frau umgehängt hat, steht: “Ihr verbreitet euch wie eine giftige Wolke über unser Land – Hauptsache Töten”. Damit meint sie vermutlich nicht die Hizbullah.

Als die Demo sich in Bewegung setzt, zeigt sich, daß sich noch hinter ganz anderen Slogans verschanzt werden kann. Es beginnen die bekannten sich hochschaukelnden Sprechchöre “Intifada bis zum Sieg” und “Hizbollah bis zum Sieg” und immer und immer wieder das genuin friedensbewegte “Nieder mit Israel!” Wiederholt bejubelt werden Nasrallah und Hugo Chavez, dessen Bild überall ist, während die Namen von westlichen Poltiikern als reine Reizsilben herausgeschrien werden: Bush, Blair, Olmert.

bush hitler

Der Eindruck, die meisten Demonstrierenden würden in Code sprechen, also nur das sagen, wovon sie sicher sein können, daß es erlaubt ist, obwohl sie anderes sagen wollen, verstärkt sich, als die zweistündige Demo am Potsdamer Platz ankommt. Während auf der Bühne der Abschlußkundgebung Wolfgang Gehrcke, Obmann der Linkspartei.PDS im Außenpolitischen Ausschuß des Bundestages, seinem Publikum ein harmonisches Bild von der möglichen friedlichen Zukunft im Nahen Osten zu zeichnen versucht, ruft ein junger Mann direkt vor der Bühne einen Satz ins Megaphon, der mit dem Wort “Juden” anfängt. Auf die Nachfrage, was er denn danach noch auf Arabisch gesagt hätte, beginnt eine Frau zu übersetzen: “Alle Juden sind…”, dann fährt ein Ordner dazwischen und sagt, nein, das hätte niemand gesagt, es wäre wohl um Israel und Krieg gegangen.

israelfahne hu

Im Ausklang kann am Verkaufsstand der MLPD ein Streitgespräch verfolgt werden zwischen einem eher klassischen Antisemiten, der jedoch Israel als Konsequenz des Holocausts anerkennt, und einem leninistischen Antizionisten, der Israel nicht als jüdischen sondern als imperialistischen Staat sieht. Es geht hin und her, da sich die Diskutanten nicht einigen können, ob das jüdische Kapital oder jüdische Religion hinter oder vor den USA oder diese wiederum neben Israel oder wo auch immer steht.

Die Eigenangabe der Veranstalter, die von 2000 Teilnehmenden sprechen, dürfte in etwa hinkommen.

(mehr Fotos und Bericht bei scrupeda, auch dagewesen: planet hop)

(FAQ: Nein, ich habe diesen Bericht nicht selbst bei indymedia reingestellt.)

23 Responses to “Solidarität gegen Israel”

  1. scrupeda » Bis zum Sieg gegen den Krieg Says:

    […] Noch ein paar Fotos mehr gibt es bei flickr, geschrieben haben auch classless und planet hop […]

  2. Markus Says:

    ““…schützen die Faschisten” hätte ja auch nicht gepaßt, sie haben ja gerade einen verhaftet.” – Sinnlose Polemik, here we come!

  3. nachfragen Says:

    Ganz unschön. In vielen kurzen Berichten war auch von jüdischen Vereinen die sich an der Demo beteiligt haben die Rede. Wie sag es denn damit aus?

  4. scrupeda Says:

    Es waren die gleichen ‘Juden für einen gerechten Frieden’ da, die auch schon auf der Pro-Israel-Demo am 28.Juli gegendemonstriert haben. Das waren aber sehr wenige Menschen, und andere jüdische Organisationen habe ich nicht wahrgenommen.

  5. ingo Says:

    na zum glück ist jetzt wohl den meisten klar was hier abgeht.
    die antisemtischen hasstiraden die gefallen sind dürfen nicht unkommentiert bleiben!

  6. classless Says:

    So wie das bei indymedia aussieht, ist es den meisten ganz offensichtlich nicht klar. Dort seiht es eher nach einer Mehrheit für den Versuch aus, die Kritik als Sache einer bekloppten Sekte einzustufen.

  7. brennessel Says:

    frage: was ist genau macht einen faschisten aus?
    nicht nur, dass durch den inflationären gebrauch dieses wortes -von fast jeder politischen fraktion- seine bedeutung und wirkung geschmälert wird, auch könnte mensch solches als latente schleichende geschichtsrevision betrachten, denn was ist schon geschichte?!

  8. nonono Says:

    Eine “latente schleichende Geschichtsrevision”? Weil der Anhänger einer antisemitischen Terrororganisation als Faschist bezeichnet wird?

  9. sub Says:

    Mir scheint es eher, als wäre da jemand mit der Erwartungshaltung auf die Demo gegangen, die schlimmstmöglichste Vereinigung aus NPD, Extremislamisten und “naiver” Friedensbewegung (Friedensbewegung, ja Pazifismus insgesamt scheint inzwischen per se “naiv” zu sein…) vorzufinden. Wenn man dann feststellen muss, dass die eigene Erwartungshaltung nicht mit der Realität übereinstimmt, redet halt jeder in Codes o.ä. und “Kindermörder Israel” bedeutet eigentlich “Baut die Gaskammern wieder auf”.
    Btw kommts mir persönlich bei “Kindermörder Israel” u.ä. auch hoch, deshalb (und aus vielen anderen Gründen) halte ich mich von solchen Demos auch fern, aber die Selbstverständlichkeit mit der jede Bewegung, die irgendwas mit Pazifismus oder (hier nocht, aber oft genug) Multikulti zu tun hat, auf die Anklagebank gestellt wird, ist mir mindestens ebenso zuwider. Hier geht die Neocon-Strategie voll auf: Wenn Begriffe wie Pazifismus oder Multikulti nur noch negativ belegt sind, hat die Linke nichts mehr, was sie einer “deutschen Leitkultur” oder neoimperialistischen Tendenzen der USA entgegenstellen könnte.
    Zurück zum Thema: was ich besonders problematisch finde ist, das bei solchen Demos mit Sicherheit (gerade in Berlin) auch viele persönlich Betroffene mitlaufen, das heisst Libanesen, deren Verwandte derzeit unter den Bombenangriffen leiden oder sterben. Diese werden gleich zweimal verarscht: einmal von den Partikularinteressen profilsüchtiger Linksparteien und ähnliches und dann nochmal von Diskussionen wie dieser hier.
    Die Antwort von Antideutschen u.ä. auf die Frage, wie sich solche Leute verhalten sollen, sieht dann meistens folgendermassen aus: “Wenn die es endlich schaffen würden, ihre faschistischen Systeme zu stürzen… Aber nein, die laufen ja alle mit bösen Hisbollah Fahnen durch die Gegend…”.
    Genau diese Argumente sind dann tatsächlich Code. Und zwar Code für: “Diese Dunkelhäutigen sind einfach nicht geeignet für unsere Demokratie, sonst würden sie ja ihre korrupten Systeme nicht unterstützen”. Solange der nichtkaukasische Teil der Weltbevölkerung von einem solchen rassistischen westlichen Blick wahrgeommen wird, braucht man sich nicht zu wundern, dass prowestliche Stimmen in der dortigen Welt kein Gehör finden.
    Solchen “Argumenten” fehlt schlichtweg jedes Verständnis für breitere geschichtliche Zusammenhänge, jahrhundertelang gewachsene Abhängigkeitsverhältnisse wirken sich nun mal automatisch auf soziale Strukturen aus…

  10. scrupeda Says:

    Das unappetitliche am Pazifismus ist ja gerade, wie gut er sich in deutsche ‘Leitkultur’ einfügt, und wie selten er sich gegen Deutschland, sei es als Kriegstreiber, sei es als Waffenlieferanten, wendet. Außer natürlich, Deutschland unterstützt gerade mal Israel statt ein Regime wie das im Sudan.

    Und zumindest von Seiten der minder platten Antideutschen ist genau das Teil der Kritik an Multikulti: Dass mit der Rede von kulturellen Eigenarten, die Respektiert werden müssten, gleich mit untergeschoben wird, dass Demokratie halt nichts für ‘die’ (um wen auch immer es eben gerade geht) sei und man halt nichts dagegen machen könne, wenn es bei ‘denen’ halt Sitte sei, ihre Frauen zu schlagen etc. (sowas wie just Geschehen in England: http://www.pickledpolitics.com/archives/703 )

    Zumindest ein Blick in die Blogosphere macht auch den Eindruck, dass das mit dem Gehör für prowestliche Stimmen zumindest etwas komplexer ist, auch wenn die mit zunehmender Dauer des Krieges stark abgenommen haben.

  11. classless Says:

    @sub

    Ich mag nicht behaupten, es gäbe keine rassistischen Kriegsbefürworter; das wäre natürlich Quark. Aber die Antideutschen haben als einzige linke Fraktion die libanesische “Zedernrevolution” des letzten Jahres als positiv eingeschätzt. Sie wurde eben nicht mit dem ansonsten recht populären kulturalistischen Argument weggewischt, die Libanesen seien noch nicht so weit, daß sei sicher alles von Amerika gesteuert, um die arabische Einheit zu hintertreiben usw. usf.

    Im Versuch der Loslösung von Syrien ein selbständiges Handeln eines großen Bevölkerungsanteils des Libanon zu sehen, dessen Erklärung auch ohne Steuerung und Ausverkauf auskommt, war hier in der Linken eine einsame antideutsche Position.

    Diese Bewegung hatte Chancen, hegemonial zu werden, aus der christlichen Bevölkerung auch in die muslimische überzugreifen und die libanesische Armee gegen die Hizbollah in Marsch zu setzen. Das hätte ich mir gewünscht, davon sprachen meine Mailkontakte im Libanon durchaus begeistert.

    Aber es ist nicht geschehen. Die Libanesen waren zu sehr in den fragilen Status quo verliebt, weil er zumindest mal kein Bürgerkrieg war, daß sie das drängendste Problem ihrer eigenen Sicherheit nicht angegangen haben und so die neuerliche Aufrüstung der Hizbollah zuließen. Hätte es mehr internationalen Druck gegeben, wäre das vermutlich anders gelaufen.

    Was in diesem Bild geht von einer biologischen Unterlegenheit der Bewohner des Libanon aus? Wie soll ich nicht darüber entsetzt sein, daß die Klerikalfaschisten jetzt auch in Berlin den Libanon repräsentieren? Wenn Pazifismus wirklich schon die Hälfte dessen sein sollte, was die Linke als Konsens auf die Straße bringt, dann ist das traurig und nicht die Schuld der Antideutschen.

  12. sub Says:

    @scrupeda: wegen Multikulti: zuallererst ist die Linke am Niedergang des Begriffs natürlich schon alleine deshalb Schuld, weil sie statt der angebrachten “Multikulturellen Gesellschaft” den Diminutiv verwendet (ich natürlich auch, aber jetzt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen…). Erstgenannte jedoch ist Realität und als Alternative stände nichts anderes zur Verfügung als: Monokultur = Leitkultur. Klar ist es beschissen, dass Multikulti heute vor allem mit Ströbele und Karneval der Kulturen in Verbindung gebracht wird. Das Bild, das ersteren Wahlplakate und zweitere Veranstaltung insgesamt vermitteln, ist tatsächlich extrem kulturalistisch und verfehlt vollkommen, wofür eine Multikulturelle Gesellschaft eigentlich zu stehen hätte: Menschen verschiedener kultureller Herkunft leben gemeinsam in einer Stadt/Nation, ohne wahlweise ihr Leben von ihrer kulturellen Herkunft determinieren zu lassen oder aber dieselbe zu verleugnen und einem vagen Internationalismus zu huldigen. So utopisch wie sich das anhört ist das ganz nebenbei gar nicht. Ich selbst wohne in Neuköln und trotz aller Negativschlagzeilen funktioniert hier die empirische Multikulturelle Gesellschaft im Alltag zu 99% hervorragend. was die Kritik an Pazifisten an geht, die Deutsche Waffenlieferungen an den Sudan gutheissen oder ähnliches gebe ich Dir natürlich vollkommen Recht, eine vernünftige Gegenposition zu “Pazifismus” im Wortsinne sehe ich aber nirgends.
    @classless: Du kennst Dich sicherlich um einiges besser mit dem Verlauf des Nahostkonflikts aus, deshalb möchte ich die Zedernrevolution hier nicht ausführlich diskutieren (wie ich überhaupt hier gar nicht vorhabe, Gegen/für Israel Partei zu ergreifen etc das überlasse ich anderen, da reden in Deutschland jetzt schon viel zu viele mit), nur eine kurze Anmerkung: diese “Revolution” scheint ja von der christlichen Bevölkerungsminderheit ausgegangen zu sein, die zu weiten Teilen mit der Mittel/Oberschicht identisch ist, eine Identifikation mit diesem Bevölkerungsteil fällt – aufgrund ähnlichem kulturellen Background – natürlich leicht. Was wie gesagt nicht heissen soll, dass die Zedernrevolution nicht vielleicht doch eine gute Sache gewesen wäre, wie gesagt, ich bin kein Experte. Aber klar, rassistisch ist diese Position soweit noch nicht. Allerdings fehlt mir trotz allem ein wenig Empathie für diejenigen Libanesen, die jetzt in Deutschland gegen Israel protestieren. Leute, die Angst um ihre Familienmitglieder haben und darum gegen diejenigen protestieren, die ihr Leben bedrohen (und ja, das ist wiederum rein empirisch derzeit tatsächlich die Israelische Armee) als Klerikalfschisten zu bezeichnen, halte ich für äußerst fragwürdig (um nicht gleich ein weiteres Unwort, nämlich “zynisch” zu benutzen). Den Libanesen ihre antiisraelische Haltung zum Vorwurf zu machen ist genauso akademisch wie ein Vorwurf an Israelis, sie hätten Vorurteile gegen Araber (wenn die Gefahr besteht, von diesen in der Fußgängerzone in die Luft gesprengt zu werden, sind gewisse Antipathien unumgänglich). Den Libanesen vorzuschreiben, sie hätten hinter den israelischen Raketen doch bitte als wahre Schuldige die Hisbollah auszumachen (nochmal: ob das stimmt oder nicht, ist nicht mein Thema)ist aus sicherer Entfernung sehr einfach, dass dies jedoch eine unmögliche weil angesichts der menschlichen Erfahrungswirklichkeit unrealistische Erwartung ist, zeigt schon alleine die Tatsache, dass inzwischen auch die christliche Minderheit zu weiten Teilen hinter der Hisbollah steht. Und ja, in dem dadurch zum Ausdruck kommenden Missverhältniss, was die Empathie für Israelis einerseits und Libanesen andererseits angeht, entdecke ich dann doch wieder eine rassistische Komponente, die allerdings struktureller Natur ist und kein wie auch immer gearteter Vorwurf gegen Dich persönlich.

  13. nonono Says:

    “kulturelle Herkunft…” – Oh je.

    Und wieso ist christlich und Mittel/Oberschicht ein ähnlicher kultureller Background wie beim lieben klassen- und glaubenslosen armen Schreiberling hier?

  14. sub Says:

    Mittel/Oberschicht: Nur eine Vermutung, wenns nicht stimmt und er stammt aus der Arbeiterklasse, bitte berichtigen. Btw ist die Klassenstruktur Deutschland auf den Libanon natürlich sowieso nicht übertragbar, was im Libanon Unterschicht ist, existiert hier faktisch nicht.
    Was die Religion angeht, so fällt Empathie mit einer Religion, die man kennt und die hierzulande zu weiteren Teilen säkularisiert ist, auch dann um einiges leichter, wenn man ihr selbst nicht angehört.
    Das sollte sich allerdings eigentlich beides von selbst erklären, denke ich.

  15. classless Says:

    Naja, Arbeiterklasse zwar der Herkunft nach, aber das ist ja genau das Problem: Ich lehne die Einstufung von Menschen nach ihrer Herkunft ab und finde entsprechend auch die Selbtsethnisierung und Selbstkulturalisierung, wenn sie ernstgemeint ist, furchtbar. (Mittlerweile ist in der Familie fast niemand mehr Arbeiterklasse, so schnell geht das… Ich selbst? Gelegenheitsselbständiger zur Finanzierung von Tramprecherche, Schreiben und baldiger Auswanderung? Was ist das für ein Klassenhintergrund?)

    Mir fällt auch die Empathie mit dem Christentum nicht leicht, da ich seine haltbaren ethischen Konzepte eher der jüdischen Religion zusprechen würde und – viel wichtiger – weil ich Glauben an Erklärbares für eines der größten Übel der Welt halte. Die Abstraktion von Inkommensurablem ist eine offenbar unverzichtbare Funktion von Religion, sofern sie die ausübt, aber jeder Eingriff in die Begreifbarkeit der Wirklichkeit rangiert in meinem Ermessen unter Verbrechen.

    Wenn du mich unbedingt diesbezüglich klassifizieren willst, dann schau dir die Diskordier an, denen ich mich religiös am nächsten sehen würde.

    Anyway, wenn du daran interessiert bist, die Diskussion fortzusetzen, dann unterstell mir bitte nicht, ich würde alle trauernden Libanesen als Faschisten bezeichnen. Das habe ich nicht getan. Wer jedoch mit einer Hizbollah-Fahne herumläuft, trauert nicht hauptsächlich, sondern unterstützt die mit Abstand blutrünstigere Kriegspartei, deren Posotion ich nicht anders als faschistisch einzuschätzen vermag und die ich gerade im Sinne der “westlich orientierten” Libanesen grauenvoll finde.

  16. sub Says:

    Abschließend zur religion: wie ich ja eigentlich bereits geschrieben habe, ist es mir letztlich ziehmlich egal, ob Du Christ, Satanist, Diskordianer oder sonstirgendwas bist, entscheidend für mein Argument ist, in welchem Umfeld Du Dich bewegst und dieses Umfeld ist nunmal christlich-säkular geprägt. Falls ich Dich wiederum falsch einschätzen sollte und Du stammst eigentlich aus einer orthodox muslimischen Familie und bist erst vor kurzem aus dem Iran nach Deutschland gezogen, kannst Du mich gerne korrigieren…
    Du weisst schon: Marx: Das Sein bestimmt das usw. Für die nochmalige Bestätigung dieser Erkenntniss taugt Dein letzter Beitrag ja auch wunderbar: Die Beschreibung nach (sozialer) Herkunft ist in der Tat in Deinem spezifischen Fall nicht allzu sinnvoll, aber nur, weil Du im spätkapitalistischen (oder anderen, treffenderen Begriff einsetzen, der weniger theleologisch konnotiert ist) Deutschland, noch dazu in Berlin, der hybridesten Deutschen Stadt überhaupt befindest. Du schreibst es ja selbst: mittlerweile ist kaum noch wer in Deiner Familie Arbeiterklasse. Denk Dich mal ein Jahrhundert zurück, damals sah das noch ganz anders aus: wer in die Arbeiterklasse geboren wurde, blieb im Allgemeinen auch dort. Und – Überraschung – in vielen Teilen der Welt ist das auch heute noch so und deshalb ist dort die Beschreibung eines Menschen (noicht: Klassifizierung und schon gar nicht: moralisches Urteil, es geht um Macht, und sonst um gar nichts) nach sozialer Herkunft auch nach wie vor sinnvoll.
    Anderes Beispiel: Hast Du Dir mal überlegt, warum im Libanon zwar Christen und Muslime eine wichtige Rolle spielen, nicht aber Diskordianer? Natürlich weil Diskordianertum eine Internet-Geek Religion ist, die – wie andere Glaubensbekenntnisse (in ihrer empirischen Ausprägung, nicht in ihrer Doktrin) eben an spezifische soziale Strukturen und – ja, das auch – Produktionsverhältnisse gekoppelt ist.
    Du kannst es drehen oder wenden, wie Du willst: Jede Aussage hat einen Ort, von dem sie spricht und Deine selbstverständlich auch.
    Eine theoretische Position, die nicht nur kein Konzept hat, wie kulturelle bzw soziale Strukturen auf das Individuum einwirken, sondern schlichtweg einen Zusammenhang zwischen beiden leugnet, ist in meinen Augen untragbar und mir sonst nur von Rational-Choice-Idioten bekannt. Ach ja, vielleicht noch von Hardcore-Behavioristen… Und ja, solchen Positionen haftet aufgrund dem spezifischen Ort, von dem sie sprechen, ein imanenter struktureller Rassismus an, der innerhalb ihres eigenen Theoriegebäudes weder isolierbar noch überwindbar ist.

    In diesem Sinne nochmal zu den Libanesen (wahrscheinlich zum letzten Mal, denn ich glaube nicht, dass wir einen gemeinsamen Nenner finden):
    Wenn wir für einen Moment in bester konstruktivistischer Tradition (und der solltest Du als Vulgärpoststrukturalist ja nahe stehen) einmal ausser acht lassen, ob Deine Aussage, die Hisbollah sei die blutrünstigste Kriegspartei, nun wahr oder falsch ist, können wir das Verhalten eines Libanesen, der eine Hisbollah-Fahne schwingt, auf zweierlei Arten auslegen:
    1: Er ist ein Faschist.
    2: Er kommt ganz offensichtlich bei der Analyse der Situation zu einem anderen Schluss als Du.
    Nummero 1 ist rassistisch.
    Nummero 2 nicht.
    Natürlich kann man dabei nicht stehenbleiben. Zu fragen ist, WARUM der Libanese zu einem anderen Schluss kommt als Du.
    1: Er ist zu blöd.
    2: Er ist durch Propaganda verblendet.
    3: Er befindet sich in einem anderen kulturellen Kontext (Kultur als Gesamtheit aller in seiner persönlichen Lebenswirklichkeit vorhandenen Texte und Strukturen) sowie in einem anderen emotionalen Verhältnis zu der Situation als Du.
    Nummero 1 ist rassistisch.
    Nummero 2 ist entweder auch rassistisch oder führt zu der unschönen Annahme, dass wir alle nur das Produkt der Texte sind, die uns umgeben.
    Nummero 3 ist nicht rassistisch und auch nicht fatalistisch, da sie klar macht, dass jedes Individuum Handlungs- und Erkenntnissmöglichkeiten besitzt, diese jedoch begrenzt werden durch den spezifischen kulturellen Kontext sowie seine sagen wir mal in Ermangelung eines besseren Ausdrucks physisch-emotionale Einbettung in die Welt. Um dies analysieren zu können, mus man sich jedoch zuerst einmal über die eigene Situation und die relationalen Bedingtheiten des eigenen Sprechaktes im Klaren sein. Und davon scheint man hier noch weit entfernt zu sein…
    Nochmal: diese Sichtweise “relativiert” und “entschuldigt” erstmal gar nichts, wie man es Ansätzen, die sich in welchem Sinne auch immer auf “Kultur” berufen gerne vorwirft. Sie nimmt einfach nur zur Kenntniss, dass politisches Handeln von Individuen mit Machtstrukturen in Verbindung steht.

  17. Hagbard Jesus Celine Says:

    Die Diskordier sind eine Internet-Religion? Seit den Sechzigern? Sie spielen im Libanon keine Rolle, aber wo spielen sie denn eine Rolle? Genau wie in den USA, wo sie dir gemäß ihren Sprechort haben, haben sie geistig Nahestehende, also ähnlich dekonstruktivisisch Religiöse im arabischen und persischen Adel, im arabischen und persischen Klerus, im arabischen und persischen Bürgertum, unter arabischen und persischen Bauern, über die Arbeiterklasse weiß ich diesbezüglich nichts. Es werden dort nicht mehr sein als hier, aber auch nicht weniger.

    Das Sein bestimmt das Bewußtsein bestimmt das Sein bestimmt das Bewußtsein bestimmt das Sein bestimmt das Bewußtsein …

    Ach ja, und ich lese hier das Blog eines “Vulgärpoststrukturalisten” – ist mir noch nicht aufgefallen.

  18. sub Says:

    Das Sein bestimmt das Bewußtsein bestimmt das Sein bestimmt das Bewußtsein bestimmt das Sein bestimmt das Bewußtsein …

    Ach ja, und ich lese hier das Blog eines “Vulgärpoststrukturalisten” – ist mir noch nicht aufgefallen.

    Der erste Absatz erklärt den zweiten…

  19. Hagbard Jesus Celine Says:

    Wenn Sie noch mehr Antworten haben sollten, ich hätte da bestimmt Fragen für Sie.

  20. sub Says:

    Falls Dein Anliegen ein möglicherweise etwas didaktischer Stil ist, der sich bei mir eingeschlichen haben soll, bitte ich diesen zu entschuldigen. Das kommt manchmal vor und ich bitte, meine Ausführungen so zu verstehen, wie sie gemeint sind (und dem Medium, in dem wir schreiben, damit angemessen): als Versuche, gleichzeitig die eigenen Thesen, Meinungen, Gefühle etc durch Ausformulieren zu testen und andere, mir widerstrebende Thesen, Meinungen, Gefühle genauer kennen zu lernen. Und vielleicht, eventuell, zu einem Austausch zu gelangen.
    Falls der “Vulgärpoststrukturalist” irgendwen beleidigt hat, nehme ich ihn hiermit zurück.
    Wenn Du Dir meinen letzten längeren Beitrag noch einmal genauer anschauen würdest, würdest Du vielleicht erkennen, dass ich mit Deinen Ausführungen über dekonstruktivistische Tendenzen minoritärer islamischer Gruppierungen nicht einverstanden sein kann, da es mir um empirische Manifestationen religiöser Bekenntnisse geht, die eingebettet sind in vielfältigste Diskurse und nicht um den Wortlaut irgendwelcher heiligen Schriften oder vergleichbares.

  21. classless Says:

    Diskutiert mal bitte alleine weiter, ich hab zu tun.

  22. alkohol Says:

    Hinterher ist man immer schlauer. Im Nachhinein muss man wohl sagen: Israel hat die Hizbollah 2006 im Libanon an die Macht gebombt.
    Aber das ist auch ja gar nicht gegen das strategische Kalkül. Hat Israel nicht auch die Hamas unterstützt, um die PLO zu schwächen? Jedenfalls ham die USA Hussein mit aufgebaut als Gegengewicht zum religiösen Regime neben an im Iran. Die Taliban wären wahrscheinlich woanders, wenn sie in den 80’ern keine bequem von der Schulter abschießbaren Stinger-Flugabwehr-Raketen geschenkt bekommen hätten.

    Was ließe sich daraus lernen?
    Dumm ist es nur, irgendwelche Fahnen zu tragen und naiv für eine Seite zu sein.

  23. Impression aus der Berliner Innenstadt | meta.copyriot.com Says:

    […] USA”. Das erscheint alles wie ein Flashback zur ‘Friedensdemo’ 2006, inklusive MLPD und Linke, wobei das direkte Preisen der Hamas im Vergleich zur Hizbullah zumindest […]

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