Lem und Tichy für Nichtpuristen

April 3rd, 2007

Die angekündigte Fernsehserien-Fassung der “Sterntagebücher” kann beim ZDF per Stream geschaut werden (Folge 1 und Folge 2) . Ich bin noch nicht so sicher, was ich davon halten soll, freue mich aber darüber, daß nächsten Donnerstag in der c-base beim “Weltraumkommunismus” mehr Leute als sonst wissen dürften, wer Ijon Tichy ist. Für alle, die meine Kommentare nicht abonniert haben, hier die Meinung der geneigten Leserschaft.

Einerseits Dirk:

>>Dass ich Lem’s Bücher (inkl. Sterntagebücher) auch schon in den jungen Jahren, die classless erwähnte, gelesen habe, war absolut kein Hinderniss, denn “frei nach Lem” heißt soviel wie “inspiriert von Lem” – nicht mehr und nicht weniger.

Viele finden ja auch diesen eigenartigen Dialekt (Deutsch mit polnischer Grammatik plus mehr) fragwürdig. Ich hingegen bin davon total positiv aus dem Häuschen. Ich mag ihn sosehr, dass ich ihn dem steifen Deutsch fast vorziehen mag. Der Humor der Serie ist grandios. Ijons Charakter in der Serie finde ich wirklich gelungen. Ein Kautz zum Liebhaben. Die trashige Altbauwohnung als Rakete – eine geniale Idee. Ja, und die Serie transportiert auch etwas von Lems Humor wie ich ihn verstehe und ich bin fast überzeugt, dass er es gemocht hätte.<< Andererseits Ungi: >>Mit dem Akzent hab ich ein beim Sehen oszillierendes Verhältnis.
Einerseits funktioniert er durchaus ironisch. Es ist auch nicht verboten, Lem (dem es most definitely nicht gefallen hätte) vom Sockel zu holen. Aber der Verdacht, dass das ZDF die Serie nur produziert hat, weil so ein Akzent sie auch für den Blödesten als “Comedy” erkennbar macht, trübt das Vergnügen natürlich schon.

Sonst fand ich es tolerierbar. Die erste Folge verlässt sich bloß auf Skurrilität und funktioniert nicht so gut, aber die zweite hat ein paar wirklich lustige Momente, meistens bei den von Lem direkt übernommenen Sachen. Das Planetendesign wäre auch noch zu loben. Leider gibt’s auch Stellen, wo generisches deutsches comedy-writing aus dem Gebüsch bricht.<< Oliver Jahn als Ijon Tichy

5 Responses to “Lem und Tichy für Nichtpuristen”

  1. Philip Says:

    Nicht, dass es was ändert, aber die Serie wurde ja nicht beim ZDF konzipiert, sondern ist nur das aufs Fernsehformat ausgewalzte (und um Nora Tschirner ergänzte) ältere Filmchen von Studenten an der dffb.

  2. Tarantoga Says:

    Ich hoffe, dass diese Klamaukdusche die Idee popularisiert Lem noch mal richtig anzufassen.

  3. Zugezogener Says:

    Man muss das gar nicht so eng sehen. Okay, ich habe nicht schon mit der Muttermilch Lem verabreicht bekommen, aber ich sehe das mehr als ein Ding für sich. Wie heißt das hier? Sie haben Lem eben als Michsvorlage verwendet. Und dann ist das schon komisch. Erkan & Stefan haben Proll-Content mit Migrantenslang verbunden, immerhin wird das sympathischerweise ans Jiddische gemahnende polisierte Pidgindeutsch jetzt mit Weltraum-Content assoziiert. Geht doch klar.

  4. base is the place Says:

    Multiperspektivisch betrachtet isset janz schön eintönig. Unterm Strich steht aber eine Zahl. Es geht doch.

  5. Edgar Lösel Says:

    Wie die Fernsehserie “Ijon Tichy – Raumpilot” zeigt, eignen sich Lems Stoffe auch als Sprungbrett für liebevoll gestalteten Klamauk. Genauso wie sich ein inhaltlich schwergewichtiger Roman wie “Solaris” als intimes Beziehungs-Kammerspiel umdeuten lässt, wie es Steven Soderbergh gezeigt hat. Letztlich muss jeder für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: eine wie auch immer geartete Werktreue oder die Freiheit, ein Werkes auch mal als “Michsvorlage” (sic) zu verwenden. Kleine Inseln der Kreativität schaden dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen jedoch keinesfalls. Es bleibt zu hoffen, dass auch intelligente Filmemacher das Potential des Lemschen Ouevres für das Kino entdecken.

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