Immer ums Ganze drumrum

December 13th, 2007

Ein kleines Sammelposting für mich selbst: der Nachhall des von mir versäumten Ums-Ganze-Kongresses in der Blogosphäre. Noch mal aus der Ankündigung:

>>Das Bestreben jedenfalls, jeden Versuch der Intervention als per se ressentimentgeladen zu denunzieren, geht an der Realität vorbei. Man muss sich schon die Mühe machen, sich in Auseinandersetzung zu begeben und die konkreten Mechanismen der Integration zu benennen und zu bekämpfen. Das hat mit der Suche nach Freunden nichts, aber einiges damit zu tun, sich auch mal die Hände schmutzig zu machen. Die Frage ist dabei: welche Intervention wird wie begründet und führt zu was?<< Karwan Bashi, just returned home:

>>Der Postoperaismus ist mir immer noch nicht geheuer, auch wenn der ‘Empire’ – Quark sogar von seinen Vertretern in die Kritik genommen wird.<< Und später dann in Ruhe:

>>Die gewünschte Konfrontation von Postoperaismus und Wertkritik ist zur kuscheligen Suche nach Gemeinsamkeiten verkommen. Ergebnis: Beide sehen im Zusammenbruch des Fordismus eine Krise des Kapitals, interpretieren sie aber unterschiedlich. Die Einen betreiben Formenanalyse unter Ausblendung gegenwärtiger Kämpfe, die Anderen machen das Gegenteil – fertig.<<

Emanzipation oder Barbarei ausführlich und mit Bildern:

>>Anschließend machte Peter Decker vom Gegenstandpunkt das, was Leute vom Gegenstandpunkt immer machen: er hat sog. “Argumente” vorgetragen, die mit der eigentlichen Diskussion wenig bis gar nichts zu tun hatten.<<

(EOB wiederum hier kritisiert.)

Steffentreffen einmal und noch mal:

>>Das Ums Ganze Bündnis hat mit diesem Kongreß die Kritik der Politischen Ökonomie innerhalb der autonomen Linken wieder hip gemacht. Es gibt dort ein aktuelles Interesse an der “Überwindung des Kapitalismus”, deswegen kommt es in Teilen auch zu richtigen Diskussionsansätzen.<< Schorsch: Ich bin ein revolutionäres Subjekt, holt mich hier raus:

>>Der Kongress war m.E. ziemlich gut organisiert, es gab einen Kongress-Reader und einführende Begriffserläuterungen. Außerdem gab’s Ausgaben des GSP, der Jungle World und einen Reader zu studentischen Verbindungen und weiteres Infomaterial umsonst, was die Anfahrtskosten etwas kompensierte.<< Phex: I survived Ums Ganze Kongress 2007:

>>Eine Bewegung welche die Warenproduzierende Gesellschaft nicht abschaffen will, wird dies auch nicht tun, auch wenn die Postoperaisten ihr dieses gerne andichten.<<

Eine Dokumentation samt Audiomitschnitten und Diskussion gibt’s bei Keimform.

5 Responses to “Immer ums Ganze drumrum”

  1. Jasper Says:

    Hi-

    der zitierte Ausschnitt stammt zwar aus meinem Blog, wurde aber als Kommentar von Jakob abgegeben.

    Liebe Grüße,
    Jasper

  2. Jasper Says:

    Argh, natürlich auch das nicht, sondern: Vom “Ums Ganze”-Blogsport, wo ausführlich zu dem ganzen Themenkomplex Stellung genommen wird: http://umsganze.blogsport.de/. Habe ich auch getreulich als Zitat verlinkt.

  3. classless Says:

    Oh ja, don’t work and blog… Gleich geändert.

  4. groupe ourson Says:

    delete_party_program

    Die Ankündigung für den „Ums Ganze“-Kongress verspricht nicht nur die Welt zu erklären. Sie ist auch ein Zeugnis für den Zustand dessen, was gemeinhin als „linke Szene“ bezeichnet wird. Der Veranstaltung kommt daher mehr eine diagnostische Funktion zu, als dass sie substanziell neue Einsichten liefern wird.

    Wer sich die drei Folgen von „Ums Ganze-TV“ auf Youtube angesehen hat, der wird verstehen, was sich die Beteiligten unter der Triade Theorie-Organisation-Praxis vergestellt haben. Verweist die Reihenfolge der Begriffe vermutlich auf die intendierte Abfolge der Schritte hin zur kommunistischen Revolution, so führt die Internet-TV-Serie vor, wie sich eine Symbiose aller drei Momente zu einer – wie könnte es anders sein – dialektischen Einheit darstellt. Die audiovisuelle Botschaft ist klar: das „Schweinesystem“, „Staat und Kapital“ und Bereitschaftspolizisten gilt es durch „Krawall und Remmidemmi“ zu bekämpfen. Als theoretisch reflektierter Zusammenschluss will man jedoch „Pseudoaktivität“ vermeiden und lieber den „unversöhnlichen Akt der Negation“ wählen. Was dieses kryptische Raunen aber bedeuten soll – das, so lässt sich vermuten, soll auf dem Kongress zu Wertkritik und (Post)Operaismus geklärt werden. Moment? Kam die Theorie nicht vor der Praxis?

    Doch zurück zur Ankündigung. Die grundsätzlich begrüßenswerte Entscheidung, einen Kongress zu veranstalten, auf dem Fragen der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation mit Hinblick auf ihre Veränderung geklärt werden sollen bekommt einen faden Beigeschmack beim Blick auf die Liste der Referent_innen. Wer sich das Label „Theorie“ zueigen macht, der muss sich auch dem zwanglosen Zwang des besseren Arguments unterwerfen. Doch ein solches Verfahren wird umgangen durch vorzeitige Auswahl des Sag- und Denkbaren und der ressentimentgeladenen Indifferenz gegenüber dem, was anderes besagt. So ist ein gros der Beteiligten aus dem Umfeld der Zeitschriften Krisis und Exit! als den Zentralorganen der wertkritischen Fraktion. Dieser esoterische Verein muss nicht jedem bekannt sein und es fragt sich, warum die Veranstalter_innen ausgerechnet eine solche Auswahl treffen mussten. Die Selbstetikettierung als „links“ ist gerade in Zeiten der Vorherrschaft von Lechts und Rinks kein Grant für eine qualitativ hochwertige Einschätzung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse. Die platte Dichotomie: Wertkritk = „da geht nischts“ vs. Postoperaismus = „die Multitude bringst“, eignet sich nicht für eine Analyse komplizierter gesellschaftlicher Tendenzen. Auch wenn es sich nicht um eine „Verrätselung der Welt“ handelt, wie es denjenigen Leuten erscheint, für die die Dinge eh schon klar sind, so sollte doch vor einer Überformung eines reflektierten common sense durch pseudo-theoretisches Gelaber gewarnt werden. Ein Blick auf die drei Meter „Prokla“ im Regal genügt, um sich vor Augen zu führen, dass sich bereits einige Leute Gedanken über die Themen Kapitalismus, Klassenkampf etc. etc. gemacht haben. Sehr verwunderlich ist auch die Tatsache, dass der Beitrag der Gruppe TOP Berlin zu falscher Kapitalismuskritik (Jungle World, Nr. 44) nicht mit einem Wort Phänomene wie Antisemitismus und Antiamerikanismus erwähnt. Schließlich handelt es sich dabei um die zengtralen Themen des linken Diskurses in den letzten Jahren.

    Die Bedeutungslosigkeit einer solchen Veranstaltung resultiert u.a. aus dem Umstand, dass hier eine homogene „linke“ Masse gebildet wird, die den Kontakt zum wissenschaftlichen Mainstream und seinen kritischen Randgebieten schon längst gekappt hat. Was danach übrig bleibt ist eine Suppe aus adornitischem Brummen und marxistischen Stereotypen, in der „Praxis“ garniert mit chicker Elektromusik. Warum ist es nicht möglich Menschen einzuladen, die sich auch empirisch mit sozialen Kämpfen, ihrer Logik und ihrem emanzipatorischen Gehalten auseinandergesetzt haben? Warum muss der naive Versuch unternommen werden, Gesellschaft aus dem theoretischen Stehgreif zu erklären? Warum ist Kritik hier wieder auf „den Hautwiderspruch“ „des Kapitalismus“ fixiert? Wer entscheidet, wer woran am meisten leidet? Wie ist der normative Maßstab bestimmt, den wir an Gesellschaft in emanzipatorischer Absicht anlegen? Anstatt verzweifelt nach festen Makro-Interpretationen zu suchen sollte an erster Stelle die richtige Formulierung der theoretischen Probleme stehen. Das dies nicht annähernd im Aufruf geschieht ist traurig. Der linke Reflex gegen die als bürgerlich verschriene (Sozial-)Wissenschaft führt zur Selbstreferanzialität und zur Abkapselung von wichtigen Erkenntnisprozessen.
    Doch wie sollte sich diese Lage ändern, wenn die subkulturell angehauchte „Szene“ aus pupertierenden Jugendlichen und infantilisierten „Erwachsenen“ besteht? Vielleicht ist es ratsam die allgemeine Tendenz der Infantilisierung auch als Prozess innerhalb der „Linken“ anzusehen. Die pseude-proletarische Pose des „Ums Ganze“-Bündnisses soll mit einem intendierten Intellektualismus kombiniert werden, den man sich realiter dann lieber doch nicht zu eigen machen will. Was daraus spricht ist nicht die Einsicht in die historisch gewordene Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit und die zweifelhafte Divergenz ihrer Bewertungen als vielmehr ein praktischer Antiintellektualismus, der sich sein eigenes Unvermögen noch als Stärke zuschreibt und die Not zur Tugend verklärt. Die Parole „Ums Ganze“ ist nicht nur Zeichen der scheinbaren Radikalität, sondern wird auch zum Alibi für die reflexionslose narzisstische Darstellung: Wem es ums Ganze geht, der muss sich um Kleinkram nicht mehr kümmern. Verbalradikalität tritt an die Stelle materialer Arbeit. Ums mit Meister Teddy W. Adorno zu sagen: „Das von ihnen deffamierte Denken strengt offenbar die Praktischen ungebührlich an: es bereitet zuviel Arbeit, ist zu praktisch. Wer denkt setzt Widerstand; bequemer ist mit dem Strom, erklärte er sich auch als gegen den Strom, mitzuschwimmen. Indem man einer regressiven und deformierten Gestalt des Lustprinzips nachgibt, es sich leichter macht, sich gehenläßt, darf man überdies eine moralische Prämie von den Gleichgesinnten erhoffen.“ Die Orientierung am ganz Großen, denn darauf läuft de facto das Motto hinaus, suspendiert von der anstrengenden Arbeit, sich die Mannigfaltigkeit gesellschaftlicher Phänomene zu vergegenwärtigen und die Größe der Aufgabe wird transponiert ins Ego der Bekennenden.

    Felix Baums Kritik (Jungle World, Nr. 44) an den angeblich abstrakt-aufklärerischen Bestrebungen der Veranstalter ist zu entgegenen, dass die Beteiligten des „Ums Ganze“-Bündnisses keine Avantgarde sind, dass sie sich aber auch keinesfalls als eine solche ausgeben. Nicht ein aufklärerisches Anliegen gilt es zu kritisieren, sondern die sich in der „Praxis“ offenbarende Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Eine solche spektakuläre Praxis der Selbstbespaßung hat den Anspruch auf Intellektualität schon längst über Bord geworfen. Dem liesse sich die schwache Idee entgegensetzen, sein individuelles Leben so einzurichten, dass man sich nicht dumm machen lässt. Wie die vielen kleinen Auseinandersetzungen im Alltag so lässt sich intellektuelle Praxis auch nur denken als ein Alltagshandeln, das – ganz klassisch – auf Mündigkeit im besten Sinne des Wortes abzielt. Alles andere ist Politik. In diesem Sinne: Face the facts: „Just Communism“ is only a party program, not a party program!

    http://groupeourson.blogsport.de/

  5. godforgivesbigots Says:

    Und, irgendwelche greifbareren Ergebnisse als Annapolis?

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