While in England

February 13th, 2008

Alles blühte wie im Frühling, die Sonne schien praktisch jeden Tag auf die kleinen pastellfarbenen Häuser in der Straße, die Luft in London war mild und frisch. Umgehauen wurde ich stattdessen von der Heizung im Wohntrakt des Colleges, die die Raumluft so stark austrocknete, daß ich schon nach wenigen Stunden Aufenthalt aus dem Husten nicht mehr herauskam.

Nach den ständigen Erfahrungen mit völlig gewürz- und kräuterfreien englischen Speisen und einsetzenden Fragen bezüglich Imperialismus und Gewürzhandel gaben wir uns mit der Erklärung eines befreundeten Gelehrten zufrieden, Puritaner hätten Essen als reine Nahrungsaufnahme verstanden und daraus keine Lust beziehen wollen bzw. dürfen. Der insgesamt sehr gutsortierte Supermarkt um die Ecke verfügte über ein Gewürzregal, besser ein Gewürzfach mit im ganzen sieben verschiedenen Gewürzen. Immerhin gab es ja den indischen Lieferservice.

All available spices and herbs

Die nach wie vor höchst angenehme und erstaunliche Freundlichkeit, mit der einem überall begegnet wird, hat in der Anrede “Sir”, die mir gegenüber im Dienstleistungsbereich teilweise jedem einzelnen Satz nachgefügt wurde, eine ziemlich eklige Spitze.

Im Fernsehen hatten wir viel Spaß mit Music Box Russia, einem christlichen Erweckungssender namens ‘Inspiration’ und dem buddhistischen Supreme Master TV. Beim MTV wurde ein ‘Mobile Spy’ fürs Handy beworben – garantiert keine Funware! -, mit dem der Aufenthaltsort eines anderen Handys auf einer Karte verfolgt werden kann.

In der Schweiz scheinen ein paar Leute zu viel Saalschutz gehört zu haben. Sie machten einen Kunstraub, nachdem sie ermittelt hatten, welche Kunst sie rauben sollten und welche nicht. Die erbeuteten Impressionisten sollen mehr als 100 Millionen Euro bringen.

In der öffentlichen Debatte tauchte die Frage auf, Cannabis trotz stark rückläufigen Gebrauchs wieder in die B-Klasse heraufzustufen. Guardian-Journalist Nick Davies wirft der britischen Presse vor, zu bloßen Weiterleitern von Geheimdienst-Desinformation geworden zu sein und gebärdet sich dabei wie Mathias Bröckers, der auch sehr gern Ex-Kollegen mit anderen Auffassungen etwa über den Irak-Krieg als “Pre$$titutes” beschimpft. Im “Independent” gab es denn auch neben einem Auszug aus Davies’ Buch “Flat Earth Journalism”, in dem er die Rolle der Medien grotesk überzeichnet und die politische Rahmensituation praktischerweise einfach wegläßt, ein heftiges Rebuttal, das sich vor allem auf die kaum haltbaren persönlichen Angriffe gegen einzelne Journalisten und Davies’ häufige Verwendung anonymer Quellen zur Stützung seines Vorwurfs gegen mangelnde journalistische Sorgfalt konzentrierte.

Das Unangenehmste: Deutsche nachts im Bus. Einer, in Begleitung zweier Kumpels, schrie laut in die Menge: “Freßt meinen Schwanz! Freßt alle meinen Schwanz!” Ein anderer redete fast eine Viertelstunde auf den Busfahrer ein, um ihm klarzumachen, daß die gegebene Wegbeschreibung falsch war und er sich viel besser auskennen würde.

Viel netter: Auf dem Weg zum Flughafen saßen uns ein Mädchen und ein Junge gegenüber, sicher keine zehn Jahre alt, die mehrfach “Mr Hanky The Christmas Poo” sangen. Von ihrer Aufpasserin zur Stille ermahnt, bestanden sie darauf, daß es aber ‘such a nice song’ sei und sangen weiter, dabei selbst neue Zeilen hinzudichtend.

4 Responses to “While in England”

  1. bigmouth Says:

    ich glaube, jeder aldi nord hat mehr gewürze. plus mit sicherheit. aber ohne asialäden geht kochen eh kaum

  2. mei Says:

    das mit dem mobile spy kommt in dschland doch auch ständig im tv. ich muss jetzt aber mal überlegen, wie das hanky lied geht… ich hatte das mal als ohrwurm, sicher. aber will ich es zurück?

  3. classless Says:

    Ich sehe aber normalerweise nicht so viel fern.

  4. godforgivesbigots Says:

    Daß die prominentesten Opponenten der Cannabisprohibition planlose Verschwörungsspinner sind, ist übrigens in allen europäischen Ländern so, einschließlich der Niederlande, und auch im Weltmaßstab mit der Ausname von (vielleicht) Haiwaii. Dabei wäre genau dieser Sachverhalt der Punkt an der Prohibitionsproblematik wo sich noch am ehesten was ändern ließe.

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