Refrainkritik

December 22nd, 2008

Liebstes Blogpublikum! Seit gestern stehen hier auf einem Zettel folgende potentielle Refrain-Zeilen, über die ich gerade mit mir uneins bin:

Nichts ist mit sich selbst identisch
auch nicht ich selbst
Nichts ist mit sich selbst identisch
nur Geld mit Geld

Klingt irgendwie gut, paßt auch prima auf eine Trackskizze, die ich gerade von den Bam Bams zum Besingen bekommen habe – aber haut das inhaltlich so hin? Echt, nichts? Geld? Oder doch eher Geldwert? Die Identität der Nicht-Identität? Aber was passiert dann mit der ganzen Zeile?

Das, liebste Bloglesenden, mag ich gern mit euch diskutieren, während ich die letzten Tage vor Weihnachten auf Arbeit rumstehe. Also, prüfen Sie bitte!

42 Responses to “Refrainkritik”

  1. Dirk Says:

    Ich bin davon nicht begeistert und frage mich, was Du durch die komplette Aufhebung des Identitätsbegriffes erreichen möchtest. Wieso Geld sich dann doch noch dieser so eben aufgehobenen Begrifflichkeit unterordnen lässt, bleibt mir ebenfalls unklar.

    Der Identitätsbegriff scheint mir persönlich nur dann sinnvoll, wenn er in Reflektion gebraucht wird – also etwas über sich selbst “spricht”. “Selbst” ist ja nichts anderes als der Indentitätsbegriff. Identisch == “das Selbe”. Mein Selbst ist nun schon mein selbiges und damit mein Identisches. Zugegebenermaßen gilt dies nur für einen Moment, denn im nächsten schon ist es verwandelt und damit nicht identisch. Im Bewusstsein findet sich für mich aber das Momentum des Selbst und damit die eigene Identität. Auch wenn man darüber intellektuell unterschiedlicher Meinung sein kann, denke ich doch, dass man als diese Identität agiert und sich planend im eigenen Leben darauf bezieht, sogar wenn man das Momentum dabei überstrapaziert, denn ein Plan transzendiert ja den Moment. Folglich ist “höhere” (nicht momentane) Identität immer zwiespältig. Man kann sich entscheiden ob man es so sehen will oder nicht bzw. wie weit man den Begriff überdehnen will. Ein klares logisches Ja oder Nein zur nicht momentanen Identität gibt es nicht und das ist gut so. So bleibt es einem Selbst überlassen eine Bindung zu verfolgen (ein Momentum aufrecht zu erhalten) oder es aufzulösen. Die Freiheit unseres Geistes liegt darin, dass wertvolle Begriffe wie “Identität” unscharf sind.

    Ich würde die Refrainzeilen nicht verwenden. Viel Spaß beim Finden der eigenen Entscheidung und momentanen Identität (be aware of your consciousness).

  2. classless Says:

    I knew you’d disagree. Aber vielleicht kann ich dir mit dem Song – der ja noch mehr Text enthalten wird – meinen Punkt besser klarmachen.

    “Zugegebenermaßen gilt dies nur für einen Moment, denn im nächsten schon ist es verwandelt und damit nicht identisch.”

    Zum Beispiel.

  3. Erklärbär Says:

    @ Dirk

    Dass Geld bzw. der Wert die Ausnahme von der Regel bildet, liegt daran, dass wir es bzw. ihn identisch setzen und in dieser Gleichsetzung auch die wesentliche Funktion besteht: wir setzen Dinge im Tausch gleich, machen sie somit austauschbar und verwertbar. Wir haben es hier mit einer Realabstraktion zu tun, das heißt, unsere Setzung von Identität wird dadurch real, dass wir ihr uns entsprechend verhalten, also Werte aufeinander beziehen und Waren und Geld tauschen.

  4. julia Says:

    NO TWO EQUALS ARE THE SAME!

    http://www.cs.cmu.edu/~tilt/principia/body.html

  5. tycho Says:

    es ist ja gerade das Wesen von Identität, mit Sich-Selbst identisch zu sein. so in Zeilen gefasst, wie in Deinem Refrain, erwartet man natürlich tiefsinnige, philosophische Abgründe dahinter. Da das Selbst natürlich schwer zu fassen ist, da ihm die reflektierende Ebene gegenübersteht, sobald man drüber nachdenkt, ist einem die Übereinstimmung mit Identität zweifelhaft. da lässt sich schon was drüber texten.
    warum aber Geld mit sich selbst identisch sein soll versteh ich wirklich nicht.
    weder Wert noch die Kopie des Geldscheins sind identisch. und Ware und Geld sind auch nur in einem einzigen Moment als identisch vereinbart. nämlich wenn man zahlt.

  6. nonono Says:

    Wie’s bisher aussieht: Die Strophen werden wohl noch recht viel zu erklären haben, damit der Punkt rüberkommt.

    Die Idee ist aber sehr gut. Das “Geld mit Geld” scheint mir allerdings etwas unglücklich.

  7. Dirk Says:

    @classless

    Ich wusste, dass Du wusstest, dass ich nicht zustimmen wurde. Wenn dieses gegenseitige Wissen nix mit Identität zu tun hat …. 😉 Hat mich jedenfalls gefreut

    Schön dass man doch irgendwo berechnbar ist. Ganz ohne das wäre es ja auch nix mit Leben.

    @julia

    “NO TWO EQUALS ARE THE SAME!”

    Für einen Java-Programmierer (bin einer) ist das eine Trivialität und dazu noch nicht mal ganz richtig. Siehe den Unterschied zwischen Identitätsprüfung (A) und Gleichheitsprüfung (B) von Objekten:

    A: if (a == b) …..
    B: if (a.equals(b)) ….

    Wenn man diese beiden Dinge als Java-Programmierer nicht auseinanderhalten kann, kommt es zu manch seltsamen Ergebnissen, die man dann auch nicht verstehen kann. Allgemein gilt in diesem Bereich (Java):

    1. Alles was identisch ist, ist auch 100% gleich (steht im Widerspruch zur obigen Losung)
    2. Alles was gleich ist, muss nicht identisch sein kann aber (siehe 1)
    3. Gleichheit hängt von den verglichenen Kriterien ab: soll heißen, dass zwei gleiche Objekte gleich sein können, weil ich bestimmte Kriterien willentlich nicht mit verglichen habe und damit einen Zweck verfolge. Bei Identität ist jedoch jenseits des kriterienbehaften Vergleiches eine 100% Gleichheit vorhanden, was sich auch auf die Raumzeiteinordnung (z.B.: Speicherplatz) bezieht. Das ist natürlich klar, denn ist ja das verfluchte selbe Objekt.

    Ich breite das hier so aus, weil das Thema tatsächlich auch immer wieder bei Programmierern zu Verwirrung führt und das nach meinem Dafürhalten aus den selben Gründen warum Menschen auch im Alltag mit dem Identitätsbegriff nicht richtig umgehen können.

    Würde man den Identitätsvergleich (a == b) in Java wegfallen lassen, dann würde man eine wichtige Grundlage für Algorithmen verlieren. Insofern halte ich den Begriff auch hoch. Man entschuldige das, oder erkenne gar an, was es bedeutet.

    Vielleicht hilft ein Kurs in Java oder einer ähnlichen modernen Programmiersprache den Begriff mit etwas mehr Nüchternheit zu betrachten.

  8. Dirk Says:

    Noch was wegen dem Geld. Und da hab ich mal ein Aussage mit folgender Frage für das Publikum hier:

    Vielleicht ist das ja auch nur eine Verschwörungstheorie aber für mich stellt es sich momentan noch so dar: Geld ist Schuld, Schuld kostet Zinsen für die es kein Geld gibt oder welches eben als neue Schuld erzeugt werden muss. In der Folge muss alles wachsen – also die Geldmenge sowie die käufliche und begehrte Wertemenge. ODER aber es muss einen Teil der Mitspieler geben die die Arschkarte ziehen müssen und es auf sich nehmen müssen für einen Systemfehler schuldig gemacht zu werden. Das Wachstum der Geldmenge endet, da wo die Schuldenkapazität erreicht ist oder aber die begehrte Wertemenge gar nicht weiter wachsen kann (Ideenmangel/Resourcenmangel?). Also ich finde Wachstumszwang oder Zwangsarschkarte beides total übel und bin immer wieder darüber schockiert wie übel. Was mich aber total schockiert, ist das es ist dieser derzeitigen Krise keinen gibt, der diesen Aspekt anspricht – alle reden nur über böse Manager, aber alle sind sich darüber einig, dass irgendwie Zinsen zu zahlen sind.

    Nun die aufrichtige Frage an Euch: Täusche ich mich mit “Geld = Schuld u. Schuld forder Zins”? Oder ist das tatsächlich eine fatale Gleichung die niemand – selbst angesichts der Krise – nennt.

    Falls es denn aber stimmt, so finde ich müssen wir zuerst über ein neues Geldsystem reden, dass keinem Wachstumszwang unterliegt. Der Sprung zu keinem Geld ist wohl ein wenig groß, wenn die meisten noch nicht mal die Zinsproblematik verstehen sollten.

  9. tycho Says:

    an Dirk :

    Geld ist nicht Schuld. Geld ist nur ein Gegenwert. Es ist länger haltbar und besser aufzubewahren als beispielsweise Äpfel. Geld ist künstlich, es ist eine Vereinbarung.
    auch ist Zins keine Notwendigkeit. der Mangel an Geld führt nicht zwangsläufig zum Wachstum an Zinsen. Zinsen sind eine weitere Vereinbarung. Zins und Zinseszinsen gehören auch in den Bereich von Verschwörungstheorien.
    Deine Beobachtung, das Wachstum im Kapitalismus als Zwang erscheint, halte ich aber für völlig richtig. Es gehört nämlich zur Funktionsweise des Kapitalismus als fester Bestandteil dazu. Das System der Waren- und Leistungskonkurrenz kann nur solange funktionieren, als es von seinen Teilnehmern immer wieder überboten wird und damit eben wächst. Stagnation, oder auch nur ein Ende des Wachstum wären gleichbedeutend mit dem Ende der Konkurrenz und damit des Kapitalismus.
    Das ein Wachstum ohne Ende nicht funktioniert, ist bekannt. Auch überzeugte Anhänger des Kapitalismus wissen darüber. Sie ignorieren es schlicht und treiben es soweit es eben geht. Daher spricht keiner darüber, denn die Konsequenz, das Ende des Kapitalismus wäre dann offenbart.

  10. classless Says:

    Jetzt kann ich doch gar nicht mitdiskutieren, weil hier im Laden so ein Getümmel ist… Später dann aber…

  11. Dirk Says:

    Mmh, seltsam, ich kenne niemanden der irgendwo Geld rumliegen (also verliehen) hat, für das er nicht eine (wenn auch noch so geringe) Zinseszinserwartung hat. Ich kann derzeit nicht sehen, dass in unserem System einem Haben kein Soll zu geordnet ist. Nicht mal ein Gehalt erscheint mir als permanentes Geld, denn letztlich musste auch hierfür irgend ein Unternehmen Kapital auf dem Kapitalmarkt aufnehmen und dafür Zinsen zahlen. Zins und Zinseszins scheinen mir eine durchgängige Erscheinung zu sein und keine Verschwörungstheorie. Ich möchte gerne, dass mir jemandem aufzeigen kann wo es eine Form von permanentem Geld gibt – also ein Geld dem keine Schuld auf einer anderen Seite zugeordnet ist. Wofür sind denn die Zentralbanken da, wenn nicht für den ersten Schritt der Geldschöpfung in Form von Krediten (also Schuldzuordnungen)? Ganz ehrlich, ich check es nicht und derzeit sehe ich kein Geld ohne Schuld. Immer wenn man nach der transitiven Quelle des Geldes fragt ist für mich ein Kredit hintendran.

    Oder anders gefragt. Nehmen wir an es wird frisches Geld gedruckt und das ist permanent. Wer bekommt das geschenkt? Der Staat? Ich glaube nicht, denn dann muss man sich fragen, wieso der Staat verschuldet ist, wenn er doch Geld schuldenfrei schöpfen könnte. Der Bürger? Ich kenne keinen dem sowas passiert ist und Sozialgelder werden immer noch von Schulden oder Steuern getragen. Unternehmer? Auch Subventionen sind von Staatsschulden getragen oder von Steuern. Oje oje, bitte gebt mir eine konkrete Antwort für das permanente Geld ohne Schuld! Welche Institution kontrolliert die Schöpfung und Vergabe des permanenten Geldes mit welchen Kriterien?

  12. hannes g. Says:

    Warum nicht lieber über Liebe und Alltag singen.
    Was du oben versuchst, ist ein Abgesang und nicht die gewünschte künstlerische Darbietung eines schwierigen Sachverhalts (bei einigen Studenten, die zehn Jahre früher auf Tocotronic abgefahren wären, könntest du damit freilich Gehör finden). Um auf das Verhältnis von Inhalt und Strophe zurückzukommen: Du könntest auch ein Kamel durch ein Nadelöhr bugsieren.

  13. Bystander Says:

    Wenn ich das richtig verstanden habe, will Kulla die “Befreiung vom Bann des Identitätsprinzips”, wie Vertreter der Kritischen Theorie den Kommunismus begreifen, diskordisch zuspitzen. Ich halte das für sehr ambitioniert, traue ihm aber nach dem großartigen “Tausch”, der etwas recht Abstraktes auf verblüffend einfache und eingängige Weise rüberbrachte, durchaus zu das hinzukriegen.

    Insofern hat er schonmal ein größeres Tier durchs Nadelöhr bugsiert und versucht sich jetzt an einem etwas größeren.

    Ich bin sehr gespannt auf das Resultat (und finde es übrigens auch bemerkenswert, dass hier offenbar einer von Bam Bam Babylon Bajasch am Text mitdiskutiert…)

  14. batman aus georgien Says:

    LOOOOOOOOOOOOOOOOOL.

    🙁

  15. julia Says:

    @dirk

    Ich brachte das hier blos als Einwurf, als erste Assoziation zum Refrain. Es ist das Motto der “Discordian Society”. (siehe http://jubal.westnet.com/hyperdiscordia/discordian_society.html)

    Und auch der Discordian Communism scheint da ja was mit dem Motto zu tun zu haben – siehe zweite Zeile auf http://www.cutuphistory.org/

    ps. das mit dem = und dem == ist so eine Sache, ja. Aber eigentlich doch ziemlich klar, wenn man mal sein zweites “hello world” geschrieben hat.

  16. classless Says:

    @ hannes

    “Warum nicht lieber über Liebe und Alltag singen.”

    Kannste ja machen – wenn ich übers Trampen singe, ist das aber auch nicht grundsätzlich anders 😉

    @ tycho

    Das mehrmals “selbst” drin auftaucht, ist ja Absicht – mir ist die Gleichbedeutung von Identität/Selbst und vom Identische/Selben bewußt. Es geht ja eher darum, daß ich unterstelle, daß es das Selbe nur als Setzung, nur unter ganz bestimmten logischen Voraussetzungen gibt. Der weitere Text wird sich wohl vor allem mit den Ärgernissen identitärer Zuschreibungen beschäftigen, und mit Mutmaßungen darüber, was diese Zuschreibungen mit dem Tausch zu tun haben.

    @ Dirk

    Die Sache mit Geld als Schulden und mit Kapitalismus als Debitismus würde durchaus mal eine gründlichere Betrachtung verlangen, die ich jetzt hier in Kürze nicht runterzureißen vermag. Hab auch schon mehrmals sowas anzuregen versucht.

    Insgesamt wird wohl einiges davon abhängen, wie mir die Strophen gelingen und wie hoch ich das überhaupt aufhängen mag.

    Jetzt gehe ich erstmal wieder auf Arbeit und hoffe, mich trotzdem wenigstens kurz zu Wort melden zu können. Nu ja.

  17. Dirk Says:

    @julia

    ganz so ziemlich klar mit dem “=” vs. “==” ist es wohl doch nicht, denn ich hatte es gar nicht davon. “=” ist ein Zuweisungsoperator und “==” der Identitätsprüfungsoperator (im Objektfall). Mein Vergleich ziehlte aber gar nicht auf den Zuweisungsoperator ab, sondern war eine Gegenüberstellung mit der “equals()” Methode und das ist eine ganz andere Geschichte, die eben eine starke Verwandschaft mit den besprochenen Identitäts -und Gleichheitsangelegenheiten hat und auch nicht beim zweiten “Hello World” auftritt.

    @classless

    Bitte lass meine Fragen nicht in der Versenkung landen. Ich bin wirklich an brauchbaren Antworten interessiert und konnte diese bisher auch in diesen Thread nicht finden. Ich sehe hier nämlich einen wesentlichen Knackpunkt.

  18. classless Says:

    @ Dirk

    Keine Panik – aber neben der Kompetenzsimulation hier im Laden her ist das ein bißchen schwierig…

  19. neuronal Says:

    @ dirk

    Ich fürchte, das funktioniert so:

    Die Geldschöpfung durch die Geschäftsbanken muss daher durch eine Geldmengenpolitik der Notenbanken kontrolliert werden, innerhalb derer die Geldmenge politisch variiert wird, damit sie ökonomisch als konstant angenommen werden kann. Dieser Punkt wird in der Diskussion über den Kapitalismus der freien Marktwirtschaft oft vernachlässigt, da er deutlich zeigt, von welchen politischen Interventionen das freie Spiel der Marktkräfte abhängig ist. Die Möglichkeit der Geldmengenvariation durch die Politik der Notenbanken sitzt im blinden Fleck der Interdependenz von Politik und Wirtschaft, da sie genau die Nullsummenkonstanz garantieren soll, die sie dauernd verletzt.

    Tatsächlich tritt das Problem jedoch erst dann auf, wenn die Notenbank ihre Konditionen der Refinanzierung der Geschäftsbanken nicht mehr scharf daraufhin kontrolliert, ab wann eine Geldmengenausweitung die Akteure im Markt dazu verführt, den Glauben an die Nullsummenkonstanz aufzugeben. Im Fall der aktuellen Finanzkrise ist es jahrelang gelungen, die Geldmengenausweitung nicht etwa in einer steigenden Inflation verpuffen zu lassen, sondern durch eine Wachstumsdynamik zu beglaubigen, in der reale und nominale Effekte wesentlich schwerer zu unterscheiden sind als in einer Inflation.

    Bleibt die Frage – die Baecker natürlich nicht beantwortet -, ob den Noten-/Zentralbanken dieser Balanceakt überhaupt auf die Dauer gelingen kann.

    Ziemlich instruktiv ist da dieser Artikel über Ben Bernankes Reparaturversuche am laufenden System aus einem neulichen New Yorker.

  20. Arschkrebs (2.0/compatible) Says:

    tl;dr

  21. Dirk Says:

    @neuronal

    Danke für die Links. Den ersten hatte ihn auch schon gelesen, da er hier bei classless bereits verlinkt wurde. Die Nullsummenkonstanz scheint mir jedenfalls irgendwo mit dem Geld=Schuld übereinzustimmen (?). Sobald aber der Zins hinzukommt – und das tut er in fast allen Fällen – ist die Nullsummenkonstanz ja schon im Eimer. Und auch die Zentralbank erzeugt ja kein permanentes Geld sondern erfüllt ihre Steueraufgabe mit Kreditvergabe zum Leitzins. In der Folge ist ja niemals genügend Geld da um die Nullsumme zu erzeugen – der Zins bleibt ungedeckt und ist die Anomalie in der Gleichung. Nun rettet sich das System in den Wachstumszwang um die Gleichung eben dynamisch zu lösen:

    Vereinfacht:
    M ist die Geld/Schuldenmenge, I ist der Zins, n das Jahr
    M(n+1) = M(n) + I(M(n))

    Da nun eine kapitalbasierte Wirtschaft eine gewisse Grundmenge an Geld zum Leben braucht, müsste nach meiner Annahme auch stetig für diese Geldmenge der Zins aufgebracht werden. Der Zins kann aber nicht aus der Grundmenge gedeckt werden, denn die braucht es ja zum Leben. Also wird die Geldmenge über Leitzinskredite und Bankenkredite einfach weiter erhöht um die Zinsen zu zahlen. Und das klappt einfach solange bis die Wertemenge nicht mehr mitwachsen kann. Dann kann man natürlich noch virtualisieren, sprich mit Erwartungen Werte erzeugen oder mit Erwartungen auf Erwartungen. Das System kann jedoch meines Erachtens gar nicht in die Nullsumme zurückgeführt werden (auch wenn das gar nicht erwünscht ist). Es muss krachen, denn es kann die Illusion des Funktionierens ja nur dann aufrechterhalten solange es auf Crashkurs spricht Wachstumskurs ist.

    Ich bitte weiterhin um fundierte Korrektur meiner Gedanken. Sehe mich jedoch durch den verlinkten Artikel eher bestätigt auch wenn der die Zinsthematik nicht aufgreift.

    Den zweiten Artikel muss ich mir noch zu Gemüte führen.

  22. the white rabbit, follow my in the black hole of the whole thing to pieter Says:

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    auch nicht ich selbst
    Nichts ist mit sich selbst identisch
    nur Geld mit Geld

    erst dachte ich, ja “gut”

    bin ich mit mir identisch? Ich bin ich ich bin unteilbar. Abtraktion durch reduzierung

    und? Ich bin, niemand ist gleich, nur das geld

    ich dachte eher unter der dusche, “nichtmal ich und selbst”, das faende ich spannender, da meine zentrale frage die ist, wer ich bin, da sich aus dieser frage perspektiven und handlungen ableiten

    aber mit was ist das nichts identisch?!?!

    drehe doch mal das prinzip um, alles ist original und das geld is identisch
    und nicht ich und welt,
    nichts is mit sich selbst identisch
    nicht du noch ich noch welt

    oder: nicht ich noch wir noch welt

    das wuerde dem “geld und geld” einen schoeneren rhytmus geben

    stellst du deine entwuerfe fuer den song online, dann waere der kontext ersichtlicher und nebenbei, open source witzig an sachen gemeinsam zu basteln, du entscheidest am ende ja, was dir gefaellt

    : )

  23. neuronal Says:

    Mir ging’s auch eher darum, dass es bei Deinen Gedanken nicht soviel Korrekturbedarf gibt. Baecker sagt ja eben, dass das System nicht auf Nullsummenkonstanz beruht (das wäre z.B. beim Goldstandard der Fall), sondern auf der Illusion von Nullsummenkonstanz.
    Und in der Konsequenz wackelt das System erst dann, wenn die Geldmengenüberdehnung wirklich offensichtlich ist (durch immer neue Spekulationsblasen) und muss dann durch beherzte Neuerfindung des Regelwerks repariert werden. Die für den langfristigen Systemerhalt durchaus sinnvolle Alternative ist, die systemimmanenten “kleineren” zyklischen Krisen einfach zuzulassen und sich als Zentralbank nur um die Stabilität der Währung zu kümmern (Modell Bundesbank). Dadurch sollen dann die vom überschüssigen Geld erzeugten Schieflagen kontrolliert abgebaut werden. Früher war das den Beteiligten auch klar, aber Bernanke und Greenspan haben halt ein paar Jahrzehnte lang geglaubt, den Heiligen Gral der Geldmengenpolitik gefunden zu haben. (siehe zweiter Link)

  24. Depp Says:

    Erklär doch mal bitte was diese “Refrainskizze” überhaupt aussagen soll.

  25. Cannabis Kommando Says:

    Das Geld wird zu (quasi-)permanentem Geld erst durch den Uranstandard – die Länder mit den Atomwaffen und deren Satelliten haben die stabilsten Währungen.

    siehe auch: Gregor Honsel: Geld gegen SMS – In Schwellenländern ersetzt das Mobiltelefon die Bank

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    nur die erste Zeile mit der dritten
    Nichts ist mit sich selbst identisch
    nur die dritte Zeile mit der ersten

  26. Dirk Says:

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Und auf der Suche nach mir selbst
    Hab ich bei aller Mühe Nichts gefunden
    Bin schließlich mir selbst identisch

  27. tycho Says:

    ah, langsam wirds lustig 🙂

  28. classless Says:

    Hm, Verbesserungsvorschläge gibt’s ja irgendwie keine, nur den Versuch, die These zu veralbern. Mit welchem Ich soll ich denn identisch sein – dem von gestern, dem von vor fünf Minuten? Identität heißt doch nicht, daß einige Eigenschaften übereinstimmen (die genausogut auch verschieden sein könnten), sondern daß die gesamte fragliche Person (oder der gesamte fragliche Gegenstand oder Zustand) übereinstimmen – das scheint mir außerhalb der Theorie, des Wunschdenkens oder eben der Realabstraktion wie beim Geld nicht der Fall zu sein.

    Und unabhängig von den aufgeworfenen Fragen der Geldfunktion (zu denen ich auch sehr gern Schlaues lesen würde) ging es mir draum, daß zum Zwecke des Tausches die gegeneinanderzu tauschenden Werte gleichgesetzt werden, damit auch die in ihnen vergegenständlichte Arbeit, was nach mehreren Jahrhunderten der Hegemonie derartiger Tauschvorgänge dazu führt, daß wir ständig Identität setzen, wo keine ist.

    Wenn ich damit daneben liegen sollte, würde ich das gern wissen.

  29. Dirk Says:

    Geld setzt doch keine Identitäten. Es macht Dinge vergleichbar (nicht gleich) und das ist ja grundsätzlich ja mal hilfreich. Man sollte Geld nicht idealisieren sondern pragmatisch betrachten und nutzen. Für mich ist nicht das Geld an sich problematisch sondern mir scheint die Art wie wir Geld im Umlauf bringen das Problem zu sein.

    Solange ich noch keine fundierte Widerlegung des Zinsproblems bekommen habe, gehe ich weiter davon aus, dass die Totalakkumulation nur deshalb stattfindet, weil die Geldmenge so gesetztmäßig wachsen muss.

    Bevor ich zur geldlosen Gesellschaft übergehen würde, würde ich sehr gerne mal eine Gesellschaft probieren in der es Konvergenszins aufs Geld gibt. Also einen Zins der mit steigendem Vermögen sinkt und bei einem veränderlichen Idealwert stagniert. Darüber hinaus beginnt der Zins zunehmend negativer zu werden. Dadurch wird die Geldmenge zwar zum Wachsen gebracht – aber nicht auf ewig. Das von mir gedachte System soll konvergieren und nicht divergieren, wie es unseres tut. Man kann dann frei (demokratisch?) entscheiden, ob wir das Konvergensziel anheben können und damit die angepeilte Gesamtmenge an Geld erhöhen wollen. Diese Entscheidung würde aber durch Menschen getroffen werden und nicht durch eine Gleichung. Was meint ihr?

    @classless

    Mein Vers sollte Deinen nicht ins Lächerliche ziehen sondern ergänzen. Wenn das Widersprüchliche der Identität zur Geltung kommt, kann das doch in Deinem Sinn sein, oder? Genau wie beim Geld macht Identität nur als Pragmatismus Sinn. Als Ideal ist es einfach unbrauchbar.

  30. classless Says:

    Dirk, ist nicht böse gemeint, aber ich wollte hier nicht noch mal das Basiskonzept der Ware-Geld-Beziehung und ihrer Implikationen ausbreiten – ein andermal vielleicht.

    Ich wollte mit den Zeilen auch keinen Glaubenssatz formulieren und kein Ideal aufrichten, sondern in wenigen Versen eine wichtige und wie ich meine oft übersehene Idee vorstellen, die im Kern sowohl Marxscher wie diskordischer Philosophie steckt: daß keine zwei Gleichen identisch sind und daß wir dennoch ständig in Identitäten denken, weil sie uns einerseits der Staat einimpft und andererseits weil wir sie uns selbst in unseren gleichsetzenden Tauschhandlungen beständig neu einprägen.

  31. Dirk Says:

    Bin schon weg aus Deinen Gefilden

  32. classless Says:

    Nicht sauer sein.

  33. Kurt Says:

    eini Anti-Dialektiker auf der Suche nach Identität….kulla, du bist so langweilig…..

  34. Cannabis Kommando Says:

    @classless – Prüfen mit Verbesserungsvorschlägen. Mal sehn.

    Individualität von Personen wird zu Identität erst durch ein System von Staatsangehörigkeit, das Individuen identifiziert.

    Verallgemeinert:

    Austauschbarkeit von Objekten wird zu Identität erst durch ein Gödelsches Formales System, das diese Objekte identifiziert.

    Geld ist ein solches System, aber damit ist nicht alles über Geld gesagt. Möglicherweise wird das was Geld ersetzen wird ebenfalls ein solches System, und lediglich seine Unvollständigkeiten besser gekapselt sein. Das heutige Problem mit dem Geld liegt darin dass es Identität auch dort herstellt wo diese nicht erwünscht ist, beispielsweise indem ein Verkäufer durch einen anderen austauschbar ist ohne dass es bei den Personalkosten ein Unterschied macht. Aber auch ein Kochrezept ist ein formales System das zum Beispiel zwei Salatköpfe als identisch auffaßt.

    So aber in Versmaß gießen tue ich das jetzt nicht.

  35. betty Says:

    “Die reine Identität, das ist der Tod. Auf sie hin zu leben ist das “Sein zum Tode”.”

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    auch nicht ich selbst
    Nichts ist mit sich selbst identisch
    nur Geld mit Geld

    Guten Morgen.
    Als ich den Refrain zum ersten Mal las, hatte ihn noch keiner kommentiert und nun scheine ich ein wenig zu spät zu kommen. Ich habe jetzt keine Lust, alles zu lesen, was bereits dazu geschrieben wurde, deswegen sorry, wenn ich andere wiederholen sollte. Andererseits ist’s oft auch hilfreich, wenn Aussagen nur anders formuliert werden. Und da ich deswegen nicht mehr einschlafen kann (dabei ist es noch beinahe mitten in der Nacht), möchte ich’s auch mitteilen:

    Wie im Eingangszitat beschrieben, ist das einzige, was in den herrschenden widersprüchlichen Verhältnissen mit sich selbst identisch ist, das Nichts, für das Subjekt somit der Tod. Das Geld ist als allgemeines Äquivalent identisch mit jeder anderen Ware – nicht in seiner sinnlichen Gestalt, sondern in dem, was ihm das falsche Bewusstsein verleiht: im Wert – und somit nicht mit sich selbst, genauso wenig wie jede andere Ware. Wobei dieses Bewusstsein hier schon die erste Identität herstellt, nämlich zwischen Form und Inhalt, womit ich deiner Aussage zustimmen würde, dass die Hegemonie derartiger Tauschvorgänge dazu führe, „daß wir ständig Identität setzen, wo keine ist“. Hierbei will ich kurz auf Dirks Sätze vom 26.12.08 eingehen: „Geld setzt doch keine Identitäten. Es macht Dinge vergleichbar (nicht gleich) und das ist ja grundsätzlich ja mal hilfreich.“ Ja, um Gottes Willen (ich hab‘ lange in Bayern gewohnt, Verzeihung)! Nein, es ist nicht hilfreich, dass ganz verschiedene Dinge vergleichbar sind; im Gegenteil liegt hier des Pudels Kern bzw. des Kernes schlimmste Konsequenz: Dass das Besondere im Allgemeinen nicht als solches existieren kann, sondern immer zu etwas ganz anderem in Relation gesetzt wird, das es nicht ist und gleichzeitig doch ist (verdammte Dialektik). Marx fasste das in der Formel A=B zusammen, was sich dann konkret darin äußert, dass Frau Müller mit Herrn Smith vergleichbar ist, Tische mit Rasenmähern, Dollar mit Euro, Kupfer mit Gold, Frau Müller mit Gold usw. Eines der Ziele von vernünftiger Reflexion ist doch wohl, genau diese mörderische Gleichsetzung aufzuheben und die Dinge und Menschen endlich als das betrachten und behandeln zu können, was sie wirklich sind (und jetzt eben nicht sein können). Menschen wären dann beispielsweise keine Dinge mehr und das Geld würde endlich wahrgenommen als das, was es ist: Nichts. Damit wären absurde Überlegungen über die „gerechtere“ Einrichtung des Kapitalismus obsolet und die auch in diesem Blog an manchen Stellen stattfindende Identifizierung des Geldes mit seinen abstrakten Eigenschaften könnte nicht mehr stattfinden. Das Problem bei letzterem ist, dass die Warenproduktion vorausgesetzt wird, aber „ihre notwendigen Bedingungen durch Geldpfuschereien“ umgangen werden sollen, wie das Marx so schön formulierte (siehe Neuronal und Dirk).
    Geld ist Ware, aber als Ausdruck der Waren und ihrer Austauschbarkeit eine besondere. Auch hier lasse ich noch einmal Marx sprechen: “Die erste Funktion des Goldes besteht darin, der Warenwelt das Material ihres Wertausdrucks zu liefern oder die Warenwerte als gleichnamige Größen, qualitativ gleiche und quantitativ vergleichbare, darzustellen. So funktioniert es als allgemeines Maß der Werte und nur durch diese Funktion wird Gold, die spezifische Äquivalentware, zunächst Geld. Die Waren werden nicht durch das Geld kommensurabel (siehe: “Geld setzt doch keine Identitäten.”). Umgekehrt. Weil alle Waren als Werte vergegenständlichte menschliche Arbeit, daher an und für sich kommensurabel sind, können sie ihre Werte gemeinschaftlich in derselben spezifischen Ware messen und diese dadurch in ihr gemeinschaftliches Wertmaß oder Wert verwandeln. Geld als Wertmaß ist notwendige Erscheinungsform des immanenten Wertmaßes der Waren, der Arbeitszeit.” (aus dem Kapitel: “Das Geld oder die Warenzirkulation”, Band I)
    Dass Geld nicht mit sich identisch ist, lässt sich auch noch auf anderer Ebene wesentlich simpler nachweisen: Nehme ich das Geld als konkretes, sinnlich greifbares Ding, also Papier, Metall oder scheinbar als vermittelteres: Plastikkarte, so kann ich es drehen und wenden wie ich will: Bleibe ich beim unvermittelt erfassbaren, kommt nichts anderes dabei raus als dass ich Papier, Metall oder Plastikkarte in der Hand halte und nichts weiter (fürs “fiktive” Börsenkapital, das seinen Ausdruck in irgendwelchen Zahlen findet, gilt das selbstverständlich auch). Und es wird niemals irgendeinen seiner Geldfunktion gemäßen Gebrauchswert erlangen, wenn nicht bereits mein Bewusstsein das – im Wortsinne – Kunststück vollführt hat, es in etwas Wert-volles verwandelt zu haben. Dieses Kunststück vollführt aber jeder jeden Tag: er trägt kein Papier in der Geldbörse mit sich herum, sondern den Ausdruck der Vergleichung nichtidentischer Dinge und weil das jeder tut, lässt sich auch die Welt nicht vernünftiger einrichten, wenn das nicht jedem zu Bewusstsein kommt. In A=B zu denken, ist nicht irgendein Vorurteil, sondern als Denkform das Sein total bestimmendes Prinzip, das noch so genannte Liebesbeziehungen als Entsprechung von Warenbeziehungen funktionieren lässt.
    Letzte Anmerkung zu Classless: “daß wir dennoch ständig in Identitäten denken, weil sie uns einerseits der Staat einimpft…“ Der Staat ist das nun echt nicht, der „uns“ Identitäten einimpft. Aber was ist „der Staat“? Das ist eine andere Diskussion. Ich hoffe, es waren hilfreiche Gedanken dabei.
    Dann versuche ich noch mal zu schlafen. Gute Nacht.

  36. classless Says:

    @ betty

    Vielen Dank!

    “Weil alle Waren als Werte vergegenständlichte menschliche Arbeit, daher an und für sich kommensurabel sind, können sie ihre Werte gemeinschaftlich in derselben spezifischen Ware messen und diese dadurch in ihr gemeinschaftliches Wertmaß oder Wert verwandeln.”

    Full d’accord, aber wie sage ich das in vier oder vielleicht fünf kurzen Worten? Ich weiß – daß das überhaupt geht, hab ja bislang auch nur ich behauptet…

    “Der Staat ist das nun echt nicht, der „uns“ Identitäten einimpft.”

    Vielmals sorry für die Wirs, then again: die Setzung und Behandlung des Einzelnen als Exemplar eines kollektiven Hauptworts mache ich historisch durchaus am Staat fest, und ich denke, daß er diese Funktion, Menschen in Gruppenidentitäten zu klassifizieren, prinzipiell bis heute leistet. Er macht das wie gesagt nicht alleine und soviel eingeimpft werden muß wohl auch nicht mehr… Oh je, ich sehe eine weitere grauenvolle Gegenstandpunkt-Diskussion heraufziehen.

  37. betty Says:

    @classless: „Full d’accord, aber wie sage ich das in vier oder vielleicht fünf kurzen Worten? Ich weiß – daß das überhaupt geht, hab ja bislang auch nur ich behauptet…“
    Das wird wohl auch so bleiben. Nicht mal vier, fünf Sätze, sondern gar nur Worte!
    Also quasi eine Parole. Das hab’ ich nicht hinbekommen, sondern wieder viel mehr Text. Vielleicht jedoch ist eine Zeile verwendbar – und zumindest habe ich einen Änderungsvorschlag für deinen Refrain.
    Da ich völlig unmusikalisch bin, zumindest was Musikproduktion anbelangt, kann ich mir eine Umsetzung von Worten nur als Rap vorstellen. Und selbst das haut im Folgenden nicht ganz hin…
    Nun zur Dichtung:

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Alles ist sich selber fremd
    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Nicht der Mensch und nicht das Geld

    Kein Ich haben, aber eine Identität wollen!

    Du bist so individuell wie alle anderen
    In ihren ach so individuellen Rollen
    Das Sein bestimmt das Bewusstsein
    Alles was um dich ist geht in dich ein
    Du konstituierst dich nicht selbst
    Sondern wirst gemacht
    Aber weil du die Gesellschaft nicht von dir trennen kannst
    Denkst du, du hast dir das alles selbst ausgedacht

    Unsere Identitäten sind Masken
    Die verbergen, dass darunter nichts Einzigartiges ist
    Wir ficken nicht – sondern sind dann Schwuler, Hetero oder Masochist
    Wenn ich diese Zuschreibungen allerdings nicht will
    Nenne ich mich queer als wär’ queer sein nicht der gleiche Mist
    Nur mit anderem Inhalt, einem ganz allgemeinen
    Hauptsache die Form bleibt mit sich im Reinen
    Identisch sein sollen wir alle mit Einem

    Und im Durcheinander der Inhalte
    Findet schon jeder seinen abgegriffenen Ich-Ersatz

    Du glaubst, deine Identität sei Individualität
    Du bist links oder Musiker oder einfach reich
    Du bist was du isst, Veganer vielleicht
    “Dieses Lied/ dieser Film/ dieses Buch
    Gefällt mir sehr gut
    Darin find’ ich mich wieder
    Ich kann mich damit identifizieren”
    Wo nichts ist, ist viel Platz für alles Mögliche

    Im Rahmen der gegebenen Verhältnisse
    Ist für vorhandene Widersprüche kein Platz
    Sondern mehr für: Da hast du These und Antithese
    Und das gilt nicht etwa als wirklich seiende Denkunmöglichkeit
    Sondern auch nur als irgend so ein Satz
    Und die Aufgabe lautet: Bilde eine Synthese!
    Alles muss logisch sein in den Feuilletons und an der Universität
    Niemand soll Kopfschmerzen bekommen
    Über der Unfassbarkeit der Realität

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Alles ist sich selber fremd
    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Nicht der Mensch und nicht das Geld

    “Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.” 1
    Wir sind alle nur noch Reste von Menschen, verkümmerte Überbleibsel
    Und es hilft nichts, darauf zu pochen, dass es nicht so sei –
    Weil es wahr ist, ob z.B. jemand von ATTAC das begreift, ist einerlei:
    Der Mensch ist eine Ware
    Die Gesundheit ist eine Ware
    Bildung ist eine Ware
    Das Richtige lässt sich nicht unmittelbar ins Falsche hinein implantieren
    Und es ändert nichts, begrifflos mit schönen Begriffen zu jonglieren

    Nur im Beharren darauf, dass nichts unvermittelt richtig sei,
    ist die Möglichkeit des ganz Anderen noch vorhanden
    Und nur mit der Abschaffung des Ganzen würden wir (auch dann nur:) eventuell frei
    Und hätten hoffentlich, was uns in Ketten hält, endlich verstanden
    Da ist eine Ahnung in jedem, die ausradiert werden muss
    Die Wahrheit hält niemand aus, wir gehen daran zuschanden
    Als Subjekte sind wir objektiv Nichts und wir sind uns so fremd
    Und die Sprachlosigkeit ist so allgemein und überall präsent
    Dass auch ich oft keine Worte mehr finde für das was da brennt

    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Alles ist sich selber fremd
    Nichts ist mit sich selbst identisch
    Nicht der Mensch und nicht das Geld

    1: Zitat von Adorno aus “Minima Moralia”: “Zwergobst”

  38. betty Says:

    Übrigens ist der GegenStandpunkt eine Publikation, die ich tatsächlich noch niemals gelesen habe. Das wundert mich gerade selbst. Die vor ein paar Jahren an die Wand geklebten Ankündigungen fürs jeweils nächste Heft im örtlichen Autonomen Kulturzentrum reichten mir wohl immer schon. Also keine Sorge wegen möglichen Heraufziehens einer derartigen Diskussion…

  39. classless Says:

    Nochmal vielen Dank, daß du so doll mit reinhängst. Das mit dem GSP war nicht auf dich bezogen, sondern hat mehr mit früheren Kommentar-Threads zu tun.

    Das Dilemma nun: Ich bin zu schnell. Das heißt, ich war just schon in Köln und hab die Nummer aufgenommen. Allerdings ist alles noch nicht fertig, vielleicht batseln wir noch mal dran rum. Dann komme ich vielleicht auf einige deiner Zeilen zurück.

    Das Adorno-Zitat müßte eigentlich schon noch mit hinein.

    Mal sehen.

  40. betty Says:

    Dann viel Erfolg damit! Das Ergebnis werde ich mir irgendwann anhören. Die aktuelle Platte finde ich sehr spannend und amüsant.
    Au revoir.

  41. betty Says:

    … und bitteschön, hab’ ich gern gemacht!

  42. coco Says:

    nichts kann mit sich selbst identisch sein, weil alles im ständigen wandel begriffen ist. nur wo nichts ist, kann sich auch nichts wandeln.
    heißt wandeln nicht verändern…
    eine aufgabe… vielleicht.

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