Ich schieße, also bin ich
March 21st, 2009Georg Seeßlen beschäftigt sich mit dem Amokläufer von Winnenden, und zwischen einigen steilen Thesen und seltsam beim Buchstaben genommener Psychoanalyse stecken schlaue Gedanken:
>>Der Selbstmörder ist als Person an den Verhältnissen, etwa in Form anderer Personen, gescheitert. Der Amokläufer aber ist schon daran gescheitert, eine Person zu werden. Wo das Es war und das Über-Ich Terror ausübte, da konnte das Ich nicht werden, weil das eine unförmig wucherte – in den Netzen, den Spielen, den Moden, den Jargons, den Drogen, am allermeisten aber in einem ewigen Alltag des Nichts – und das andere nur eine allzu triviale Gestalt hatte: Erwachsene, zum Beispiel, die es sich nicht einmal mehr zu hassen lohnt. (…)
Der Amoklauf beinhaltet drei Vorgänge in einem: eine Tat, mit der der Amokläufer auf einem Schlag zur Person werden will, eine blutig nachgeholte Initiation, mit der sich das Ich durch ein Niedermähen, ein Entleiben und Entpersonalisieren der anderen bilden soll. Zum Zweiten: ein Ende des eigenen, unmöglichen Lebens. Und zum Dritten die gewaltsame Aufforderung an eine andere, womöglich ihrerseits reichlich »ödipale« Institution, das Opfer zu vollziehen.<<
March 21st, 2009 at 21:00
siehe auch: Von allen Leben auf dieser Welt ist meines anscheinend das einzig sinnvolle. …
March 22nd, 2009 at 14:03
was irgendwie nirgens erwähnt wird aber vielleicht auch durchaus relevant sein könnte is dass er in der schule fast nur frauen getötet hat…
March 22nd, 2009 at 14:18
Ist relevant, wurde zu wenig erwähnt, hier und da aber doch. Er konnte gut zielen und schoß zunächst nur Frauen und Mädchen präzise in den Kopf.
March 22nd, 2009 at 15:06
Immer das gleiche mit Seeßlen, ich kann mich nicht entscheiden, ob er brillant ist oder ob er schlicht seine großartige Theorie zum Horrorfilm nun an jedem Thema der wirklichen Welt durchdekliniert und sich damit vielleicht doch ein bisschen verrennt …
Ist jedenfalls des genaueren Bedenkens wert. Besser als die zwanzigste Diskussion über pawlowsche Killerspiel-Hunde und gewissenlose Journalisten.
March 25th, 2009 at 19:19
Vom Film kommt das… ich erkenne darin eine säkularisierte Variante von Gerhard Scheits Hamas-Theorie. Da schau her.