The Wire – der gute kleine Lauschangriff

March 8th, 2011

Was der Rest der Welt bis vor zwei Jahren schaute, irgendwann in der Zukunft schauen wird oder auch gar nicht, begeisterte mich anfangs mit seinem rauhen Humor, Einblicken in die Bandenwelt von Baltimore (nicht Detroit, Magnus Klaue!), sich auftuenden Abgründen und großartigen Charakteren, die stets eine gewisse Distanz zu sich wahrten.

Mit der Zeit schlossen sich jedoch die Abgründe immer schneller wieder, die Figuren wurden eindimensionaler und all die Facetten der Darstellung – von Polizei und Justiz über die Hafenarbeitergewerkschaft und die Schule bis in die Politik – wurden von der Hauptaussage zugekleistert, daß die meisten Menschen gern einfach ihre Arbeit machen würden, doch von Klüngeln und Machtspielchen daran gehindert werden.

Die berühmte Szene, in der “dealer predator” Omar (übrigens kein “Robin Hood”, Stefan Krauth!) vor Gericht vom Anwalt des Heroinkartells als kriminelles Subjekt vorgeführt werden soll und dann selbst aber mit den Worten interveniert: “I got the shotgun, you got the briefcase – it’s all in the game!”, war spannend als erhoffter Auftakt zu weiteren Einblicken in die Verschränkung von Geschäft und Verbrechen. Nur ist das “game” hier eben nur letzteres – am Geschäft ist durchweg nur schlimm, daß es zwischen Verbrechern und legalen Geschäftsleuten nicht unterscheidet, daß “dreckiges Drogengeld” gewaschen werden kann und die Bandenchefs sich unter die legalen Geschäftsleute mischen können. (Was essentialisierenderweise von den Kandidaten Barksdale und Stanfield dann auch nicht gut gefunden wird, weil sie lieber Gang Wars führen wollen.)

Maurice Levy The Wire
Der Kerl mit der Aktentasche: die einzige erkennbare, wichtige jüdische Figur in der Serie, unter all den widersprüchlichen Charakteren vielleicht der einzige, der nur unsympathsich gezeichnet wird. (Von Keith Kahn-Harris erstaunlicherweise so gedeutet, daß die soziale Desintegration in Baltimore auch dadurch gezeigt werden sollte, daß die Schwarzen Juden nur als solche Klischeefiguren kennen würden…)

Besonders die Polizeiarbeit hat es den Serienmachern angetan, und dort wiederum vor allem die Abteilungen für Mord und Betäubungsmittel. In dieser Schwarzweißwelt von Mördern und Heroindealerringen auf der einen Seite und unterbezahlten und ständig ausgebooteten “natural police”-Beamten auf der anderen gehen alle am Anfang aufscheinenden Differenzierungen rasch verloren.

Warum wird der Realismus so gelobt? Kennt jemand Baltimore, der das sagt? Und diesen Teil davon? Glaubt ihr, daß es in Baltimore keine politischen Gruppen jenseits der Einflußklüngel gibt? Denkt ihr, Bandenkriminalität sieht wirklich so ästhetisch aus? Hören die Leute dort wirklich alle nur so ausgesuchte Musik? Und fällt vor allem niemandem auf, daß von allen Drogen hier so gut wie ausschließlich Heroin zu sehen ist?

Stefan Krauth versuchte in der Phase 2 (»Bodymore, Murdaland« – Don’t hate the playa, hate the game) die Serie als Abbildung des überpersonalen “Spiels” zu fassen und behauptete fälschlich, es gäbe “keine Gewinner, kein Gut und kein Böse, jeder ist Opfer und Täter zugleich”. Krauth zitiert Ice Cube mit der Zeile “The game don’t change just the playas”. Doch es wiederholt sich nicht einfach nur alles, sondern es wird schlimmer. Die Rollen werden nicht nur übernommen, sondern das Personal wird härter und unmenschlicher: die irgendwann schon vergleichsweise gemütlich-menschlich wirkenden Obermacker Barksdale und Prop Joe werden vom Ghetto-Stalin Marlo abgelöst. Serienautor Simon sagt selbst: “Wir versuchen, zu erklären, warum die Dinge sind, wie sie sind, und warum sie eher schlechter als besser zu werden scheinen.”

Marlo Stanfield Snoop The Wire
Ghetto-Stalin und seine Abteilung für kreative Entsorgung

Das wurde anderswo wahrgenommen. Tobias Rapp oder Annika Beckmann und Gesa Albrecht verweisen zudem völlig richtig darauf, daß sich “The Wire” vor herkömmlichen Krimiserien durch Sprache und Plotaufbau sowie durch Identifikationsfiguren und Protagonisten auf allen Seiten auszeichnet. Doch auch hier wird’s verkehrt, wenn es heißt: “Innerhalb des auch bei anderen Serien, z.B. bei »The Sopranos« und »Deadwood« festzustellenden Trends zur messagelosen Amoral geht »The Wire« recht weit und ist gleich­zeitig eine sehr wütende Serie. In ihr lässt sich kein sinnvoller übergeordneter Standpunkt finden…

Bei Krauth hieß es gleich: “Von Ronald Schernikau wissen wir, dass der Westen, einem alten Trick folgend, die Moral eingeführt hat, um über Politik nicht reden zu müssen. Moral sei deshalb so beliebt, weil sie unter all den möglichen Standpunkten den herzzerreißenden wählt und sich so handlungsunfähig macht. The Wire weigert sich, über Moral zu reden, um über Politik reden zu können.”

Moral ist in der Serie aber nicht abwesend, sondern nur besonders stark entkleidet. Wie im Protestantismus die Kirche wurde der Krimi von einer ganzen Menge Tand befreit und die typische Moralerzählung ähnlich zusammengestrichen, nicht um nicht mehr die übliche Geschichte zu erzählen, sondern um sie kräftiger erzählen zu können: die Geschichte vom guten Cop und vom tüchtigen Arbeiter.

Bunk McNulty Greggs The Wire
Wollen unbedingt ihre Arbeit machen: die guten Polizisten McNulty, Greggs, Moreland

Die Eigeninitiative der positiv gezeichneten Polizeifiguren zielt darauf ab, die Zeit nicht mit “street rips” zu vergeuden, sondern “richtige Polizeiarbeit” zu machen, also Überwachung und größere Beute. Das gilt sowohl für die Bestrebungen von McNulty, der zum Schluß gar einen Serienmörder erfindet, um Mittel für die guten Polizisten zu bekommen, als auch für Major Colvin, der eine Duldungszone für Straßendealer einzurichten versucht, um die Hand für die große Verbrechensbekämpfung freizubekommen.

Der Bulle, der mal wirklich negativ aus der Rolle fällt und somit Realismus ins Spiel bringt, als er sich von einem Kiddie provoziert fühlt, das auf seiner Motorhaube rumlungert, woraufhin er brutal zuschlägt – der wird anfangs nur so übel geschildert, um die nötige Fallhöhe für seine spätere Läuterung durch Arbeit zu haben. Er hat nämlich deshalb den Jungen blind geprügelt und einen Kollegen erschossen, weil er eigentlich nicht in den Streifendienst gehörte und sich bei der Überwachungsarbeit viel besser aufgehoben fühlte.

Alles, was hier anders funktioniert und was es ja auch wirklich eine ganze Weile sehr hübsch anzuschauen macht, dient leider im Laufe der Serie immer mehr dazu, den erzählerischen Kern freizulegen: den Verfall der allein humanisierenden Arbeitswelt durch Korruption und Finanzkapital.

SHEEEEEEEIT
Wirkt noch übler als die Gangs: die Politik

Auf die Frage, woran es denn liege, daß alles immer schlechter wird, sagt Simon, der sich als “einer der größten Bewunderer Obamas” bezeichnet: “Dank ungebremstem Kapitalismus. Er ist eine brauchbare wirtschaftliche Kraft, aber kein Rahmen für eine irgendwie gerechte oder zusammenhängende Gesellschaft.”

Wenn Simon meint, in der ersten Staffel finde eine “Dekonstruktion der Polizeiserie”, des “Lieblingsformats der Networks” statt, dann heißt das eben nicht, daß deren Helden keine mehr seien, sondern daß sie in einer verkommenen Welt auch als fragwürdige Charaktere immer noch Vorbildfunktion haben können.

24 Responses to “The Wire – der gute kleine Lauschangriff”

  1. neuronal Says:

    “But instead of the old gods, The Wire is a Greek tragedy in which the postmodern institutions are the Olympian forces. It’s the police department, or the drug economy, or the political structures, or the school administration, or the macroeconomic forces that are throwing the lightning bolts and hitting people in the ass for no decent reason.
    In much of television, and in a good deal of our stage drama, individuals are often portrayed as rising above institutions to achieve catharsis. In this drama, the institutions always prove larger, and those characters with hubris enough to challenge the postmodern construct of American empire are invariably mocked, marginalized, or crushed.”
    (Simon im Interview mit Nick Hornby)

    Das ist der blinde Fleck bei Simon noch mal – von ihm selbst – anders herausgearbeitet. Da steckt ja auch ein nicht unbedingt nur progressiver Fatalismus gegenüber den ewigen und unveränderlichen Institutionen drin, gegen die dann das Konstrukt des heldenhaft scheiternden Idealisten in Stellung gebracht wird. Bei seinen Ausführungen zu Obama (die er in dieser Deutlichkeit bestimmt selbst nicht glaubt, da bin ich mir sicher) bei SPON driftet das ins Absurde ab. Wobei es für den Produzenten einer Fernsehserie natürlich verlockend ist, sich auf ein so prima funktionierendes dramatisches Prinzip zu stützen – wirft ja eine Menge Ambiguität und Komplexität ab, ist nur leider nicht endlos dehnbar.

    Andererseits ist es zu einfach, wenn Du die Simonschen tragischen Helden, die sich ihre Handlungsoptionen nicht von den Systemen vorschreiben lassen, in denen sie feststecken, darauf reduzierst, dass sie eben “ihren Job gut machen” wollen. (Colvin z.B. hat ja offensichtliche persönliche / autobiografische Motive für sein Hamsterdam-Projekt. Bei Omar, dem unbestrittenen fan favourite, passt es dann gar nicht mehr.)

    In den schwächeren Momenten der Serie kann das Scheitern an der Institution aber schon zum Klischee gerinnen, in der sehr selbstgerecht anmutenden Beschreibung der Innenverhältnisse der Tageszeitung in der letzten Staffel (Simon ist ja persönlich nach zig Jahren Reporterarbeit dort rauskomplimentiert worden) zum Beispiel. Ist natürlich auch Simons Recht als Autor – aber die Überhöhung zur objektiven soziologischen Analyse bringen ja nicht nur die bewundernden Kritiker rein, sondern er selbst (durchaus im Widerspruch zu den obigen Ausführungen zum antiken Drama).

  2. athene noctua Says:

    Ich habe die dritte Staffel nicht gesehen; aber eins interessiert mich: wenn Marlo ein „Ghetto-Stalin“ ist, was ist dann Stringer Bell?
    Außerdem: dass die Polizei sich bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität sich auf die Organisation konzentriert ist doch das höchste, was man von einer Krimi-Serie erwarten kann.
    Kapitalismuskritik würde doch Abstraktion bedeuten und die Form sprengen, das Fehlen dieser zu kritisieren erscheint mir sinnlos. Dass alle im Game mitspielen ohne den allgemeinen Zusammenhang zu erkennen, macht doch gerade die Tragik aus und ist Grundlage aller Konflikte ohne die es keine Handlung geben kann, oder?

  3. classless Says:

    @ neuronal

    Stimmt, für Omar gilt das so nicht oder zumindest nicht vordergründig – für Colvin aber schon. Er sieht seine Gegend durch den Fokus auf street rips und stats abstürzen und will die Hände seiner Leute freibekommen, damit die sich ohne den (kurzfristigen) Blick auf die Zahlen um die OK kümmern können. Da geht es um diese Vorstellung vom guten Polizisten als community service oder ABV, der nach dem Rechten sieht, alle kennt und in dessen Rücken die spezialisierte Überwachungsfahndung läuft. (Da ist ja McNulty dann auch das praktische Komplementär: er will nur der Streifencop sein, muß sich aber ständig um das kümmern, was wegen der verfehlten Ausrichtung der Polizei nicht oder zu wenig passiert.)

    @ athene

    Ghetto-Stalin heißt ja zunächst nichts weiter, als daß er das Spiel einfach konsequenter spielt und sein Leben wirklich komplett in dieser Gangwelt verbringt (und dem Ende nach zu urteilen auch weiter verbringen will). Stringer Bell will ja raus, will das ja hinter sich lassen und ein respektabler Geschäftsmann werden – das könntest du mit unzähligen Namen von Leuten labeln, die mit ihrem illegal erwirtschafteten Kapital ins legale Business gewechselt sind.

    Insgesamt erwarte ich von der Serie vielleicht auch gar nicht soviel, war aber doch von den positiven Besprechungen (und Äußerunge) irritiert und hab die letzten beiden Stafflen vielleicht nur deshalb noch mit weggeschaut, weil ich wegen dieser Besprechungen annahm, daß das noch mal kippt.

  4. Birkenrinde Says:

    Ich finde dein Urteil übertrieben. Dass Gangster Adam Smith lesen, soll m.E. zeigen, dass der Unterschied zwischen Gangstern und legalen Kapitalisten nicht so groß ist. Da könnte man der Serie dann strukturellen Antisemitismus (oder im Falle des Anwalts und Unternehmers oben auch nicht-strukturellen?) vorwerfen. Muss man nicht zwangsweise. Ich habe beim schauen der Serie das eher als Kritik an Marktsystemen und Unternehmertum verstanden. Es geht in der Serie -da geb ich Phase2 recht- um Strukturen, nicht um gute und böse Menschen.

    Ebenso die Polizei und die Schule: Du siehts darin anscheinend eine Verherrlichung der Arbeitsethik (ehrliche Arbeit bla), ich hab das ganz anders wahrgenommen. M.E. sollte gezeigt werden wie in Top-Down-Systemen Statistiken als Steuerungsmittel einsetzt werden, mit scheinbarem Erfolg, aber real katastrophale Auswirkungen haben. Was in The Wire im Schulsystem beschrieben wird, gibt es in der BRD genauso – Vergleichsarbeiten, VERA, PISA.

    Und Kritik an Korruption find ich erstmal gut. Sorry. wenn auch zuwenig…

    Es geht -wie gesagt- m.E. nicht um böses Kapital – gutes Kapital (die Kapitalisten müssen ja den Hafen rationalisieren und dann die Hafenarbeiter entlassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Gewerkschaftsführer muss kriminelle Wege gehen, wenn er das verhindern will.), es geht nicht um böse Kapitalisten, gutes Proletariat (die Arbeiter werden m.M.n. gar nicht so doll dargestellt wie du meinst), es geht nicht um die böse Politik (man sieht ja wie moralisch-idealistische Politiker am politischen System scheitern und dann derart in ökonomische und/oder kriminelle “Zwänge” verstrickt sind, dass sie nix mehr tun können) und es geht nicht um böse Heroin-Dealer (was sollen denn die Gangster anderes machen? Medizin studieren? <- so ähnlich /frei aus der Serie).

    Es geht um Strukturen: Die Strukturen sind schlecht, die Protagonisten spiegeln diese Strukturen wieder – klar stehen da die Benachteiligeten auf den ersten Blick besser da – aber das Problem ist, dass sie nicht verstehen, dass sie es mit strukturellen Problemen zu tun haben. Sie geben der Polizeiführung die Schuld oder der Politik oder dem Kapital. Das machen die Protagonisten, die Serie sagt -m.E.- was anderes.

    Gruß, Jari

  5. classless Says:

    @ Birkenrinde

    Aber was macht denn McNulty zum Protagonisten? Er sorgt ganz praktisch dafür, daß er seine Arbeit machen kann (und die anderen ihre). Das wird doch nicht neutral verhandelt, sondern als schlitzohriges Aufbäumen inszeniert.

    Stringer Bell liest Adam Smith, als er sich von der Gangwelt abzuwenden beginnt, und diese Veränderung bei ihm wird immer deutlich unterstrichen – in seinen Gesprächen mit Avon etwa oder wenn McNulty nach Stringers Tod angesichts der nobel eingerichteten Wohnung sich fragt, wen er da eigentlich verfolgt habe.

    Was aber meinst du mit “Kritik an Korruption”? Und was gibt’s daran gutzufinden?

  6. neuronal Says:

    Klar kriegt McNulty sympathische Züge verpasst, aber das grundsätzlich Kurzgedachte an seinen Aktionen wird schon sehr deutlich. Das ist ja nun keine Batman-Figur. Da unterschätzt Du den Raum, den das Werk dem Zuschauer (meistens, nicht immer) zur Reflektion lässt.

    Den Punkt mit dem ABV-Ideal sehe ich schon (wobei es ein heikler Vergleich ist, weil Polizeiarbeit in Baltimore doch in einem anderen Kontext stattfindet als im DDR-Plattenbauviertel)- hat sicher auch was damit zu tun, dass zu Simons wichtigsten Mitarbeitern ein langjähriger police detective aus Baltimore gehört ( der dann sogar noch in den Lehrerjob gewechselt ist). Aber auch da wird dem Zuschauer die Erkenntnis der Absurdität einer solchen Haltung im weiteren Kontext ja durchaus ermöglicht.

    Interessanterweise wird die Polizei in der ersten Staffel von “Treme” ganz anders gezeichnet (allerdings eher in Nebenrollen), als überforderter Willkürapparat und Vollstrecker zweifelhafter politischer Entscheidungen. Wenn man das Simon-Inner-City-Drama als Form zur Amalgamisierung (falls das ein Wort ist) verschiedener subjektiver Erfahrungen liest und den politischen Anspruch mit ner Prise Salz nimmt, kommt man vielleicht weiter.

  7. classless Says:

    “Da unterschätzt Du den Raum, den das Werk dem Zuschauer (meistens, nicht immer) zur Reflektion lässt.”

    Das ist ja m.E. das Protestantische daran – sozusagen mehr durch weniger & zum Selberausmalen. Was ohenhin mitgedacht wird, muß auch nicht mehr ständig expliziert oder illustriert werden.

  8. Birkenrinde Says:

    Korruption ist, denke ich, ein Sympton dafür, dass eine Gesellschaft ihre öffentliche “Macht” verliert, d.h. dass die eigentlichen Interessen nicht mehr erkennbar bzw. zuordenbar sind und es üblich wird sich über das Recht zu stellen – aber nicht als Gesetzlosigkeit, Anomie, sondern als Funktion der Verhältnisse. Korruption findet man dann in allen Bereichen und Schichten dieser Gesellschaft – es wird üblich. Ich will nicht moralisch argumentieren, sicher wird Korruption, wie auch Verbechen, Armut etc. gesellschaftlich produziert, und da kommt man in ne ganz andere Diskussion… .

    Mich würde interessieren wie du Korruption siehst.

    Jari

  9. Donauwelle Says:

    Der Repressionsapparat als pseudoklassizistisches Pantheon einer unmündigen Gesellschaft – was für eine Farce. Dass Propaganda für den Überwachungsstaat von einem der größten Bewunderer Obamas kommt ist sehr plausibel, gerade erst erklärten die seinerzeit schärfsten Kritiker_innen Bushs seinen Nachfolger in Sachen Überwachung und Isolationsfolter für schlimmer als Nixon. Wieviele Lauscherkarrieren wurden wohl durch dieses Programm in die Wege geleitet und was hat der Produzent dafür pro Kopf eingenommen? Soetwas ist Korruption als organisierte Realität und nicht bloss als projektives Totschlagargument gegen vermeintliche Subversion.

    http://www.globalexchange.org/blogs/peopletopeople/2011/03/11/war-crimes-good-exposing-them-bad/

  10. david Says:

    Meh, Ich hab die Rezension zum Antisemitismus ja auch gelesen. Und dass die Serie da mit Stereotypen spielt ist ja auch richtig, aber die Serie hat ne Szene wo die Staatsanwaeltin als Juedisch identifiziert wird (kein eindimensionaler Charakter). Vielleicht etwas zu selektiv hingesehen? Gucks halt nochmal.

  11. frylock Says:

    The Wire’s War on the Drug War
    By Ed Burns, Dennis Lehane, George Pelecanos, Richard Price, David Simon

    http://www.time.com/time/nation/article/0,8599,1719872,00.html

  12. classless Says:

    hm, bottom line still seems to be this:

    “Lost in an unwinnable drug war, a new generation of law officers is no longer capable of investigating crime properly, having learned only to make court pay by grabbing cheap, meaningless drug arrests off the nearest corner. What the drugs themselves have not destroyed, the warfare against them has.”

  13. lola Says:

    ist euch sonst noch etwas kritikwürdiges an “the wire” aufgefallen? der mangel an ausdifferenzierten weiblichen charakteren zum beispiel? der mangel an feministischen und gender-politischen aspekten vielleicht? nein? na dann, nachzulesen oder zu hören:

    http://previously.us/2010/07/22/genderfragen-on-the-wire/

  14. classless Says:

    Da gäbe es in der Tat auch viel zu sagen & ich überlege, dazu noch ein Posting zu schreiben – gerade beim Re-Run fiel mir auf, wieviele Sachen, von denen ich beim ersten Schauen dachte, daß die nicht so stehen bleiben, doch so stehen blieben. Greggs, die eine so gute Polizisten ist, weil sie lesbisch ist. McNulty, der jedes Nein von Rhonda Pearlman übergeht und kriegt, was er will. Und eben die frustrierende Rolle von Beadie Russel…

    Danke für den Link!

  15. Donauwelle Says:

    @frylock, classless – That this program is no grasp for emancipation from an illegitimate war can easily be seen from the deliberately spoiled portrayal of its most hopeful opponents as desperate victims in this statement. Its purpose is not to put evil regime thugs out of business but to make them more efficient in destroying the freedom of our societies. It propagates an escalation of the drug war from a public security nuisance related to the arms trade into a covert assault of targeted totalitarianism against unarmed dissidents, plastering all the way there with the best intentions. Haven’t those screenwriters got any idea where that might get them?

    http://www.drugwarrant.com/2010/12/old-news-dea-is-an-out-of-control-rogue-agency/
    http://www.cannabisnews.org/united-states-cannabis-news/cables-portray-expanded-reach-of-drug-agency/

  16. indee Says:

    größtenteils muss ich mir da nochmal gedanken zu machen.

    das hier sehe ich aber anders:

    “Der Bulle, der mal wirklich negativ aus der Rolle fällt und somit Realismus ins Spiel bringt, als er sich von einem Kiddie provoziert fühlt, das auf seiner Motorhaube rumlungert, woraufhin er brutal zuschlägt – der wird anfangs nur so übel geschildert, um die nötige Fallhöhe für seine spätere Läuterung durch Arbeit zu haben. Er hat nämlich deshalb den Jungen blind geprügelt und einen Kollegen erschossen, weil er eigentlich nicht in den Streifendienst gehörte und sich bei der Überwachungsarbeit viel besser aufgehoben fühlte.”

    ich würde sagen, dass die figur pryzbylewski als eine gezeichnet wird, die mit der mackerkultur in der polizei (bzw. besser: unter polizisten, um mal auf die unterscheidungen von offizieller polizei- und inoffizieller bullenkultur zu rekurrieren) nicht zurecht kommt und die das gegenüber den vorzeigemackern hauk und carver quasi überkompensiert in der ausufernden gewalt gegen den ihn “provozierenden” jugendlichen. zurecht kommt er mit seinem job erst als er dinge tun darf, die ansonsten nicht gefordert werden (rätsellösen, rechnen …). das ist ein kleiner, aber feiner unterschied zu deiner auffassung.

    polizeigewalt wird im übrigen auch in einer weiteren szene dargestellt, in der mehrere cops brutal auf einen jugendlichen einschlagen. als kima greggs das sieht rennt sie brüllend auf die gruppe zu. wäre “the wire” narrativer standard würde kima ihre kollegen vom prügeln abhalten. stattdessen packt sie ihren schlagstock aus und prügelt munter mit. das verweist meines erachtens sehr gut auf die verhältnisse in der polizei, auf corpsgeist etc. kurze szene, aber ganz stark.

  17. classless Says:

    Daß es Greggs ist, die das tut, läßt sich aber auch als Rechtfertigung verstehen.

  18. indee Says:

    ich müsste mir die szene nochmal anschauen, aber die beteiligung von greggs als rechtfertigung der polizeigewalt zu verstehen, halte ich für sehr weit hergeholt. im gegenteil würde ich sogar sagen, dass hier von simon ganz bewusst der narrative standard gebrochen wurde.

  19. classless Says:

    Ich hatt’s mir ja gerade erst noch mal angeschaut und festgestellt, daß ich beim ersten Schauen auch dachte, das wär so gemeint wie du sagst – aber das bleibt ja alles so stehen!

  20. neuronal Says:

    Hier ist übrigens eine wirklich problematische Szene, obwohl bzw. gerade weil die narrativen Erwartungen unterwandert werden:
    Herc and Carver Listen to Phone Sex

    Und hier die Szene mit der knüppelnden Greggs.
    Klar bleibt das “so stehen”. Und ja, es könnte als Rechtfertigung gelesen werden, aber es lässt offensichtlich ne Menge Interpretationsspielraum (hat z.B. auch eine schwarzhumorige Note). Die Szene hält eine riskante, aber interessante Balance. Es ist doch nicht der Anspruch von The Wire, seine Haltung komplett auszubuchstabieren? (Abgesehen davon, dass Simon genau das in seinen zahlreichen Wortmeldungen tut, siehe Zitat “the institutions always prove larger” im ersten Kommentar.)

    Dagegen halte ich den Hinweis auf die unterentwickelten Frauenfiguren schon für stichhaltiger (die Betrachtung kann man durchaus noch auf den nahezu hundertprozentigen Männeranteil im writer’s room ausweiten). Ist allerdings in “Treme” nicht mehr so.

  21. bigmouth Says:

    es gibt auf youtube ein interviewvideo, wo Simons sagt, man könnte leuten in den projects drogen verkaufen ungefähr so weit vorwerfen, wie wenn sie einen job annähmen, wenn jemand plötzlich um die ecke ein stahlwerk aufmachte

  22. bigmouth Says:

    http://www.youtube.com/watch?v=qulcqNMHVic meine ich. oder teil 2

  23. indee Says:

    ich verstehe den vorwurf, es bleibe alles so stehen, nicht. muss das denn nachträglich irgendwie ausformuliert bzw. als kritik explizit gemacht werden? ich finde die selbstverständlichkeit mit der beide seiten – cops und opfer – diese brutalität als normalität hinnehmen vielsagender als eine ausformulierung.

  24. jason Says:

    Ich verstehe deine Vorwürfe teilweise auch nicht. Besonders diesen Absatz hier nicht:

    “Warum wird der Realismus so gelobt? Kennt jemand Baltimore, der das sagt? Und diesen Teil davon? Glaubt ihr, daß es in Baltimore keine politischen Gruppen jenseits der Einflußklüngel gibt? Denkt ihr, Bandenkriminalität sieht wirklich so ästhetisch aus? Hören die Leute dort wirklich alle nur so ausgesuchte Musik? Und fällt vor allem niemandem auf, daß von allen Drogen hier so gut wie ausschließlich Heroin zu sehen ist?”

    Ed Burns ist ein ehemaliger Polizist in Boltimore gewesen und hatte maßgeblichen Einfluss auf die Serie. Dies impliziert sicherlich nicht automatisch Realismus (da man sich ja nicht selber in dem Drogenmilieu Baltimore´s aufhielt), aber es kommt wenigstens so rüber und ich denke mehr ist dann gar nicht möglich.

    Deine Frage aufgrund der Musik verstehe ich erst recht nicht. Ist das wirklich so relevant und vor allem, wie soll so etwas recherchiert werden ? Wirkt Marlo Stanfield authentischer, wenn er Benjamin Blümchen im Auto hört ?

    Das überwiegend Heroin zu sehen ist, hängt wieder mit dem Realismus zusammen. Heroin ist eine Droge, die man sehr gut Strecken kann, um den Gewinn zu maximieren. Dies ist mit zum Beispiel Marihuana kaum möglich. Kokain ist natürlich auch gut streckbar, allerdings auch eine Droge der “Oberschicht”. Da der Drogenverkauf bei The Wire an richtige Junkies geht, macht dies schon am meisten Sinn.

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