Köln → Thale

July 28th, 2014

Kaum war ich ein paar Tage in Köln, schon versank die Stadt im Chaos. Mitten in der Nacht irrten Tausende von Menschen zwischen endlosen Autostaus und festsitzenden Straßenbahnen herum, Anzeigetafeln fielen aus, die Polizei und viele, die sich so vorkamen, mahnten inmitten davon herrisch irgendwelche Reste von Regeln an – nachdem ich selbst anderthalb Stunden gebraucht hatte, um aus dem Geschiebe und Genöle herauszukommen, beschloß ich, mich mal wieder auf den Weg zu machen.

Das tat ich so: ich fuhr mit der U1 bis zur Endstation Bensberg, lief dort bis an die Autobahnauffahrt, die zwar ein Schild erforderlich macht, aber sehr zu empfehlen ist.

Vom ersten Auto weiß ich nicht mehr sehr viel – ein Pärchen, möglicherweise aus Ungarn, auf dem Weg in die Nähe von Nürnberg, meinetwegen aber via Siegen. Von Katzenfurt fuhr irgendwie niemand in meine Richtung auf die A5, also orientierte ich auf ein Wendemanöver. Als ein weiteres Pärchen auf dem Weg nach Frankfurt anhielt, sagte ich, daß ich in Wetterau die Seiten wechseln will, und sie wußten sofort bescheid – waren beide offenbar selbst schon viel getrampt und schienen sich insgesamt mit den Rändern und Abgründen der Gesellschaft ganz gut auszukennen.

Der Lieferwagenfahrer, der mich in Wetterau dann einlud, sprach eine Mischung aus Holländisch, Französisch und Moseldialekt und sollte für eine Firma einen auf ebay erworbenen Motor aus einem mir und ihm unbekannten Ort abholen, an den ihn sein antikes Navi lotsen sollte. Er war sich aber sicher, daß sein Ziel grob in Richtung Kassel läge, also fuhr ich zumindest bis nach Reinhardshain mit, es gelang aber kein richtiges Gespräch.

In Reinhardshain stand ich ganz schön lange rum (vielleicht, weil ich anfing zu singen), dann hielt der Betreiber eines Spätis in Friedrichshain an, was nun leider nicht mehr heißt, daß ich schon zu Hause bin. Da sein Navi der Meinung war, ihn lieber über die A4 als über die A7 nach Berlin zu schicken, ging’s für mich sogar nur bis nach Kirchheim. Das Gespräch drehte sich darum, wie sich Berlin so verändert hat – er meinte, daß vieles nicht mehr funktioniert, wenn es zu viele Leute werden, die selber nichts tun. Er will deshalb bald woanders hingehen, in die Schweiz vielleicht.

Bensberg Map

Von Kirchheim bis zur A7-Ausfahrt Rhüden, von der es ins Harzvorland geht, fuhr ich mit einem Kletterlehrer, der mit einem alten Bus mit defektem Turbolader unterwegs war, so daß wir hin und wieder Pause machen mußten. Wir redeten größtenteils über Nazis, aber auch zum Beispiel über einen Bekannten von ihm, der mit Tesla-Geräten herumexperimentiert.

Zum Schluß dann noch ein älteres Ehepaar in einem Mercedes mit weißer Innenauskleidung, das über Schönebeck weiter in die ostdeutsche Provinz wollte und das als “eine Art Trampen” bezeichnete. Wir unterhielten uns darüber, wie sich der Osten entvölkert hat, was überhaupt noch Leute hier hält, über aufgegebene Dörfer und abgebaute Industrie. Bevor sie mich an der Quedlinburger Ausfahrt absetzten, drängten sie mich noch dazu, mich unbedingt, so bald ich kann, auf der Roßtrappe in den Hufabdruck zu stellen und mir etwas zu wünschen – weil das immer funktioniert. Aber nur, wenn ich’s wirklich glaube.

Dann mußte ich nach Quedlinburg hineinlaufen, weil an der Ausfahrt niemand anhielt, entdeckte, daß die beste Trampstelle in Richtung Thale nun eine Baustelle ist, und setzte mich dann für die letzten Meter doch noch in den Zug.

4 Responses to “Köln → Thale”

  1. Yvonne Says:

    Hey Kulla,

    ich lese schon seit Langem gerne deine Tramper-Geschichten. Achtung Buchidee: Magst Du nicht mal ein Buch schreiben über das Trampen? Ich meine weniger ein Sachbuch als vielleicht eine Kurzgeschichtensammlung.
    Ich wäre Fan!

  2. classless Says:

    Die Idee kam im Laufe der Jahre immer mal auf und wurde dann aus unterschiedlichen Gründen schnell wieder verworfen. Aber wer weiß…

  3. Hierarchieallergie Says:

    @classless – Gegen Fans sehr effektiv ist es diese auf die Gelegenheit zur Selbstverwirklichung aufmerksam zu machen.

    Da Du nicht schreibst dass Du in Kirchheim tankende Fahrer angesprochen hast: Gibt es da mittlerweile eine Möglichkeit Vorbeifahrende zu stoppen?

    Zum Abschied für dieses Jahr auch nach Wien noch der Hinweis darauf dass das sogenannte “Deutschland” seit kurzem von einem alten Hundefutterschnorrtape regiert wird das den Präsidenten gehackt hat. Am Ende der 20. Minute hat sich ein gehirnkranker Abhörbot verschluckt, und seitdem ist bei den Parlamentsabgeordneten der Selbstbedienungsschaltkreis kurzgeschlossen… 😉

    Beweisstück: https://www.youtube.com/watch?v=tmyAvr1y-Yw

  4. classless Says:

    Ich steh eigentlich immer in dieser Ausfahrtkurve, außer nachts oder wenn’s regnet…

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