Neuer Track “Wir streiken” mit Hintergründen, Links & Video

March 31st, 2015

Neues bzw. Altes oder Zeitgeschichtliches vom Lasterfahrer und mir – gewissermaßen der Soundtrack zur gerade erscheinenden Übersetzung von “Sin Patrón” und gleichzeitig Kommentar zur vielleicht größten Leerstelle in den politischen und ökonomischen Diskussionen dieser Tage, einem der großen Elefanten im Raum, über die kaum jemand redet: die Klassenkämpfe, ihr Verlauf und ihre entsprechend positiven und negativen Wirkungen. (Siehe: Neue, alte Lieder)


Empfehlung: Vollbild, laut, Bass,
Dauerschleife bis zum Kommunismus!

Die erste Hälfte des Videos zeigt die DEFA-Nachempfindung (entsprechend Thälmann-zentriert) des Generalstreiks gegen den Kapp-Putsch 1920, von dem wir vor allem Hafen, Straßenbahnen und Betriebe in Hamburg sehen. An dem Generalstreik beteiligten sich jedoch Millionen in ganz Deutschland und wehrten so den ersten offen faschistischen Griff nach der Macht ab. Vor allem im Ruhrgebiet gingen sie, anknüpfend an die Streik- und Sozialisierungsbewegung von 1918/19 (dazu z.B. “Die Massen sind aber nicht zu halten gewesen”), auch zum sozialistischen Aufstand über, einem der umfangreichsten während der heute vielsagend beschwiegenen bis umgedeuteten deutschen Revolutionsperiode 1918/23.


Rote Ruhrarmee

In der zweiten Hälfte wechselt der Schauplatz dann nach Argentinien etwa ab Ende der 1990er, genauer zu Vorgeschichte und Verlauf der wohl größten und wichtigsten Instandbesetzung (“recuperación”) des Landes. Während die entlassenen Ölarbeiter im Nachbarort Cutrál Co keinen Betrieb mehr zu besetzen haben und Straßenblockaden (“piquetes”) veranstalten, die stark zum landesweiten Ausgreifen der (mittlerweile größtenteils zur Regierung übergelaufenen) Bewegung der Piqueteros beitragen, organisieren sich die Arbeiter im Keramikwerk Zanón in Neuquén zur Umgehung der Redeverbote im Betrieb außerhalb der Arbeitszeit bei Fußballturnieren, bilden eine eigene Vertretung, die erst die “interne Kommission” bei Zanón und dann die regionale Sektion der Staatsgewerkschaft übernimmt und streiken den Eigentümer, der den Betrieb ausschlachten wollte, in die Flucht. (Die ganze Geschichte: “The heart of the factory”)

Am Ende besetzen sie das Werk und übernehmen es, gegen ständige Schikanen und Repression durch Provinzregierung und Alteigentümer, als Kooperative FaSinPat (“fábrica sin patrones”“Fabrik ohne Herren”), in der heute etwa 470 Mitglieder arbeiten, von denen alle weiterhin den gleichen “Lohn” bekommen und in der Vollversammlung, der höchsten Autorität im Werk, auch alle gleiches Rede- und Stimmrecht haben. FaSinPat ist das direkte Vorbild für die Instandbesetzung der Druckerei RR Donnelley (jetzt: Madygraf) in Buenos Aires letzten Sommer – und da wie dort spielen Aktivisten der PTS eine wesentliche Rolle, deren Filmgruppe Contraimagen begleitend zur recuperación der Druckerei den Dreiteiler “Marx ha vuelto” produzierte, in welchem der Bogen von Marx über das Sozialisierungsdekret der Pariser Kommune bis zur argentinischen Gegenwart geschlagen wird.

Das Ende des Videos bildet eine Anekdote von Raúl Godoy, von Beginn an PTS-Aktivist bei Zanón/FaSinPat, dessen Tochter seine (trotzkistisch geprägten) Erzählungen von Kommunismus und Revolution zunächst für schöne Märchen hielt, bis sie durch die Instandbesetzung Zanóns zu glauben begann, daß es doch möglich ist.

(Das Original des Songs war wiederum die B-Seite der ersten Single von Ton Steine Scherben, vorn “Macht kaputt, was euch kaputt macht”, hinten “Wir streiken”.)

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