Victoria 3 – 100 Jahre globale Klassenkampfgeschichte als Computerspiel
January 29th, 2025Vortragsankündigung
Im Strategiespiel „Victoria 3“ lässt sich die Weltgeschichte ab 1836 nacherleben und umgestalten – ein hervorragendes Beispiel für die Darstellung von Ökonomie und Klassengeschichte.
Nachdem in ihren Spielen immer mehr Versuche auftauchten, Klasse und Ökonomie möglichst geschichtsnah und weniger eurozentrisch darzustellen, veröffentlichte die schwedische Firma Paradox Interactive 2022 die bisher vermutlich beste Simulation von Klassenkampfgeschichte.
Darin kommen alle Menschen vor und gehören zu verschiedenen Berufsgruppen, die sich je nach Entwicklung von Einkommen und Gesetzen Interessengruppen anschließen können um eben diese Einkommensverteilung und Gesetzeslage zu ihren Gunsten zu beeinflussen. “Industrielle”, die zunächst immer größere Teile der Ökonomie dem in den meisten Ländern dominierenden Großgrundbesitz durch Investition, Steuerrecht und Handelspolitik entziehen, werden reaktionär, wenn es um Arbeitsschutz, Mindestlohn, öffentliche Gesundheitsversorgung, Renten und Progressivsteuern geht.
Auch die Interessengruppe “Gewerkschaften“ entsteht erst aus Teilen verschiedener Berufsgruppen, die sich nach und nach als reale Bevölkerungsmehrheit durch möglichst allgemeines Wahlrecht mehr Mittel verschaffen wollen und sich irgendwann, je nach Spielverlauf, mittels Räterepublik selbst in den Besitz der Produktionsmittel bringen. Räterepublik gibt es hier mit Mehrparteienwahl, Einparteienstaat oder Anarchie, genossenschaftlichem oder staatlichem Eigentum – differenzierter als in vielen historischen und politischen Debatten.
Kulla möchte weniger dafür werben, mit diesem Spiel die Bude zu heizen, sondern es eher als Beispiel dafür vorstellen, wie dynamisch, komplex und dennoch nachvollziehbar gesellschaftliche Entwicklungen und Klassenauseinandersetzungen abgebildet werden können.

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