Die akademische Entschwörung so far

February 15th, 2006

Im Deutschen Institut für Menschenrechte referierte gestern Werner Bergmann vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU zum Thema “Judenfeindschaft – Rassenlehre – Verschwörungsphantasien. Erscheinungsformen und Motive des Antisemitismus” und schaffte es dabei, einen bemerkenswert vollständigen Überblick über das Thema zu geben, historisch zurück bis zum Entstehen des Christentums, der Transsubstantationslehre und dem Laterankonzil von “1215”; gegenwärtiger feat. Hohmann, Möllemann, Ahmadinedschad, Chavez, die “Opferkonkurrenz” bei islmaischen Migranten, aber auch in Polen (“Auschwitz als Ort polnischen Leidens…”)


Bergmanns politisches Koordinatensystem kennt einen von Linken, Rechten und Islamisten umgebenen Mainstream, den er aber im Gegensatz zu Ersteren nur sehr selten mit dem Thema in Verbindung brachte. Viel verblüffender sein Verweis, beispielweise Identifizierungen der Weltwirtschaft mit den Juden seien recht verbreitet unter extremen Linken, “jetzt mal die Antideutschen ausgenommen.”

Zu oft verwandte Bergmann die Realitäten der sozialen Rolle der Juden etwa im 19. Jahrhundert (“rascher Aufstieg”) oder des “Nahostkonflikts” als Ableitungsgrund für Antisemitismus; das paßte leider recht gut dazu, daß die Beliebigkeit antisemitischer Erklärungen nicht vorkam, daß also kriegerisches wie friedliches, konkurrierendes wie gemeinschaftliches Verhalten immer antisemitisch interpretiert werden können, da die Verankerung in der Realität eben nur sehr lose ist.

Zum Komplex der modernen nationalistischen Judenfeindschaft und der Unterstellung, Juden würden zur Nationenzersetzung dieZuwanderung steuern, zitierte er eine rechtsradikale Quelle mit dem bemerkenswerten Slogan “Der Ausländer ist die Globalisierung vor Ort”. In diesem Zusammenhang erwähnte er auch den Begriff “westtoxification”, mit dem Islamisten den jüdischen Einfluß auf das “Haus des Islam” bezeichnen.

Der für mich wichtigste Teil des Vortrags, der Komplex Antisemitismus und Verschwörungstheorie, kam leider etwas zu kurz und bediente wieder mal das Klischee, das Internet sei das “ideale Medium zur Verbreitung” von VT, so wie Bergmann auch etwas später davon sprach, die Internationale der Holcaustleugner würde sich “übers Internet vernetzen”. Das mißachtet völlig die Relation von ‘lunatic fringe’ und gesellschaftlichem Mainstream, ebenso die ungleiche Verbreitung von Internet und VT, zuletzt übergeht es die “entschwörerischen” Möglichkeiten des Netzes, die ich hier angerissen habe.

Gut wiederum. daß Bergmann den Vorwurf westlicher wie islamistischer Antisemiten anführte, die Juden würden die Annäherung und “Versöhnung” zwischen Moslems und dem Westen sabotieren. Ebenfalls neu war für mich die Beschuldigung, die Juden würden AIDS unter den Arabern verbreiten.

Insgesamt wiederhole ich meinen Respekt vor der kompakten Überblicksdarstellung, muß mich jedoch sehr wundern, daß das Publikum so sehr deutlich machen mußte, daß es dazu erzogen wurde, über die “Dummheit” “solcher” – also antisemitischer – Auffassungen zu lachen, denn bis auf wenige Ausnahmen sind sie überhaupt nicht komisch.

(http://www.myblog.de/classless/art/2905217

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