Rote Armee Fiktion

December 4th, 2007

Schon am vergangenen Dienstag stellte die Bahamas im “Max & Moritz” den Sammelband “Rote Armee Fiktion” (ca ira) vor, der alte und neue Texte zur RAF enthält.

Uli Krug rekapitulierte das Gedenkjahr 30 Jahre “Deutscher Herbst” und konstatierte eingangs, Christian Klar habe Pech gehabt, sei in die Strafverschärfungsdebatte geraten, der Souverän habe gnadenlos erscheinen wollen. Zur Gemütslage, aus der heraus die RAF heute betrachtet wird, führte er an, daß es seinerzeit möglich war, Antiamerikaner und Antisemit zu sein und trotzdem von den Nazis und dem Normalbürger angefeindet zu werden. Mahlers jüngste Äußerungen über seine noch halbbewußte antisemitische Motivation zum bewaffneten Kampf nahm Uli Krug wie viele andere zuletzt leider für bare Münze statt sie als biographische Begradigung zu erkennen. Triftiger erscheint mir sein Verweis auf die Nähe zwischen dem Kaufhausbrand und der NSDAP-Propaganda gegen Warenhäuser schon ab 1920.

1977 erschien in der Gesamtschau als deutsche Tragödie, die Trutzburg Stammheim, die Götterdämmerung im Herbst, Düsternis, Verrat, Verschwörung; letztlich auch Geburtstaunde von Friedensbewegung und Grünen. Die deutsche Öffentlichkeit kennzeichnete und kennzeichnet hinsichtlich der RAF eine merkwürdige Verbindung aus Haß auf die Täter bei gleichzeitiger Gleichgültigkeit gegenüber Opfern und Hinterbliebenen.

Das Ende der RAF in den Neunzigern sei auch das Ende der KPD von 1930 gewesen, somit ein guter Anlaß, sich von der zwanghaften Verteidigung zu verabschieden.

Als zweites referierte Jan Gerber über die Frage, ob die RZ die bessere RAF waren. Schon bei den ersten Sätzen seines Sittenbildes davon, welche Verehrung die RZ bis heute genießen und wie sie einst begannen, war dem weiter neben Gerber sitzenden Uli Krug die Peinlichkeit über die eigene Vergangenheit anzusehen, er schüttelte, Daumen und Zeigefinger an der Nasenwurzel, den Kopf.

Gerber porträtierte die RZ als “populäre Guerilla”, an die sich erst 1992 von Seiten der RAF angenähert wurde. Für die Anfangsjahre sei noch ein “angenehmer Pessimismus” zu erkennen, der sich jedoch durch den blinden positiven Bezug aufs Volk verloren habe. Aus dem Umstand, daß 1972 die erste RAF-Generation nicht von den Sicherheitsorganen ermittelt, sondern verpfiffen wurde, hätten die RZ keine Konsequenzen bezüglich des Volks gezogen.

Stattdessen habe man sich die Massen als von Bild-Zeitung und “Konsumterror” verblendet und manipuliert vorgestellt und habe sich – wie die RAF – an der Vermittlung zwischen theoretisch gutem und praktisch bösem bzw. dummem Volk abgearbeitet. Bei einem Anschlag der Nazis von der Hepp-Gruppe, der zunächst den RZ zugeschrieben und von deren Anhängern beklatscht wurde, sei dieses Dilemma offensichtlich geworden.

Auch die immer wieder zum Beweis der Selbstkritik ins Feld geführten Dokumente, “Beethoven gegen MacDonald” und “Gerd Albartus ist tot“, dienten nur der Ehrenrettung des richtigen Antiimperialismus, der sich später mit dem Umschwenk vom “Volk” zur “Kultur” in Antirassismus gewandelt habe. Widerstand sei von den RZ und ihren zahlreichen Nacheiferern wie “Klasse gegen Klasse” als Selbstzweck angesehen worden, die Bombe als Medium.

In der Diskussion wies Tjark Kunstreich darauf hin, daß ein Grund für Gerd Albartus’ Tod sein Schwulsein gewesen sein müsse, weil es keinen Hinweis auf einen politischen Verrat gegeben habe, mit dem man offen hätte umgehen können.

12 Responses to “Rote Armee Fiktion”

  1. godforgivesbigots Says:

    Trotz all ihrer politischen Fehlleistungen ist nicht von der Hand zu weisen daß die einheimischen Terrorgruppen auch die einzige praktische Infragestellung des Gewaltmonopols der Geheimdienste waren, welche z.T. bis zum heutigen Tag ähnliche politische Fehlleistungen erbringen.

    Trat Jan Gerber wieder mit Überraschungskrawatte auf?

  2. classless Says:

    Oh je, das Kurzzeitgedächtnis – ich glaube, er hatte keine um.

  3. saltzundessick Says:

    kgk als nacheiferer der rz? gewagter vergleich.

  4. classless Says:

    Erläutern Sie! War alles überwiegend vor meiner Zeit…

  5. saltzundessick Says:

    weil das einfach ein komplett anderer ansatz war. das auf die ‘bombe als medium’ zu reduzieren, ist denkbar schwach und stimmt zudem nichtmal sachlich. ansonsten ist das eine diskussion, die online eventuell etwas weit fuehrt.

  6. classless Says:

    Etwas länger war der Gedankengang schon – “Klasse gegen Klasse” wurden zu denen gezählt, die das DIY-Konzept der RZ übernommen haben. Aber wie gesagt, das kann ich nur wiedergeben, nicht einschätzen.

  7. scheckkartenpunk Says:

    Jan Gerber hatte keine Krawatte um.

    Kritisiert hat Gerber bei KgK soweit ich mich erinnern kann die Analogie des Ansatzes militanten Kampfes – nicht Widerstand war der Selbstzweck sondern Gewaltausübung. Eine Vermittlung irgendwelcher Inhalte hat dabei genauso wenig stattgefunden wie bei der RZ, weshalb dieser der Anschlag auf die Hepp Gruppe überhaupt zugeschrieben werden konnte.

  8. saltzundessick Says:

    dein gesieze nert ungemein. soll das lustig sein?

  9. saltzundessick Says:

    nervt, meine ich. du weisst schon.

  10. classless Says:

    Ich halte es gar nicht für so seltsam. Aber wenn du überhaupt nicht drauf stehst, kann ich das auch lassen.

  11. dissidenz.olifani.de » linksruck gründet “die linke. sds” Says:

    […] im rhein-main-gebiet durch die nazitruppe um odfried hepp nur schwer oder eher gar nicht erkennen ließen. der “sozialistische deutsche studentenbund (sds)” war der wegbereiter dieses […]

  12. » linksruck gründet “die linke. sds” kotzboy.com Says:

    […] im rhein-main-gebiet durch die nazitruppe um odfried hepp nur schwer oder eher gar nicht erkennen ließen. der “sozialistische deutsche studentenbund (sds)” war der wegbereiter dieses […]

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