Kleine Lageeinschätzung

June 22nd, 2008

Deutschland ist so mächtig wie noch nie zuvor in seiner Geschichte. Deutschland ist Papst, hatte die Fußball-WM, den G-8-Gipfel und kann sich als der nette Imperialist von nebenan präsentieren, der als weniger schlimm denn die Amis oder die Chinesen gilt. Die Nazis sind ja nur irgendwo da im Osten, die Armen nur irgendwo da südlich von Neukölln, die iranische Regierung ist auch eher mißverstanden und das landläufige Gehetze gegen Moslems ist im Grunde Religionskritik – Frauen gehören eben nicht unters Kopftuch, sondern an den Herd.

So weit, so schrecklich – nun spielt die Herrenauswahl auch noch, so wurde mir versichert, ganz passablen Fußball.

Die Prä-, Post- oder unterschiedlichen Core-Antideutschen nehmen angesichts des Erfolgs bei der EM entweder zu traditionelleren Bildern Zuflucht oder sind sogar dialektisch dafür, daß Deutschland im Halbfinale gewinnt, damit a) keine Massenübergriffe auf Türken stattfinden, damit b) Massenübergriffe von Türken auf Deutsche stattfinden und/oder damit c) Deutschland im Finale gegen Holland verlieren kann und van Bastens ’88er „wunderbares Gefühl” wiederbelebt wird, “im Finale diese widerwärtigen Deutschen” geschlagen zu haben. Was natürlich nun gar nicht mehr geht. Egotronic halten laut Bühnenansage an der Losung “Halbfinalaus” fest.

Ich sehe wenig Sinn darin, zu Gegenidentifikationszwecken die Nationalfahnen der jeweiligen Gegenmannschaft herumzuschwenken (Kroatien!) und bin ohnehin eher nicht der Fußballschauer. Positiv gewendet – bzw. schöngequatscht – lasse ich mir die Themen gerade nicht aufdrängen und versuche, in den nächsten zwei bis drei Wochen das im Jahre 1497 spielende Buch fertigzuschreiben und die letzten Kleinigkeiten an der Platte mit dem Lasterfahrer zu machen, auf der es inhaltlich zwar auch ein bißchen um Deutschland geht, mehr jedoch ums Trampen, die Lage der dealenden Bevölkerung und den Unterschied zwischen Sozialistischer Plattenbau und Plattenbau Ost.

Zu politischen Interventionsmöglichkeiten fällt mir vielleicht später im Sommer wieder was ein.

15 Responses to “Kleine Lageeinschätzung”

  1. Gehirnschnecke Says:

    Menschen, die sich wegen Fußball aus dem menschlichen Genpool prügeln, gehören dort vielleicht auch einfach nicht rein…

    Mein Nachbar hat die südkoreanische Flagge gehisst, daraufhin hat eine Straße weiter einer mit der US Flagge gekontert. Mal sehen, wie sich das weiterentwickelt.

  2. godforgivesbigots Says:

    Und nicht zu vergessen, der Lieblingspolitiker der Deutschen sieht Monster.

    Bis jetzt haben sie aber nur den Transrapid gefressen.

  3. Gehirnschnecke Says:

    Tscha. Da Lob ich mir den Umstand, dass ich als Kommunist den Kapitalismus da loben kann, wo man es sollte – und dort kritisieren kann, wo man es muss.

    Da Horst aber als Voodoopriester des Kapitals sein Weltbild zimmerte, hängt er jetzt als Hoffnungsträger der bürgerlichen Gesellschaft natürlich irgendwie in der Luft. Das ist schon komisch tragisch. 😉

    Aber vielleicht lässt sich die “Nahrungskrise” (die eigentlich keine ist) ja mit dem Transrapid lösen. Frei nach Antoinette: “Wenn das Volk kein Mais hat, soll es eben Züge essen!”

  4. sliqq’s fairy tales » Blog Archive » Was uns abdrängt Says:

    […] Zeilen von Gustav (aus ihrem Song “Verlass die Stadt”) nicht mehr aus dem Kopf: “Was uns abdrängt von dem Weg Der da noch vor uns liegt Ist das abgestandne Gas Das noch immer durch uns fließt Es ist Sommer in […]

  5. godforgivesbigots Says:

    Ach besser Günther setzt auf Horst als auf Helga.

  6. Gehirnschnecke Says:

    @ godforgivesbigots

    “to bring BACK the world to sanity” *kicher* weiter konnte ich leider nicht lesen…

  7. godforgivesbigots Says:

    @Gehirnschnecke – Es gibt halt kein funktionierendes Zurück zum Goldstandard.

  8. Gehirnschnecke Says:

    @ Es gab den “Goldstandard” schon garnicht…

  9. godforgivesbigots Says:

    Das glaub ich erst wenn ich in Mekka nachgucken darf.

  10. Gehirnschnecke Says:

    Musst ja nur konvertieren. Lawrence hats aber auch ohne geschafft – wenns denn stimmt.

  11. Sí, podemos! | Karwan Baschi | Paules Blog Says:

    […] Classless: »Ich sehe wenig Sinn darin, zu Gegenidentifikationszwecken die Nationalfahnen der jeweiligen Gegenmannschaft herumzuschwenken.« Ich sehe da auch nur wenig Sinn. Trotzdem: […]

  12. godforgivesbigots Says:

    Die Bedingung verstößt gegen den Grundsatz der Reziprozität.

    Und Lawrence… naja.

  13. Gehirnschnecke Says:

    @ god…

    Meinst Du “Reziprozität” jetzt psychologisch oder soziologisch? Ich verstehe nämlich nicht, was Du versucht mir zu sagen – falls Du das überhaupt tust.

  14. godforgivesbigots Says:

    Keiner verlangt daß Du Jude oder Christ werden müßtest um Jerusalem zu besuchen. Nur Muslime stellen solche kindischen Bedingungen.

  15. Wie ich bei den Antideutschen landete « meta.©opy®iot.com Says:

    […] Grünen, in der Linkspartei oder in dem, was ein Freund als “liberale Antifa” bezeichnet hat. Deutschland ist unterdessen so mächtig wie nie zuvor. Was bleibt – für mich und wohl auch für diejenigen, denen ich mich politisch nahe sehe – sind […]

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