Gegenstandpunkt vs. Michael Heinrich

August 24th, 2008

In der aktuellen Ausgabe des GegenStandpunkt wird sich auf zwei Dutzend Seiten die “neue Kapitallektüre nach dem Ende der Arbeiterstaaten” vorgenommen; größtenteils geht es dabei um Michael Heinrichs “Kritik der politischen Ökonomie”, “Die Wissenschaft vom Wert” und “Wie das Marxsche Kapital lesen?”

Als Hauptkritikpunkt läßt sich die Frage des Klassenkampfs, genauer die Frage der Empörung über das Wirken der herrschenden Klasse, ausmachen. Marx’ Bemerkung, der Arbeitslohn regle sich nach demselben Gesetz wie die Preise aller anderen Waren auch, mit der er

>>die zynische Gerechtigkeit des Warentauschs denunziert, referiert Heinrich mit einer falschen Betonung: Seine Opposition gegen “moralische Kritik” landet dabei, dass an den Agenten des Kapitals und ihrem Ausbeutungsgeschäft unter den gegebenen Eigentums- und Tauschverhältnissen eigentlich nichts zu kritisieren ist: Was sie treiben, ist nach den Regeln des Warentauschs absolut korrekt.<< Hier scheint nun Heinrichs Argument falsch zu sein wegen des unerwünschten Schlusses, bei dem er "landet". Auch im folgenden wird Heinrich dafür kritisiert, daß er "ganz auf der Ebene der moralischen Schuldfrage" bleibt und sie verneint; daß ihm "offenbar nichts wichtiger" sei, "als die ökonomisch Mächtigen aus der Schusslinie zu nehmen"; ja, daß er "die Kapitalisten" "entlastet". Dabei haben wir es hier weitgehend mit Unterstellungen zu tun. Heinrich weist lediglich immer wieder darauf hin, daß das Handeln der "ökonomisch Mächtigen" nicht schlimmer ist als das, was alle anderen tun, sofern sie das Funktionieren des kapitalistischen Systems aufrechterhalten. Zudem ist die Frage nach der Schußlinie nach den bisherigen Revolutionserfahrungen auch längst keine akademische mehr - immerhin war die Tötung, Verletzung und Schändung derjenigen, die als Angehörige der herrschenden Klasse (oder deren Kinder) identifiziert wurden, eine handgreifliche Folge zahlreicher sozialer Umwälzungen der neueren Geschichte. Dieses Handeln wie das Phantasieren davon funktionierte nicht selten als Ersatz für grundlegendere Veränderung, oft auch als Repräsentation der neuen Herrschaft, des eigenen Eintretens in die bürgerliche Herrschaft. Über die Kapitalisten schreibt der GSP: >>Diese Rädchen sind aber, wie ihre Arbeitskräfte auch, selbstbewusste Menschen, die vielleicht kein angemessenes, aber sehr wohl ein Bewusstsein von dem haben, was sie tun. Die Mitglieder der herrschenden Klasse wissen überhaupt nichts Besseres, als ihr Leben als Personifikation des Kapitals zu verbringen.<< Und damit legimitieren sie es, sie als Personifikation zu behandeln? Verhindern sie mit ihrem "Treiben" die Revolution? Und was ist mit den Arbeitern? Die gelten dem GSP vor allem als "Opfer der Produktionsweise". Von ihrem eigenen Interesse als Lohnarbeitskraftbehälter und Warenbesitzer - keine Rede. Von ihrer immer wieder demonstrierten Bereitschaft, die herrschende Ordnung zu verteidigen, ja noch zu verschärfen - kein Wort. Aus meiner Sicht triftiger wird die Kritik an Heinrich beim Thema Arbeit. Gut kritisiert wird etwa seine Auffassung, Arbeiter würden immer nur den Gegenwert der notwendigen Lebensmittel bekommen, damit sie eigentumslos bleiben:

>>In der Wirklichkeit werden Arbeitskräfte nicht knauserig bezahlt, weil sie andernfalls zu reich würden und dem System die Lohnarbeiter ausgingen, sondern weil sie einfach nur bezahlt werden, um dem Unternehmen einen Gewinn zu erarbeiten – und dafür sind sie umso nützlicher, je weniger Lohnkosten sie verursachen.<< Sehr durchdacht finde ich auch die weiteren Ausführungen über Arbeit und Wert: >>Dem Produzenten wird also im Tausch nicht die Arbeit, näher die Arbeitszeit, die er individuell aufgewendet hat, entgolten; vielmehr erfährt er im Gegenwert, den er für seine Ware erzielt, wie viel gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit er in seiner Ware vergegenständlicht hat – mag seine wirkliche Arbeit länger oder kürzer dauern (…)

…die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeit, die vom Käufer durch den Kaufakt anerkannt wird, [ist] nicht identisch und [kann] nicht identisch sein mit der vom Produzenten wirklich aufgewendeten Arbeit. (…)

Weil stattdessen Verausgabung menschlicher Arbeitskraft, also Anstrengung und Mühsal, synonym ist mit neu geschaffenem Reichtum, herrscht in der Waren produzierenden Gesellschaft ein unstillbares Bedürfnis nach immer mehr Verausgabung von Arbeit. Nur durch ein Mehr an Arbeitsmühe kann der wertmäßige Reichtum, die mit den produzierten Waren produzierte Zugriffsmacht auf fremdes Eigentum, wachsen – und darauf kommt es an; denn in dieser Verfügungsmacht, und nicht in der Masse nützlicher Produkte, besteht kapitalistischer Reichtum.<< Auch in Bezug auf den Fetisch hält der GSP einige ausführlichere Anmerkungen für angebracht:

>>Nicht, dass das kapitalistische System ein Bild von sich zeichnete, das nicht oder kaum zu durchschauen wäre, ist der Quell des falschen Bewusstseins, sondern dass die Lohnarbeiter – um nur die Mitglieder der kapitalistischen Gesellschaft herauszugreifen, die eine Kritik ihres falschen Bewusstseins brauchen – gezwungen sind, die ökonomischen Einrichtungen, die dafür nicht gemacht sind und auch nicht taugen, als Mittel ihres Lebensunterhalts zu behandeln. (…) Ihr falsches Bewusstsein ist daher keine ein für alle Mal fertige Sicht, sondern ein verbissenes, nie abgeschlossenes Ringen darum, ihren praktischen Willen zum Zurechtkommen aufrecht zu erhalten und die allfälligen Härten und Enttäuschungen konstruktiv zu verarbeiten.<< Hier wird offensichtlich mit der Frage gerungen, warum der Kapitalismus noch nicht überwunden wurde und woher er seine relative Stabilität bezieht. Vom GSP wird aber nicht nur der Fetisch als Erklärung beiseitegewischt, sondern prinzipiell behauptet, das bisherige Scheitern sei komplett hauptsächlich der staatlichen Reaktion zuzuschreiben:

>>Zu diesem Umsturz ist es nicht gekommen; nicht weil die revolutionären Arbeiter, vom Fetisch geschlagen, die Verhältnisse wunder wie vernünftig gefunden hätten, sondern zu allererst dank des Wirkens der Staatsgewalt.<< Galt das auch dort, wo die Arbeiter damit begannen, sich die Insignien der bürgerlichen Herrschaft anzunehmen und als demokratisches Herrschaftskollektiv selbst staatliche Gewalt ausübten? Und gilt es auch überall dort, wo die Machtprobe gar nicht gewagt wurde? Egal, Anfang und Ende der Überlegungen muß der Staat bleiben, so auch in dieser präsentierten Gegenthese zum Fetisch: >>Nur wo eine Staatsmacht die exklusive private Verfügung über produzierte und natürliche Reichtümer verordnet und den Respekt vor diesem Ausschluss erzwingt, werden Arbeitsprodukte zu Waren, entfalten die Eigenschaft, Tausch- und Zugriffsmittel auf Produkt und Leistung anderer zu sein, und verwandeln sich dadurch in Träger “verdinglichter Macht”. Wert ist gar nichts anderes als dieser quantitativ bestimmte Eigentumscharakter des Arbeitsprodukts. Die politische Gewalt, die das Eigentum stiftet, ist Basis und Garant dieser ökonomischen Macht, und somit Quelle des viel beschworenen Fetischs.<< Outright spooky finde ich den abschließenden, Heinrichs vermeintlichem Idealismus entgegnenden Satz: >>Feindschaft gegen diese Ordnung und die Sorge ums Gelingen von Gesellschaft sind unverträglich.<< Könnte es sein, daß im GSP die Arbeitermacht deshalb so unproblematisch erscheint, weil es eine grundsätzliche Sorglosigkeit bezüglich der Macht gibt? Müßte nicht aber bei Hegelianern das Neue auch schon im Alten wohnen, das Alte - aufgehoben dann - im Neuen? _________________________________ (Was ganz anderes: Bei dem Satz "Dass Geld an und für sich auch schon mehr Geld ist, dass seine Größe mit der Zeit wie von selbst wächst, hält man in dieser Gesellschaft für eine nicht weiter erklärungsbedürftige Selbstverständlichkeit" fiel mir die kuriose Geldlehre der Herren Martin, Steiger und Heinsohn ein, die diese "wundersame Geldvermehrung" keineswegs für selbstverständlich halten, sondern für das "Loch" in allen Wirtschaftstheorien, weshalb sie dagegen und ausdrücklich als eine Art Fortsetzung des Marxismus das Konzept vom "Debitismus” setzen. Ist das schonmal jemandem außer mir untergekommen?)

228 Responses to “Gegenstandpunkt vs. Michael Heinrich”

  1. Krim Says:

    “Das Kind ist mit der Mammi im Supermarkt, will irgendwas haben, bekommt aber auf die Finger gehauen und gesagt: das geht nicht, dafür muss man bezahlen.” Und das soll jetzt ein Beispiel dafür sein, dass der Staat den Bürgern das Eigentum aufzwingt? Da muss ich mir ja denken, die Mammi sei der Staat. Ist sie aber nicht. Die will das Kind auch nicht über das Eigentum belehren, sondern will dem Borst zum Beispiel geregelte Essenzeiten angewöhnen bzw. angewöhnen seine Lust auf Süssigkeiten zu kontrollieren oder ähnliches. Deshalb das eine (das Aufherrschen des Eigentums) nicht. Vielleicht hilft dir das weiter: http://libelle.blogsport.de/2008/08/08/der-staat-und-die-menschliche-gallerte/#more-17

  2. Helden Karl Says:

    classless

    stimmt gegen deine demokratischen Gebote wurde nicht verstoßen. Das habe ich aber auch gar nicht bemängelt, die gehen mich einen Scheißdreck an. Ich habe vielmehr versucht eine ganz ärgerliche Methodik in der Diskussion versucht zu erklären, woraus du einen Angriff auf Personen bzw. Angriff auf deinen Blog/Kritik an Zensur geschlossen hast. Es ist mir mittlerweile egal. Aber tu bitte nicht so als hättest du meine Position überhaupt verstanden. Wenn du an besagten Postings die ich bemängele nichts auszusetzen hast dann ist das ehrlich gesagt dein Problem. Ich habe mich im Gegensatz zu dir mit den Zwecken bzw. Inhalten solcher Postings befasst und sie für sehr untauglich für eine, für jede Diskussion befunden. Nicht mehr, nicht weniger.

  3. star wars Says:

    @Helden Karl

    Für deren Ehrenstandpunkt ist dieses Argument untauglich. Sieht man doch daran dass sich einige sich nur deswegen in eine Diskussion einmischen, um den großen Schlichter spielen zu können. Wiederum einige wollen bloß stunk machen und verkaufen diesen Stunkt als ein Argument für die armen Opfer moralisch Partei ergreifen zu müssen (Django akka apple).

  4. godforgivesbigots Says:

    Dafür hältst Du mich also. Was machen wir wenn ich das nicht bin? Außerdem ist eine Schlichtung im Arbeitskampf nur dann möglich wenn beide Seiten das wollen, auch das sehe ich hier nicht gegeben. Und zum Thema Einmischen, ich habe zwischen dem Zeitpunkt des Beginns dieses Threads und meinem erste Kommentar hierin auch in keinem anderen Thread kommentiert, weil ich eine Woche dieses Blog mal nicht gelesen habe, was bei meiner Lebensweise halt vorkommen kann.

  5. star wars Says:

    Über Arbeitskämpfe habe ich nichts vermeldet.

  6. classless Says:

    “Ich habe mich im Gegensatz zu dir mit den Zwecken bzw. Inhalten solcher Postings befasst und sie für sehr untauglich für eine, für jede Diskussion befunden.”

    Na, dann wird das wohl so sein.

  7. Django Says:

    Das passt schon zu den Moralhanseln, dass die keinen Spaß verstehen.

  8. classless Says:

    Das wäre dann jetzt noch mal wer im Unterschied zu wem?

  9. Krim Says:

    “Moralhanseln” – Hahahaa! – Ich lach mich tot. – Der Brüller
    Schenkelklopf – Rofl – echt, ich kann nicht mehr vor Lachen – hast du noch so einen? – Weeiil: (die Musik setzt ein)

    Ein bißchen Spaß muß sein
    Dann ist die Welt voll Sonnenschein
    So gut wie wir uns heute versteh’n
    So soll es weitergeh’n

    Ein bißchen Spaß muß sein
    Dann kommt das Glück von ganz allein
    Drum singen wir tagaus und tagein
    Ein bißchen Spaß muß sein

  10. Django Says:

    Mmmh, die Karikatur von Hagbard Jesus Celine fand ich lustig, weil… na ja, weil sie uns trifft. Über sich selbst lachen zu können, ist für mich ein Lebenselexier.

  11. godforgivesbigots Says:

    Dann ist die Auseinandersetzung Gegenstandpunkt vs. Michael Heinrich also gar kein Arbeitskampf sondern bloß Feierabendgeplänkel?

  12. apple Says:

    @ Krim

    Da muss ich mir ja denken, die Mammi sei der Staat. Ist sie aber nicht. Die will das Kind auch nicht über das Eigentum belehren, sondern will dem Borst zum Beispiel geregelte Essenzeiten angewöhnen bzw. angewöhnen seine Lust auf Süssigkeiten zu kontrollieren oder ähnliches.

    “Borst”? – das habe ich ja noch nie gehört 🙂
    Warum soll die Mammi das Kind nicht auch über das Eigentum belehren wollen? Sie weiß ja auch, dass ihr und dem Kind Ärger droht, wenn das Kind sich einfach so Sachen aus den Regalen krallt. Da wird sie wohl vorbeugend eingreifen, damit sich das Kind mit ihr und nicht mit dem Sicherheitspersonal auseinandersetzen muss.

    Tut ja auch nicht viel zu Sache – das Verhältnis von Staat und Bürgern ist es deshalb trotzdem nicht. Der Link, den du gepostet hast, hat geholfen. Die Kritik leuchtet mir ein.

  13. Krim Says:

    Falls du es nicht mitgekreigt hast. Meine Antwort hat bei Django auf Walgesang große Empörung bis Entsetzen ausglöst: http://neoprene.blogsport.de/2008/07/18/michael-heinrich-und-der-gegenstandpunkt/#comment-26058

    ab Beitrag 132.: Dort wurde das Beispiel dann auch noch ausführlicher besprochen.

  14. Kirsche Says:

    Krim merkt nicht, dass er veräppelt wird, selbst wenn einer so heißt.

  15. Krim Says:

    @django: “Über sich selbst lachen zu können, ist für mich ein Lebenselexier.” Na dann kommst du aus dem Lachen ja nicht mehr heraus. – Andererseits ist so ein Jokerface auch irgendwie gruselig.

    @Kirsche: Veräppelt – von Apple – köstlich! Klasse Verarsche, die nur im Namen besteht. Echt!

  16. Django Says:

    Bah, immer diese persönliche Aufdringlichkeit von Krim, das grenzt ja an Stalkerei! Hat er keinen Hund, den er rumschubsen kann, dass er jahrein, jahraus im Internet mit dieser Hasskappe umherirrt?

    http://dj-muhkuh.de/images/link/vogel.jpg

  17. Sockenpuppe Says:

    *wuffwuffwuffwuffwuffwuffwuff*

  18. borgborg Says:

    Hey ihrs. Die Behauptung, der Staat könne Eigentumsverhältnisse durchherrschen ist schlicht und ergreifend kontrafaktisch, denn die Kibbuzim, die Kommunen, und auch unser Verein (antifaschistische Stadtkommune Berlin) beweisen tagtäglich, das dem nicht so ist:

    Privateigentum ist ein praktisches, wechselseitiges Verhältnis und kommen Menschen zu der Einsicht, dass es ein beschissenes Verhältnis ist, dann können sie’s GENAUSO auch Wechselseitig auch aufheben und kein Staat kann sie daran hindern.

    Insfern ist die theoretische Diskussion darüber, ob es denn möglich ist absolut hinfällig: Es ist möglich – außerdem auch sehr praktisch.

    Nun kommt immer das “Ggegenargument” warums denn dann noch Privateigentum gibt. Die Antwort gleich dazu: Aufgrund der Wechselseitigkeit des Verhältnisses der Eigentümer zueinander, aber NICHT Aufgrund der Existenz des Staates.

    Paradox in diesem Kontext: GERADE Kommunist_innen fallen, sobald sie mit der praktischen Möglichkeit konfrontiert werden, JEDE MENGE Argumente ein, warum mensch das Privateigentum untereinader NICHT aufheben sollte und werden (wie auch hier) zu den apologeten des Staates. Die Leute, die in dem Staat den Grund für allen entdecken sind m.E. die ersten, die ihn (implizit) zur Lösung erheben, ihn in einem völlig unverstanden Versuch seiner Abschaffung letztendlich übernehmen, an dem gesellschafltichen Verhältnissen (die ihn hervorbgringen) dabei aber nix ändern.

    “# Django Says:
    August 28th, 2008 at 5:49 pm

    Wenn nach den Krimschen Märchen alle Macht des Privateigentums am Mitmachen hängt, eine Veränderung also bloß eine Frage der Praxis ist, dann muss er sich genau diese Frage gefallen lassen, welche Marxisten immer zurecht zurückgewiesen haben: “Wo ist denn die Alternative”? Haben die Gebrüder Krim schon ein Aussteigerprogramm für Eigentümer entworfen?”

    Ja.
    http://www.CyborgSociety.org
    (auch wenn wir uns nicht als “Aussteiger” mißverstehen).

  19. borgborg Says:

    (achso: krim kenn ich glaube ich nicht, insofern hat er_sie das wohl nicht entworfen, nicht dasses da verwechslungen gibt)

  20. Krim Says:

    Nicht dass es Verwechslungen gibt: Ich hab das Borgkollektiv nicht nur nicht entworfen, ich bin auch gar nicht der Ansicht, die Django mir unterstellt. Dass Django sich die Ansichten seiner politischen Gegner gleich mit erfindet, wurde eingentlich auch schon mehrfach klargestellt. Da jetzt aber doch wieder ärgerlicherweise meine angebliche Position aus dem Munde von Djange zitiert wird, muss ich mich leider nochmal ausdrücklich davon distanzieren. Ich bin nicht der Ansicht, dass eine gesellschaftliche Veränderung bloß ein Frage der Praxis ist. bzw. ist das viel zu allgemein, weil Praxis/Veränderung eben alles bedeuten kann. Das Privateigentum hängt vielmehr am gesellschaftlichen Gesamtwillen zu ihm.

    Damit ist auch klar, dass eine Kommune, wie sie Borg vor Augen hat, nichts mit der Abschaffung des Privateigentums zu tun hat, aus dem einfachen Grund, weil sie am gesamtgesellschaftlichen Willen dazu nichts ändert und das mit der Kommune auch gar nicht anstrebt. Das soll nicht heißen, dass ich ausschließen will, dass einzelne Kommunarden nicht Kommunisten sein könnten. Bloß als Kommunarden sind sie es eben nicht. Bei dieser Kommune handelt es sich um eine erweiterte Reproduktionsgemeinschaft. Statt auf der Grundlage von Ehe und Familie, wie vom Staat geschützt und vorgesehen, machen die es eben so. Das ist nicht verboten in der Demokratie.

    Mit Kommunismus als gesellschaftlicher Produktionsweise hat dieses Projekt nichts zu tun. Schon vom poltitischen Bewußtsein her, scheint es sich mir dabei eher um einen Haufen linker Gutmenschen zu handeln. Sie beschreiben sich selbst als Antifachisten, die “die üblichen emanzipativen Grundstandards (wie die Ablehnung von Nationalismus, Antisemitismus, Sexismus, Esoterik…) teilen.” Also vielleicht kein “Paradies für Feministen”, aber der Versuch der Verwirklichung einer Utopie linker Moral, einschließlich Definitionsmacht der Frau, soll es schon sein. Genau das richtige für Leute, die sich damit gegenseitig auf den Wecker gehen wollen. d.h. nichts für mich (damit sich Django eine spitze Bemerkung sparen kann).

  21. Django Says:

    Muss Arbeit aufholen und Vergnügen nachholen. Weshalb ich im apodiktischen Telegrafenstil verbleibe, ohne freilich auf Argumente zu verzichten:

    Krim: “Das Privateigentum hängt vielmehr am gesellschaftlichen Gesamtwillen zu ihm.”

    Das ist eine nichtssagende, nichts erklärende Phrase. Diesen “gesellschaftlichen Gesamtwillen” zum Privateigentum gibt es nur auf der abstrakten, staatlich herbeigeführten Ebene, in dieser von jedem konkreten Inhalt losgelösten Form.

    Was es auch noch gibt, das ist ein nationales Bewusstsein – eine Ideologie und Moral über das, was angeblich die Gesellschaft zusammenhält, und weshalb sich die eine Nation gegen die andere aufbauen soll. Für einen Vorsprung der eigenen Nation im internationalen Wettbewerb, sei er noch so klein, ereifern sich die Leute mental und legen sich praktisch krumm.

    Was nun ihr tägliches Zurechtkommen angeht, sieht sich ein jeder Staatsbürger den komplett eingerichteten Verhältnissen ausgeliefert. Da der weitaus meiste gesellschaftliche Reichtum in privater Hand liegt, muss ein jeder ans allgemeine Tauschmittel “Geld” heran kommen, um am Reichtum teilzuhaben – seinen Willen also dahingehend betätigen, noch lange bevor er ein Urteil über den Nutzen des so zugerichteten Willens gefällt hat.

    Umgekehrt – was die Seite des Zwanges angeht – ist die Prägung, der Umlauf, die Gültigkeit der Landeswährung, ebenso wie die Durchsetzung und Anerkennung einer bestimmten Währung als Weltgeld letztlich eine reine Gewaltgeschichte. Der Zwang des Geldes und seine Gewährleistung durch die Gewaltinhaber ist jedem Bewusstsein vorausgesetzt.

    Das Bewusstsein aber erst verleiht dem Willen seinen Inhalt. Von daher kann ein Bewusstsein, ob falsch oder richtig, dem Willen zum Privateigentum, ob einzeln oder gemeinschaftlich tätig, nicht den bestehenden Zwängen vorangestellt werden.

    Die Einstellung zu etwas mir Äußerlichen, bereits Bestehenden kann all das nicht hervorbringen. Das geht nicht! Das ist logisch unmöglich! Aber die Kritik daran, zumal wenn sie praktisch wird, kann die gesicherten Machtverhältnisse ins Wanken und im Erfolgsfall zum Einsturz bringen.

  22. Krim Says:

    “Das ist eine nichtssagende, nichts erklärende Phrase.” Ich wollte an dieser Stelle nicht die Diskussion mit dir neu beginnen. Als kurze Kennzeichnung der Differenz zu dir reicht der Satz allemal.

    “Da der weitaus meiste gesellschaftliche Reichtum in privater Hand liegt, muss ein jeder ans allgemeine Tauschmittel “Geld” heran kommen, um am Reichtum teilzuhaben – seinen Willen also dahingehend betätigen, noch lange bevor er ein Urteil über den Nutzen des so zugerichteten Willens gefällt hat.” Blödsinn. Du stellst mal wieder Menschen vor, die erstens urteilslos durch die Welt stolpern und die zweitens obwohl sie kein Urteil über die Verhältnisse haben zum Geldverdienen gezwungen werden. Zwang unterstellt aber einen gegensätzlichen Willen und ein gegensätzlicher Wille unterstellt ein Urteil über die Verhältnisse.

    “Der Zwang des Geldes und seine Gewährleistung durch die Gewaltinhaber ist jedem Bewusstsein vorausgesetzt.” Du meinst so ähnlich wie an Pfingsten, wo der heilige Geist auf die Jünger herabkommt. So wird’s sein. Erst kommt die Gewalt vom Himmel hernieder und die schafft dann die Interessen, die die Gewalt notwendig machen. Und wahrscheinlich bringt auch die Wirkung die Ursache hervor.

    “Die Einstellung zu etwas mir Äußerlichen, bereits Bestehenden kann all das nicht hervorbringen.” Wenn es dir um die zeitliche Reihenfolge geht, liegt die Auflösung deines “logischen Widerspruchs” auf der Hand. Die Wille zum Privateigentum heute, sorgt dafür, dass es morgen noch existiert. Der fehlende Wille zum Privateigtum heute, sorgt dafür dass es morgen nicht mehr existiet. Der Wille zum Privateigentum heute reproduziert die Privateigentumsverhältnisse.

  23. Django Says:

    Nein, es war so: Die drei (oder waren es vier?) letzten Widersacher und Skeptiker der Machtverhältnisse, ob diesseits oder jenseits des großen Teiches, haben sich nicht den Schlägen der militärischen und paramilitärischen Truppen, oder den Drangsalen und Einschüchterungen der hoheitlichen Kräfte gebeugt; die Schauprozesse und Verurteilungen haben auch keine Zeichen für die Massen setzen wollen; vielmehr sind alle nur dem Ruf des Privateigentums gefolgt, in die Erwerbslosigkeit, in den Bau, in die Folterkeller, in die Konzentrationslager. Die Verschuldung des Trikonts, die Aushungerung Afrikas, die Unterdrückung Lateinamerikas und Südostasiens, das Todrüsten der Sowjetunion, das war alles hausgemacht. Die Geschichte und Gegenwart von Kapitalismus und Imperialismus ist keine der Gewalt, sondern eine althergebrachte, nicht endend wollende Friedensbewegung, deren großer Anführer der Krim ist. Schlagt den Krim tot und alles wird gut 😉

  24. Krim Says:

    Aber sonst geht’s dir gut? Oder ist wieder bloß einer deiner gruseligen Späße als Jokerface?

  25. Django Says:

    🙂

  26. aftermath Says:

    Wendung zu einer Staats Debatte, was ja nichts mit dem Heinrich Artikel zutun hatte, oder ?
    (Gegensätzliche) Eigentümerinteressen erfordern einen erzwungen willentlichen (paradox nicht ?) Verzicht auf individuelle Gewaltanwendung zugunsten einer Regelung durch kollektive Gewaltanwendung durch gemeinsame Unterwerfung unter diese. Das Eigentum steht für Gegensatz/Ausschluß und der Staat für die Einrichtung dieses Gegensatzes. Wenn Eigentum und bürgerlicher Staat einander so bedingen dann stimmt es, daß ein Eigentümer immer den Willen zum Staat hat (wobei der Lohnarbeitende als Eigentümer seiner Arbeitskraft diesen Willen nur als anstrengendes Ergebnis eines notwendig falschen Bewußtseins hervorbringen kann – denn nach kurzer Überlegung wäre es schon ein Absurdes zu sich selbst ein Gewalt – also Rechtsverhältnis einzugehen, m.a. Worten das Zurarbeitgehenmüssen wird vom Staat als Gewaltverhältnis anerkannt und durchgesetzt.

  27. Wolfgang Martin Says:

    Seid gegrüßt.
    Auch ich habe das kleine Werk von Michael Heinrich gelesen und denke, dass ich wieder einigermaßen in dem Thema bin.
    Ich frage mich allerdings,was all die kursierenden Diskurse über die `richtige` Auslegung der Werke des Herrn Marx bewirken bzw. auslösen wollen. Ich habe mich schon während meines Studiums in den 70-ern und 80-ern gefragt, welchen Sinn dieser Interpretationszirkus und all die `Sekten` und Fraktionen macht !? Da gabe es die am Tropf der SED hängenden DKP-ler,die auch schon mal bzgl. einer `feindlichen Übernahme` gebrieft wurden, die Leute von der GIM, die sich dann wiederum mit den `Stalinisten` prügelten, den KBW, der sich mit den Jung`s und Mädel`s vom KB nicht gut verstand – beide straff organisiert und gut veraankert im akademischen Milieu. Die sind dann ProfessorInnen,Lehrer und Mitglieder bei den Grünen geworden. Vereinzelt machten dann Leute wie der Elsässer `rüber zur Neuen Rechten bzw. dem `Dritten Weg`. Und schon in den 70-ern gab`s die Marxistische Gruppe – heute Gegenstandpunkt – das waren die in bester Lage Wohnenden und immer trendy im outfit, die alles schon immer besser gewusst , d.h., unmittelbar am ollen Marx interpretiert haben, zuvor die harte Schule des Hegelstudiums durchlaufen haben… Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der Ursachen für den Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus gibt es bis heute nicht. Stattdessen die alten Stalinisten und Maoisten, die aufrufen zum `Aufbau einer kommunistischen Partei`, Unbelehrbare, die den Aufbau bzw. die Reorganisation der DDR herbeisehnen und mit Margot alljährlich deren Geburtstag feiern. Der ganze Zirkus interessiert doch nur die beteiligten Theorieproduzenten und jene, die ihre politische Heimat aus ganz persönlichen Gründen nicht aufgeben können bzw. wollen. Währenddessen erstarken rechte Gruppierungen, flüchten millionen Menschen aus ihren Ländern. Und die Damen und Herren `der Linken` theoretisieren über die Substanztheorie und die Zirkulationstheorie, betreiben Wertformanalyse und lassen es sich gut gehen mit ihren A 13 – bzw. C4- Besoldungen…

  28. Mastermind;) Says:

    Ein paar Anmerkungen zur Diskussion:
    Zur Willensdebatte: Es ist nicht so, das bestimmte Willensinhalte aufgezwungen werden: Das ginge ja auch gar nicht, sondern man betätigt frei seinen Willen, geht dabei aber von den (gewaltsam) hergestellten gesellschaftlichen Verhältnissen aus. In ihnen muss sich der Wille bewähren, wenn er materiell zu etwas kommen will, also wird das bei den Willensinhalten eingepreist. 
    Warum geht ein Schüler pünktlich in die Schule, obwohl er keinen Bock darauf hat z.B. wg früh aufstehen? Er nimmt das als Vorraussetzung seines Willens, nach dem Motto: Wenn aus mir etwas werden soll, muss ich pünktlich zur Schule. Dieses ” Müssen” als Vorraussetzung einmal gefressen, betätigt er seinen Willen mit seiner Schule weiterzukommen: Gute Noten, Schulabschluss, guter Job etc.
    So verhält es sich auch mit den Eigentumsverhältnissen: wer kein Geld hat, muss eben dafür arbeiten gehen. Wenn das so ist, muss ich eben darüber weiterkommen, also will man es auch in seinem Betrieb.
    Es ist langweilig “müssen” und “wollen” als Zwang ODER Freiheit immer gegeneinander zu stellen, wo man beides macht: Als Wille, der die Bedingungen seiner Betätigung laufend reflektiert, ist man genauso frei, wie akkomodationsbereit. In seiner Freiheit, sich zu betätigen stößt der Wille eben auf den Kapitalismus und preist diese “Vorraussetzung” mit als WillensINHALT ein. Wie er das macht…das ist seine Freiheit als notwendig falsches Bewusstsein, aber das er das macht, ist doch wohl logo. Auch in gemütlicheren gesellschaftlichen Verhältnissen würde man doch erstmal gucken, was geht, wie der Laden so läuft und unter welchen Bedingungen irgendwas geht. Ob und warum die Gesellschaft insgesamtig politisch und ökonomisch etwas taugt und wenn ja, warum nicht….das geht den praktischen Willen sowieso erstmal gar nichts an, weil er doch mit dem Wollen und seiner Umsetzung vollauf beschäftigt ist. Deshalb steht hier auch ” man macht das so…” und nicht nur “der Bürger macht das so…”

    Zur Staatsdebatte: Auch hier wieder die Opposition (Staats)Zwang oder freier Wille (freier Eigentümer). Geht so auch niemals  abschliessend zu klären: Die damaligen hardworking Siedler waren total scharf auf eine Staatsgewalt, die ihre Konkurrenz regelt und haben sie sich geschaffen: Die wollten von vornherein Eigentümer sein im Land of the Free und deswegen gibt’s jetzt die USA.
    Das ist aber nicht immer so: Die BRD Staatsgewalt war ein Produkt der Konkurrenz der Siegermächte und das nun unbedingt Kroatien und Slowenien sein muss, statt Jugoslawien, war auch kein Produkt irgendeines Eigentümerwillens, Frankreich wiederum ganz anders als klassischer bürgerlicher Aufstand gegen Feudalherrschaft, samt Staatsgründung usw.
    Nur weil der bürgerliche Staat der “ideelle Gesamtkapitalist” ist und sich dabei demokratisch auf den Volkswillen bezieht, muss er nicht DESWEGEN entstanden sein. Der Begriff ist das eine..die Genese etwas anderes. Über seinen Begriff muss man sich jedenfalls nicht groß streiten: Soviel ist der Diskussion zu entnehmen. Das war alles richtig und wenn mal nicht, auch nicht so falsch, wie es dann gemacht wurde.

    Zur Politökonomie: Eigentum, Wert der Arbeitskraft, Lohnarbeit
    Fangen wir mit dem letzteren an: Lohnarbeit heißt zunächst, dass ARBEIT gegen Lohn verkauft wird…nur so treffen sich Kapitalist und Arbeiter: Der eine will Arbeit konsumieren, um sein Eigentum zu vergrössern und der andere verkauft Arbeit gegen Lohn, weil er Geld verdienen will. Keiner will…genau betrachtet…(den Wert der) Arbeitskraft an oder verkaufen. Dieses potitökonomische Ding gibts nur weil der Arbeiter Arbeit verkauft und deswegen zu sich die Stellung verpasst bekommt, Eigentümer von Arbeitskraft..der Potenz zu arbeiten… zu sein. Er muss als dieser Eigentümer in der Lage sein, laufend Arbeit zu verkaufen und dafür muss er sich mit dieser Potenz erhalten. Blöd gesprochen als Individuum aber eben auch als Eigentümer der Ware Arbeitskraft. Das fällt (angeblich) für ihn zusammen, ist aber natürlich nicht das Gleiche: Er kann z.B. nicht nächtelang die Puppen tanzen lassen, weil er damit sich als Arbeitskraft ruiniert, auch wenn er da Spass dran hätte, sich so als bedürftiges Individuum …menschlich eben;)… zu “reproduzieren”. Abgesehen davon würde dazu der Lohn dafür höchstens drei Tage reichen.
    Also lebt er unterm Strich bloss, um sich als Arbeitskraft zu erhalten: das ist die entscheidene Härte, auch wenns klappt. Er lebt damit als politökonomische Figur auch nur,  um gegen Lohn zu arbeiten. 
    (Und genau das will er ja gar nicht wahrhaben: Er sagt, dass er arbeitet, um zu leben und dass das nicht die Wahrheit ist, bekommt er laufend mit und erklärt sich falsch………aber im Ernst sich wahrheitsgemäss als Eigentümer von (der Ware) Arbeitskraft zu sehen?! Das ist so beschissen….dann kann man ja gleich Kommunist werden und wer will das schon?)

    Zum Diskussionsstil: 
    Also Volk und Staat, bzw. Ware, Geld, Lohnarbeit und Kapital …das sind die allerhöchsten Wissenschaftsbrüller bis an die Denkschmerzgrenze. Also muss man auch eine gesunde Ehrfurcht vor so ausgreifenden  Themen haben und nicht so tun, als müsste das für einen selbst und andere alles so klar wie Klossbrühe sein oder so vom Kaliber: Warum gibt es eigentlich und was sind Schulnoten und Zeugnisse?

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