Richtige Stellung (1): Laika Verlag & Weather Underground

July 25th, 2011

[Sommer & auf Arbeit: Zeit für eine Postingreihe mit liegengebliebenen Korrekturen & Bemerkungen – “richtig” heißt: so seh ich’s wirklich, “Stellung” heißt: Stellung im Produktionsprozeß und in den Auseinandersetzungen statt Unterstellung]

Zuletzt sind in der Edition Provo des Laika-Verlags in dichter Folge zwei Übersetzungen erschienen, an denen ich mitgewirkt habe. Am dokumentarischen Wert und anstiftenden Vorbild der ersten davon, der im letzten Herbst veröffentlichten Textsammlung zum griechischen Aufstand vom Dezember 2008 “Wir sind ein Bild der Zukunft”, gibt es trotz “Pathos und Authentizitätsfetisch” nichts zu zweifeln.

Bei der nun verfügbaren zweiten, Dan Bergers historischen Gesamtdarstellung der kommunistischen Sprengmeister vom Weather Underground (siehe dazu: Amerikanischer kommunistischer Untergrund von innen), habe ich erhebliche Problem mit der Art ihrer Präsentation durch den Verlag. Von unserem fast unveränderten Übersetzungstext wurden lediglich Titel und Untertitel ausgetauscht, doch ist das der berühmte Unterschied ums Ganze. Aus unseren Vorschlägen, die nicht zuletzt die für die Gruppe wichtige Verbindung zur Outlaw-Tradition in den USA erhalten sollten, dicht am Original “Outlaws of America: The Weather Underground and the Politics of Solidarity” blieben, wurde nun – ich hab zunächst meinen Augen nicht getraut – “Kampf im Herzen der Bestie: Militanter Widerstand in den USA”. (Besonders absurd ist, daß in der Autorenvorstellung auf der Produktseite das Buch unter dem Titel “Outlaws of America – The Weather Underground und die Politik der Solidarität“ sogar erwähnt wird, als wäre es ein anderes.)

Das Problem läßt sich so zusammenfassen: Diejenigen, die das Buch dieses Titels wegen kaufen, sollten es vermutlich gar nicht lesen; und die, die es lesen sollten, werden aus guten Gründen vielleicht an diesem Titel nicht vorbeikommen (wenn sie’s bis zum Klappentext schaffen, sieht das wohl schon anders aus). Auch wenn ich nicht weiß, was dieser Titel noch so für Assoziationen weckt, wird hier doch aus einem recht konkreten Gegenstand in einem konkreten Zeitraum etwas Unspezifisches und Enthistorisiertes: aus dem Weather Underground, einer unmißverständlich kommunistischen Gruppe, wird allgemein “militanter Widerstand in den USA” und aus den völkermordenden USA des Vietnamkriegs wird ohne Kontext ganz zeitlos einebnend die “Bestie”, die so auch ganz nebenbei eine andere bekannte “Bestie” in der Selbstverständlichkeit dieser Bezeichnung verdrängt:

Mir ist nicht klar, wie diese Umbenennung motiviert ist – auf welche Käuferschichten hier gezielt und wie absichtlich hier vom einen ab- und aufs andere hingelenkt wird – sie ist in jedem Fall nicht in meinem Sinne, im Unterschied zum Buch, das ich dennoch nur nachdrücklich empfehlen kann: Bitte trotzdem unbedingt lesen! Der Weather Underground ist in mehrerlei Hinsicht verblüffend und wichtig, sowohl eins der großartigsten Vorbilder für konsequente kommunistische Aktion als auch ein hoffentlich abschreckendes Beispiel für Selbstzerfleischung und Snafu, vor allem am Ende. Sein Werden und Vergehen wird hier faktenreich und mit der wohl unvermeidlichen Dosis Politjargon ausgebreitet, besonders hervorhebenswert sind die Interviews des Autors mit David Gilbert, der nach dem Auftauchen wieder abtauchte, in eine tödliche Aktion verwickelt wurde und bis heute im Zuchthaus sitzt.

Please don’t judge this book by its cover. Klick auf die Leseprobe:

6 Responses to “Richtige Stellung (1): Laika Verlag & Weather Underground”

  1. off topic Says:

    Solidaritätsaufruf des Autonomen Buchladens Gondolkodó in Budapest (Gondolkodó Autonóm Antikvárium Gondolkodó )
    10. Juli 2011
    in Allgemein

    Seit mehreren (nunmehr 18) Jahren ist der Buchladen Gondolkodó der einzige funktionierende Infoladen in Osteuropa. Er fungiert gleichermaßen als Treffpunkt, Vetriebstelle für linke Literatur als auch Archiv für Texte der ArbeiterInnenbewegung . Nun muss er dringend renoviert werden, da die Wände feucht und schimmlig sind, der Putz von der Decke fällt, die Regale wacklig sind, das Abflussrohr verstopft ist etc. Der Zustand der Bibliothek hat sich zunehmend verschlechtert und der Vertreib von Publikationen wird unter diesen Umständen immer schwieriger. Da wir die Kosten einer vollständigen Renovierung nicht alleine tragen können, sind wir dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen um die dringendsten Arbeiten durchführen zu können. Bitte unterstützt uns bei diesem Vorhaben nach Maßgabe Eurer Möglichkeiten (wenn ihr 10 Euro schicken könnt tut dies, wenn ihr mehr Geld habt, auch größere Beträge). GenossInnen, AktivistInnen und UnterstützerInnen bitte verbreitet diesen Solidaritätsaufruf und unterstützt uns.
    Wir danken für Eure Hilfe im Namen internationalistischer proletarischer Solidarität.
    Geld kann an folgende Bankverbindung geschickt werden

    Baki László
    HU23 1040 3301 8675 5557 8750 1003
    Swift code: OKHBHUHB

    Gondolkodó

    Quelle: http://gis.blogsport.de/2011/07/10/solidaritaetsaufruf-des-autonomen-buchladen-gondolkodo-in-budapest-gondolkodo-autonom-antikvarium-gondolkodo/

  2. Kritik Says:

    Was erwartest du denn vom Laika-Verlag? Der Hauptteil seines Verlagsangebots, die Bibliothek des Widerstands, die lieber Videothek heißen sollte, entsteht in Zusammenarbeit mit der Jungen Welt, eigentlich dachte ich auch, dass es sich bei dem ganzen Verlag nur um ein Projekt handelt, das dem heruntergekommenen Antiimpblatt Kohle ins Verlagshaus spülen soll. Schau auch mal hin, welche beiden Bücher deine Arbeit umrahmen. Bd. 2 der Reihe: Mitternacht auf der Mavi Marmara – Der Angriff auf die Gaza-Solidaritäts-Flottille. Hier wird schon wieder versucht, die Welt antizionistisch umzulügen, das Völkerrecht gegen Israel in Anschlag zu bringen, es zu delegitimieren. Bd. 3 ist dein Band. Bd. 4: Palästina – Innenansichten einer Belagerung. Mit der scheinheiligen Forderung nach nur einem “multiethnischen, demokratischen Staat”, was sich zwar schön anhört, aber in Wirklichkeit nur besagt: Israel als jüdischen Staat darf es nicht geben, in der Gegend muss es einen Staat mit palästinensischer Bevölkerungsmehrheit geben, was auch immer die Mehrheit dann mit der Minderheit macht. Wie kannst du da erwarten, dass dein Werk nicht antiamerikanisch zurechtgeschustert wird?

  3. Kritik Says:

    PS: sollte ich es mal in die Finger bekommen oder in die Lage versetzt werden, einen Raubdruck machen zu können, werde ich das natürlich tun. Interessant ist es thematisch auf jeden Fall, aber ich habe ehrlich gesagt keine Lust, dass Geld von mir an den Laika-Verlag fließt.

  4. classless Says:

    @ Kritik

    Kann dir nur weitgehend zustimmen, genau deshalb die Klarstellung.

  5. bigmouth Says:

    was sich zwar schön anhört, aber in Wirklichkeit nur besagt: Israel als jüdischen Staat darf es nicht geben, in der Gegend muss es einen Staat mit palästinensischer Bevölkerungsmehrheit geben, was auch immer die Mehrheit dann mit der Minderheit macht.

    ich finde es immer wieder erstaunlich, wie gut so viele leute wissen, was andere denn “in Wirklichkeit” so denken

  6. Cyrano Says:

    Ach, es geht doch nicht drum, was die leute “in Wirklichkeit” so denken, sondern um die realen konsequenzen eines “vielvölkerstaates” mit “rückkehrrecht” aller nachkommen der flüchtlinge.

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