Blogposting von Magui López, spanisches Original: “Nisconspilaciones“, englische Übersetzung “Nisconspilations“.
Über Nisman gab es zu hören und zu lesen
daß er sich umgebracht hat, daß er umgebracht wurde, daß er durch erzwungenen Selbstmord umgebracht wurde. daß es die Regierung war, daß es Clarin war [führender Oppositions-Medienkonzern] daß sich niemand mit Cristina [Fernandez de Kirchner, Präsidentin von Argentinien] anlegen sollte. daß es SIDE war [Argentinischer Geheimdienst, nun umbenannt und stärker unter Regierungskontrolle], daß es der Mossad war, daß es ein carpetazo zwischen verschiedenen Geheimdiensten war. daß er in Swingerclubs verkehrte, daß es ihm als Single besser ging, daß er ein toller Vater war und daß er seine Tochter allein am Flughafen zurückließ. daß ihn zehn Federales bewachten, daß ihn niemand bewachte, daß er sich lieber auf seine eigenen Waffen verließ (zwei, um genau zu sein, und beide registriert). daß seine Tür abgeschlossen war, daß der Schlüsseltechniker das bestritt, daß seine Mutter ihn fand und nicht mehr weiß, wie. daß Berni [Chef der Nationalen Sicherheit] vor allen anderen aus dem Justizsystem am Tatort war, daß ein Sanitäter am Tatort war und den Tod nicht feststellen konnte, daß Berni nebenbei auch Sanitäter ist. daß er einen großen Fall bearbeitete und alle damit erwischt hätte, daß er gar keinen Fall hatte und alles nur heiße Luft war, daß er mit und ohne Fall ein potentieller Whistleblower war. daß er schon immer Kirchnerist war [Anhänger der derzeit regierenden Fraktion des Peronismus], dass er niemals Offizialist [also Peronist] war, daß er sich seit 2013 der Opposition zuwandte, trotz allem, was Nestor [Kirchner] für ihn getan hatte. daß Clarin ihn als Marionette benutzte, daß der [Regierungspolitiker und frühere Piquetero-Anführer] D’Elia Rache gegen ihn schwor, daß er seine zehn Minuten Ruhm im Fernsehen genoß. daß er einen großartigen Spion hatte, daß sein Spion nicht spionierte, daß er als Spion nichts taugte. daß er verleitet und dann verheizt wurde; daß er sich selbst verheizte, weil er meinte, er müßte; daß er sich selbst verheizte, weil er sonst das ganze Land in Brand gesteckt hätte. daß mit den Schmauchspuren alles geklärt werden würde, daß nichts dadurch klar wurde, weil dieser Waffentyp keine sichtbaren Spuren zurückläßt, daß wir uns von dieser Untersuchung zu viel versprochen haben, wo doch klar war, daß sie nichts bringen würde. daß er die ganze Zeit wußte, wer für den AMIA-Anschlag verantwortlich war; daß er’s nicht wußte, aber die Verantwortlichen im Iran vermutete; daß er in Europa erfuhr, wer verantwortlich war, und deshalb eine Woche früher zurückkehrte. daß der Richter seine schützende Hand über ihn hielt, daß verschiedene Geheimdienste ihn beschützten, daß die US-Botschaft ihn steuerte. daß nichts Besseres zu erwarten war, wenn [Armeechef] Milani und Berni vor Ort waren, daß alles das Werk von [Ex-Geheimdienstchef Antonio] Stiusso war (der mutmaßlich aus dem Land geflohen ist) und daß die Titelseiten von Clarin in jenen Tagen “solch ein Zufall” waren (sagt die Präsidentin). daß er “in Eile” aus Europa zurückkam, weil er Angst hatte, nach Abschluß seiner Ermittlungen zu “verschwinden“. Aber nicht doch! Er hatte keine Angst, er hatte nur einen dringenden Fall. Aber nicht doch! Er hatte keinen dringenden Fall, er befürchtete, von seinem Posten entfernt und, schlimmer noch, selbst angeklagt zu werden. daß es Larroque, Esteche, Cristina und Timerman gab[die am meisten durch Nisman Belasteten]; daß es Lanata und Magnetto [von Clarin] gab; daß es Lagomarsino und die Pistole vom Kaliber .22 gab.[Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, der Nisman die Waffe brachte, mit der Nisman erschossen wurde.]. daß es parallele Diplomatie gab, eine offizielle und eine blaue (wie es auch mit den Dollars und Euros läuft…) daß die Abhörprotokolle ihn irreführten; daß die Abhörprotokolle ihm mehr mitteilten, als er wissen sollte; daß er niemals die eigentlichen Aufnahmen hörte sondern für ihn plazierte; daß er, wenn er die echten Aufnahmen gehört haben würde, alles verstanden hätte. daß wir sämtliches Beweismaterial im AMIA-Fall kennen; daß es in Wirklichkeit mehr Material gibt, der Staat aber alles in seiner Reichweite verschwinden ließ; daß der Iran Beweismaterial entwendet hat. daß die Justiz auf der Seite der Kirchneristen ist, daß die Justiz auf der Seite der Opposition ist, daß sie zur widerlichen extremen Rechten gehört (die wiederum gleichermaßen für Kirchner wie für die Opposition sein kann). daß es die “lokale Spur”, die “syrische Spur”, die “iranische Spur” gab (und die von Anillaco, wenn wir schon dabei sind), oder besser doch keine von ihnen. daß das alles kein Fehler des ganzen Justizsystems oder des Sicherheits- und Geheimdienstsystems ist; daß es nur der Fehler eines Haufens von Staatsanwälten ist, die vor Gericht gestellt werden (oder auch nicht); daß uns die Verdächtigen ausgehen [wie im AMIA-Fall]. daß es ein Memorandum gab, daß dieses Memorandum dementiert wurde, daß wir uns besser mal den vornehmen, der damals Präsident war (ach nein, Moment – der ist ja zu nützlichals Merheitsbeschaffer im Senat).
Ich würde sagen, all das läßt Einiges klar stehen:
Daß wir einen Scheiß darüber wissen, was passiert ist.
Daß wir KEINE Ahnung haben, wie die Ermittlungen zum AMIA-Anschlag verlaufen sind.
Daß die Geheimdienste viel besser organisiert und effektiver sind als je.
Daß die Unwissenheit, unter der wir bei dieser ganzen Angelegenheit leiden, solche Ausmaße hat, daß jede Verschwörungstheorie blühen kann (und auch die Verschwörungstheorie, die das gerade Gegenteil behauptet).
Daß die Äußerungen der Regierungsanhänger in den sozialen Netzwerken sich zwischen furchteinflößend und lachhaft bewegen.
Daß der Rätsel so viele sind, die korrupten und verfaulten Strukturen des Geheimdienstapparates unangetastet und ebenso zahlreich, Geheimverhandlungen so umfassend, Kommunikation außerhalb der legalen Kanäle so üblich, Aktionen jenseits des Rechtsweges so verbreitet – daß die Wahrscheinlichkeit, eine wahrheitsgemäße Antwort zu erhalten, verschwindend gering ist.
Daß es von Ahnungslosigkeit und Blindheit zeugt, den offiziellen Ermittlungen zu glauben; daß ihnen nicht zu glauben, entmutigt.
Daß die Liste “seltsamer Todesfälle” seit dem Ende der letzten Militärdiktatur wieder länger geworden ist, daß Luciano von der Polizei umgebracht wurde und Mariano von Pedrazas Bande, wir aber in allen übrigen Fällen hinnehmen müssen, daß die offenen Geheimnisse niemals vor Gericht kommen werden. Und Julio López wurde auch bei der Dakar-Rallye dieses Jahr nicht gesehen.
Daß D’Elia an den Ermittlungen zum AMIA-Anschlag beteiligt war. Ja. Luis D’ELia. [erklärtermaßen Pro-Iran und wiederholt des Antisemitismus und der Holocaustleugnung beschuldigt]
Daß viele hochsensible Angelegenheiten in den Händen von absolut finsteren Gestalten liegen.
Daß wir ohne eine Öffnung der Geheimarchive (und zwar eine richtige und vollständige Öffnung zumindest all jener, die nicht schon vernichtet oder verschwunden sind) und ohne die Schaffung eines externen, gemischt und gut besetzten Ausschusses nirgendwo anders hingelangen werden als dort, wo wir uns gerade wiedergefunden haben.
Danke an Santi für die Gerätschaft und an die AFIP für die Langeweile beim Warten.
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on Tuesday, January 27th, 2015 at 16:53 and is filed under Entschwörung
February 1st, 2015 at 21:56
Und dir danke für die erhellende Zusammenfassung.
February 4th, 2015 at 05:15
Ich richte es aus!