Immer um den heißen Brei herum – Saving Facebook 2
March 2nd, 2017Wenigstens Stephen Bannons Nationalismus gerät nun zwar endlich mal etwas in den Fokus – wenn auch nur, weil er ihn selbst herumtrompetet. Die Berichterstattung ist aber von Verwirrung über die darin steckenden Widersprüche geprägt, die nur als seltsamerweise wirksame Fehler verhandelt werden – bei der Washington Post auch nicht, ohne Sanders gleich noch mit in die gleiche Ecke zu sortieren.
Die deutschen Beschreibungen nähern sich ebenfalls dem nationalistischen Kern (weil mit der Nase reingestupst), bleiben in der Erklärung weiterhin ideologisch befangen: “Stephen Bannon sieht im radikalen Rückbau des Staates eines der obersten Ziele der US-Regierung. Wichtig seien daneben die Themen Einwanderung, nationale Sicherheit und Handel. Das Wichtigste sei aber ein Zurückschneiden des Staates.”
Elisabeth Wehling beschreibt, how “The Far Right Is Winning the Word War“ (Framing Wars, Etablierung von Sprachbildern wie Menschenfluten), schreibt aber am nationalistischen Kern vorbei, den sie wieder nur bei den anderen, den Autoritären, verortet, nicht beim “progressiven, mitfühlenden und friedlichen Europa”.
Christian Stöcker sieht bei Trumps Verschwörungserzählungen keine Ideologie am Werk, sondern beschreibt lieber wieder nur Komplexitätsreduktion, Attributionsfehler und Korrespondenzverzerrung: “Es gibt klar zu benennende Schuldige – Mexiko, ausländische Unternehmen, Muslime, Klimaforscher – die man einfach mal in ihre Schranken weisen muss, dann wird alles wieder gut.” Woran sind die denn aber alle schuld? Gegen wen ist das alles gerichtet? Warum funktioniert das für Trump wie nach wie vor erstaunlich große Teil seiner Anhängerschaft so gut? – In der Darstellung des Verschwörungsdiskurs selbst ist’s ebenfalls weiter “Wahn, Überforderung und Angst”, wogegen nur “Linien ziehen” hilft. – Bohemian Browser Ballett faßt das Verhältnis des linksliberalen Nationalismus zu seiner weniger liberalen politischen Konkurrenz scherzhaft als AfD-Sucht, zeigt aber umso deutlicher, daß zwischen “drauf einsteigen” und “nicht provozieren lassen” auch nichts zu liegen scheint.
Daß unter diesen Umständen Moby weiter im Ansehen als politischer Kommentator steigt, wundert wenig, da er Trump so blamiert, wie es Liberale gern hören: der kann nix und ist furchtbar.
Etwas besser und vor allem streckenweise witziger finde ich “Unwrapping the Conspiracy Theory at the Heart of the Alt-Right” von Scott Oliver: “The trope of ‘cultural Marxism‘ has been steadily gaining traction among the broad and diverse entity that is the radical right (although, hating diversity, they would baulk at you saying so), where it serves as an umbrella term variously responsible for such un-American and anti-Western ills as atheism, secularism, political correctness, gay rights, sexual liberation, feminism, affirmative action, liberalism, socialism, anarchism and, above all, multiculturalism. The ultimate goal of cultural Marxism, we’re led to believe, is to slowly and stealthily dilute and subvert white, Christian Western culture, thereby opening sovereign nations to rule by a one-world corporate government. Whether that’s by Jews, lizards or communists isn’t always clear…
…if universities are churning out so many Marxists (excluding the now defunct Trump University, of course), why no collective ownership of the means of production?“
Aber der Widerspruch wird doch wieder nur auf Idiotie runtergebrochen, die Wirksamkeit der Ideologie nicht verstanden: “The idiocy of the cultural Marxism conspiracy is demonstrated by the way the neo-nationalist anti-globalist New Right ascribes the dynamics of the idea to the left, identifying and conflating cultural Marxism with late-capitalist globalisation.”
Herrschaft gibt’s nur mit Ideologie, auch die liberale, demokratische –
Sortierung nach Geschlechterrollen ist wohl die älteste und am weitesten verbreitete Form, Nationalismus ist die spezifische der kapitalistischen Gesellschaften
Im Zeit-Störungsmelder wird sich gewundert, warum Nazis in Sachsen machen können, was Linke nie dürften, aber ist nur die Klage über den unverständlicher- und unverantwortlicherweise nicht gleichbehandelnden Rechtsstaat. – Aber auch in Würzburg dürfen Nazis “Bengalos zünden…, im Takt der Trommeln in Marschformation im Fackelschein vor den Augen der Polizei und des Ordnungsamtes laufen”, es werden Runen toleriert und sie können “ihre Veranstaltung zum Gedenken des “Bombenholocaust! betiteln” – “nicht verwunderlich, dass eben diese Neonazis vom III.Weg es schaffen, sich unbehelligt unter den Faschingszug zu mischen, um auch dort ihre menschenfeindliche Hetze zu betreiben.” Siehe auch: Faschoübergriff bei der Demo III. Weg in Würzburg. – Widerstand gegen Nazis früher: “In 1937, a judge quietly asked Meyer Lansky to form a squad of Nazi-punching gangsters to raid Bund meetings.” Und: The Zazous. – Was heißt denn Antifa überhaupt? Alerta Südthüringen versucht sich leicht jargonschwanger an einer Antwort. – Die “Bahamas” fragt sich in ihrer neuen Ausgabe gleich, ob sie eine neue Antifa braucht, nachdem ihre bisherigen wohl einfach nicht mehr für alle Wendungen taugen und sich nun sogar der Spiegel an sie ranwanzt. Wie die “Bahamas” eben aussieht.
Konkreteres: Kriminalpsychologin Wlada Kolosowa erklärt “Warum ‘Fifty Shades Darker’ gefährlich ist” und hat Paare in offenen Beziehungen nach ihren Regeln gefragt: “Verhüten, nicht lügen, nach dem Sex mit Anderen duschen. Und Bettwäsche wechseln.” – Paula Irmschler schreibt über “Sapiosexuelle auf der Pirsch”: “Sapiosexualität ist das »no fat chicks« der Unielite.” – Kirsten Achtelik berichtet, wie Abtreibungsgegner in den USA Unterstützung von ganz oben bekommen, hierzulande darauf aber vergeblich hoffen. – Eine Zusammenfassung der Aufregung um Mithu Sanyals Vorschlag, im Zusammenhang mit Vergewaltigungen den Begriff “Erlebende” einzuführen. – Maxime de Vries sammelte Statements für “Wie du Sexarbeiter behandeln solltest, erklärt von Sexarbeitern”.
Die israelische Botschaft: “Zwischen 2002 und 2012 erhielten die israelische Botschaft in Berlin und der Zentralrat der Juden in Deutschland über 14.000 E-Mails, Briefe, Postkarten und Faxe aus allen Regionen Deutschlands. Da wir dachten, dass uns dieses Material ein Fenster in den modernen deutschen Geist gegenüber Israel liefern könnte, führten wir eine Untersuchung dieser Zuschriften durch und stellten fest, dass die überwiegende Mehrheit mit Kritik an der Politik Israels begann, sich aber sofort zu antisemitischen Angriffen verschlechterte. Wir nennen dieses Phänomen die „Israelisierung des Antisemitismus“.”
Außerdem: Video zum 11. Gedenkmarsch zur Erinnerung an die afrikanischen und Schwarzen Opfer von Versklavung, Versklavungshandel, Kolonialismus und rassistischer Gewalt. – So sieht es aus, wenn ein paar Dutzend Deutsche wegen Fußball-Lokalismus und Männerei aufeinander losgehen. – Deutschlandradio Kultur ruft eine “Streikrepublik Deutschland” aus und erkennt eine “neue Kampfkultur der Gewerkschaften”. – Rumänen stehen gegen Korruption auf, allerdings erst, wenn ihnen die Regierung zu weit links ist = wenn sie wenigstens mal irgendwas für die Armen tut.
March 5th, 2017 at 15:16
Wäre es nicht am wirkungsvollsten den Antifaschimus als Weg zu beschreiten, der in erster Linie in einer Auseinanderseztung mit dem Naheliegendsten besteht, nämlich in einer Konfrontation mit den eigenen Mustern, Dämonen, oder wie man es immer nennen mag? Macht uns nicht erst die Anerkennung der eigenen Fehlbarkeit zu dem kompletten Menschen, der eine Heilung erreichen kann? Doch statt eines “erkenne Dich selbst”, lenken wir uns viel zu häufig damit ab, indem wir unseren Blick auf “das Andere” richten.