Argentinien: Massenproteste & Generalstreik gegen Rentenreform
December 19th, 2017Nach erneuten ganztägigen Massenprotesten von Zehntausenden bis weit in die Nacht – vorm Kongressgebäude, in weiten Teilen der Innenstadt von Buenos Aires und auch in anderen Städten – und inmitten eines Generalstreiks wurde die Rentenreform, die die Staatsverschuldung in Massenverarmung umsetzt, mit knapper Mehrheit (und durch peronistische Unterstützung) heute morgen gegen 7 beschlossen.
Die ganz überwiegend friedlichen und lautstarken Proteste hatten gegen Mittag eine aufständische Spitze gehabt, als die Stadtpolizei vorübergehend fast die Kontrolle über die Absperrungen vorm Kongressgebäude an eine große militante Menge verlor. Sobald Verstärkung in Gestalt der Bundespolizei und der paramilitärischen Gendarmería eingetroffen war, ging die Abwehr dieses Vorstoßes schnell in eine unterschiedslose Jagd auf alle Protestierenden über, die stundenlang mit Gummigeschossen und Gasgranaten durch die Innenstadt gestrieben wurden, wobei mindestens drei Protestierende ein Auge verloren, Gas in Cafés und die U-Bahn gefeuert wurde und mehrere Menschen von Polizeifahrzeugen angefahren und überfahren wurden.
Proteste sammeln sich ab morgens vorm Kongress
Polizeiverstärkung weitet die Repression aus
Im Verlaufe des Abends bildeten sich überall im Stadtgebiet spontane “cacerolazos”, Kochtopfproteste in der Tradition des Dezember 2001, dessen soziale Errungenschaften letztlich von den schon erfolgten und den befürchteten weiteren Kürzungen bedroht werden, und nach Mitternacht – es war nun der 19. Dezember – strömten diese zu Tausenden wieder vor den Kongress, wie damals skandierend: “Que se vayan todos” (etwa: “Die sollen alle gehen”) und “Unidad de los trabajadores” (“Einheit der Arbeiter”). Diese Proteste hielten bis in die Morgenstunden an, und auch aus anderen Städten (z.B. Rosario, Córdoba, Mendoza, Neuquén und Ushuaia) wurden ähnliche nächtliche Massenaufläufe berichtet.
Avenida Callao nach Mitternacht – Polizei hält buchstäblich die Massen zurück
Dennoch ist die Reform nun erstmal beschlossen – und die deutsche Berichterstattung fokussiert auf die Gewalt, spielt die Repression runter und schreibt sich sogar Macris Regierung noch größtenteils zurecht. (Ausnahme: der deutsche Ableger der argentinischen Izquierda Diario.) Es wird allerdings weiter gestreikt, nun auch mit partieller Unterstützung des Gewerkschafts-Dachverbands CGT – und es sind neue Proteste überall im Land angekündigt.
(Zur Lage vorher: Unterdessen in Argentinien: WTO, G20, Repression & Widerstand)
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