Räterepublik Bayern

April 1st, 2019

Während sich der Generalstreik im Ruhrgebiet vor hundert Jahren noch zur vollen Größe entfaltete, spitzte sich die Lage in Bayern weiter zu und es kam am 7. und 8. April zur Ausrufung der Räterepublik in den meisten größeren Städten.

In Bayern hatte es wie in anderen Teilen des Reiches Anfang 1918 Massenstreiks gegeben, wie andernorts auch in hohem Maß von Frauen organisiert, und am 7. November hatten die daraus entstandenen starken Räte- und USPD-Strukturen mittels einer Massendemonstration in München die dortige Monarchie gestürzt, Kurt Eisner (USPD) wurde mit einem räte-konstitutionalistischen Programm erster Ministerpräsident des Freistaats und sorgte u.a. dafür, dass in Bayern keine Freikorps aufgestellt wurden.

Eisners Ermordung am 21. Februar, mit der sich Anton Graf Arco-Valley trotz seiner jüdischen Vorfahren vor der Thule-Gesellschaft als Völkischer und Antisemit beweisen wollte, verschärft die Lage – es kommt sofort zu Schüssen im Landtag auf SPD-Innenminister Auer, einen erklärten Feind der Revolution. Dennoch soll der Landtag zunächst nur die Räte in der Verfassung verankern. Erst unter dem Eindruck der Ausrufung der ungarischen Räterepublik am 21. März gibt es einerseits nun auch in der SPD immer mehr Zustimmung zu einer Räterepublik in Bayern, andererseits sorgt das blutige Vorgehen der Regierungstruppen überall im Reich dafür, dass vor allem aus der sich gerade erst in Bayern organisierenden KPD die Rufe eigener militärischer Organisation lauter werden.

Als schließlich die Räterepublik Bayern auf Beschluss “von USPD, einigen SPD-Männern, den Anarchisten und dem Bauernführer Gandorfer” (Gietinger 2018:178) ausgerufen wird, ist die KPD zunächst dagegen, sieht keine revolutionäre Situation und riecht ein SPD-Täuschungsmanöver, spricht wie später viele Darstellungen von einer “Scheinräterepublik” und einem “Literatenputsch”. Gietinger schreibt: “Sämtliche Regimenter der Garnison München erklärten sich zugehörig. Es schlossen sich an: in Oberbayern: Garmisch, Mittenwald, Bad Tölz, Miesbach, Traunstein, Burghausen, Altötting, Pasing, Freising, Dachau, Landsberg, Schongau; in Niederbayern: Landshut, Kehlheim, Straubing, Plattling, Vilshofen, Passau, Grafenau; in Schwaben: Lindau, Lindenberg, Weiler, Immenstadt, Sonthofen, Kempten, Füssen, Markt Oberdorf, Kaufbeuren, Mindelheim, Buchloe, Schwabmünchen, Memmingen, Obergünzburg, Augsburg, Donauwörth; und in der Oberpfalz und in Oberfranken: Regensburg, Burglengenfeld, Cham, Amberg, Leonberg, Marktredwitz, Kulmbach, Selb und Hof, etc. Es war also keine Spinnerei oder Farce, auch kein Schein, es waren nur eben Anarchisten und Literaten an der Spitze.” (An der Basis war die KPD auch dafür.) “Die meisten Bauern waren skeptisch bzw. dagegen, genau wie das Bürgertum, das kurzzeitig paralysiert war. Etwa die Hälfte der Bayerischen Stadtbevölkerung, praktisch alle großen Städte außer Nürnberg und sehr viele kleinere Städte, stimmten der Räterepublik zu.” Ab dem 10. April wird eine Rote Armee aufgestellt: “Das 1. Bayerische Infanterieregiment wollte das erste in der Roten Armee Bayerns sein und benannte die Marskaserne, seine Kaserne, in Kurt-Eisner-Kaserne um. Das 2. Bayerische Infanterieregiment nannte seine Kaserne jetzt Karl-Liebknecht-Kaserne.”

Die Räterepublik ist zwischen Vertrauen auf die Selbstorganisation der Massen und Notwendigkeit der Abwehr der Konterrevolution, zwischen ihrem linkssozialdemokratisch-anarchistischen und wachsenden kommunistischen Flügel zerrissen. Es kommt in der Tat zu einem Putschversuch gegen die Räte durch die SPD-nahe Republikanische Schutztruppe am 13. April, der aber unter kommunistischer und anarchistischer Führung zurückgeschlagen werden kann. Danach wird die zweite Räterepublik, nun stark von der KPD bestimmt, ausgerufen, die Lage verschärft sich weiter. Anrückende Regierungstruppen werden in Dachau zurückgeworfen, in Augsburg aufgehalten. Als sie schließlich mit massiver Unterstützung aus Württemberg und Preußen in München einmarschieren, verüben sie wieder Massaker, setzen sich dauerhaft vor Ort fest und bilden den organisatorischen Grundstock für den Nationalsozialismus. Zu alldem in weiteren Postings mehr.

Zur besseren Übersicht hat Plenum R in Zusammenarbeit mit dem Kurt-Eisner-Verein je eine Karte zum revolutionären Geschehen in Bayern insgesamt und in München im Speziellen erstellt.

Der Vortrag “Revolution in Deutschland 1918-23” geht aus Anlass der beschriebenen Jahrestage diese Woche auf Bayerntour: 4.4. München, 5.4. Augsburg, 6.4. Regensburg, 7.4. Würzburg, 9.4. Nürnberg.

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