Revolution 1920 Teil I: Ultimatum von rechts oben

March 10th, 2020

Am 10. März 1920 gipfelt der Machtkampf zwischen der rechtssozialdemokratisch-liberalen Reichsregierung, die ihre militarisierte “Volksgemeinschaft” gegen den “Bolschewismus” weiter in der Form einer Präsidialrepublik betreiben will, und ihrer völkisch-antisemitisch gesinnten Militärführung, die monarchistisch-frühfaschistisch zur offenen Kriegswirtschaft (zurück-)strebt, im mündlichen Ultimatum des Armeeführers General von Lüttwitz (in der Bildmitte) an Reichspräsident Ebert.

Lüttwitz verlangt Staatsumbau und Nichteinhaltung der Entmilitarisierungsbestimmungen des Versailler Vertrags. Ebert und Reichswehrminister Noske (im Bild rechts) sollen selbstverständlich im Amt bleiben. Die wissen, dass eine offene Militärherrschaft gegen die nach wie vor revolutionär-demokratischen Massen überall im Reich nicht durchzusetzen ist. Noske warnt vor einem drohenden Generalstreik, verspricht Lüttwitz aber eine mögliche Lockerung der Versailler Bestimmungen. Nach dieser Unterredung, schreibt Klaus Gietinger, erwarten Ebert und Noske “reichlich naiv” Lüttwitz’ Rücktritt.

Als dieser ausbleibt und Noske trotz gezielter Täuschung seitens der Militärs und trotz seiner grenzenlosen Bereitschaft, sich von ihnen täuschen zu lassen, den drohenden Putsch ahnt, beurlaubt er tags darauf Lüttwitz und erlässt Haftbefehle gegen die Mitverschwörer Pabst, Kapp, Schnitzler und Grabowsky, am 12.3. gegen Oberst Bauer. Waldemar Pabst, seit Monaten der wohl wichtigste Organisator des Putsches, zentral schon beim Aufbau von Freikorps und Reichswehr ab Anfang 1919 und bei den ersten Putschversuchen vom Sommer 1919, wird gewarnt, hält den Putsch für verfrüht, taucht ab.

Seine Abwesenheit, als es am 13. März losgeht, sorgt wesentlich für das Scheitern des Putsches. So auch die Vorwarnung an die Regierung, die noch bis abends zuvor sich hatte vom Militär täuschen lassen, die sich nun aber in letzter Sekunde absetzen kann. Der entscheidende Faktor ist jedoch die spontane massenhafte Verweigerung der Bevölkerung fast im ganzen Reich: die mit den ersten Nachrichten vom Putsch bereits einsetzende Arbeitsverweigerung von den Fabriken bis in die Büros und Amtsstuben, die Versammlung auf den Straßen und die Selbstbewaffnung zum Kampf gegen die Putschisten.

Dazu mehr im nächsten Posting.

Übersichtsposting zum März/April 1920: Revolution 1920 Übersicht
Übersicht aller Postings zu Revolution und Konterrevolution vor hundert Jahren: Revolution in Deutschland 1918-23.

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