Revolution 1920, Teil III: Generalstreik, erste Kämpfe

March 14th, 2020

Am Montag, dem 15. März 1920, weitet sich der Generalstreik, der am Samstag als Reaktion auf den konterrevolutionären Kapp-Putsch eingesetzt hatte, auf mehr als zehn Millionen Streikende aus, es wird nun auch in Stuttgart und in Bayern gestreikt. Zusätzlich verstärkt durch die Massaker der Putschtruppen (40 Tote bei Schüssen in die Menge in Leipzig, 60 in Dresden) wachsen die Anstrengungen, diese zu ent- und sich gegen sie zu bewaffnen, als erstes in Sachsen, Thüringen und im Ruhrgebiet.

Auch wenn der Streik und die übrigen Abwehrmaßnahmen hauptsächlich von den organisierten Arbeitskräften und ihren Parteien, Gewerkschaften und Räten getragen werden, schließen sich auch linksliberale und bürgerliche Kräfte an, beteiligen sich DDP und Zentrum an einigen Aktionsausschüssen, auch an der Organisation von Gegenwehr.

Die Selbstbewaffnung der Bevölkerung bricht den Ausnahmezustand, der seit einem Jahr nur mit kurzen Unterbrechungen in weiten Teilen des Reiches bestanden hatte. In Chemnitz werden “mühelos die Zeitfreiwilligen entwaffnet, die politischen Gefangenen befreit und eine Arbeiterwehr aufgestellt” (Gietinger). In Plauen umzingeln Arbeiter Reichswehr-Lkws und beschlagnahmen die Waffen. In Leipzig kesseln Arbeiter unter andauernden Feuergefechten die Reichswehr und Zeitfreiwilligenverbände in einer Kaserne und der Universität in der Innenstadt ein. Die Arbeiter bauen Barrikaden und bewaffnen sich durch Haussuchungen bei Zeitfreiwilligen und in Studentenverbindungshäusern, zusätzlich kommen Waffen aus Halle und den Gewehrfabriken in Suhl. Selbstbewaffnung und Entwaffnung von Putscheinheiten und Einwohnerwehren gelingt u.a. in Borna, Frankenberg, Hermsdorf, Hohenstein-Ernstthal, Mügeln (der heutige Teil von Heidenau), Oschatz, Pirna, Riesa, Wurzen und Zeithain.

Nirgendwo flammt der Widerstand jedoch so heftig auf wie im Ruhrgebiet, das seit Anfang März ohnehin in einen Massenstreik gesteuert war. 1500 aus der Umgebung zusammengeströmte bewaffnete Arbeiter stürmen den Bahnhof von Wetter und besiegen dort eine Vorhut des einrückenden Freikorps Lichtschlag, das sich zum Putschisten Lüttwitz bekennt, etwa 6 Arbeiter und 10 Soldaten kommen dabei ums Leben. Gietinger schreibt: “Ein erster Sieg nach den vielen Niederlagen in der Revolution 1918/19 wirkte euphorisierend.” Und Eliasberg im “Ruhrkrieg von 1920”: “Zum ersten Male wurde eine Abteilung des Heeres von Arbeitern besiegt, die noch am Vortage weder Waffen noch eine erkennbare Organisation hatten.” Es ergab sich erstmals die “Möglichkeit des erfolgreichen Kampfes größerer Arbeiterformationen”.

In den folgenden Tagen zwingen noch größere Mengen bewaffneter Arbeiter in Kamen und Herdecke Freikorps-Verbände zur Kapitulation, bis zum Mittwoch ist auch Dortmund, wo der Streik zwischenzeitlich schon wieder eingestellt worden war, nach einem Angriff durch 12.000 Arbeiter in der Hand der sich nun herausbildenden Roten Ruhrarmee, in deren Reihen sich nicht nur Anhänger der USPD, KPD und der Syndikalisten befinden, sondern auch viele SPDler und einige Liberale und Bürgerliche. Polizei und Sicherheitswehr werden entwaffnet, die vollziehende Gewalt geht auf den Aktionsausschuss über, die Offiziere können aber fliehen.

Derweil gibt es auch im Ruhrgebiet weiter Terror von Seiten der Putschisten. In Elberfeld greift das Freikorps Hacketau eine Menge Protestierender mit Schüssen (“Straße frei!”) und schließlich mit Handgranaten an. In Hahnerberg werden Arbeiter aus Solingen von der Sicherheitspolizei mit Maschinengewehrfeuer belegt, es gibt Tote und Verwundete, die Sipo durchsucht Häuser. “Wie in Belgien”, kommentiert eine SPD-Zeitung, auf die Besatzungspraxis während des Weltkriegs anspielend. Beim Einmarsch in Heiligenhaus am Dienstag wird sofort ohne Vorwarnung geschossen, drei Tote, “darunter ein spielender Junge und eine Frau am Fenster.” In Mülheim räumt die Polizei eine Menschenmenge vor der Kaserne, während das Freikorps Schulz einen Arbeiter erschießt und Handgranaten in die Menge wirft. In Werden wird die Einwohnerwehr entwaffnet, Freikorps schießt in eine Demonstration, 4 Tote. In Oberhausen schießen Polizei und Zeitfreiwillige auf Streikende, 4 Tote. Eine Kompanie des 62. Regiments greift die Rheinischen Stahlwerke in Duisburg-Beeck an, verjagt die Arbeiter und nimmt Geiseln. Gietinger: “Der Angriff auf eine Fabrik war selbst im Ruhrkampf einmalig.”

Der Putsch selbst steht unterdessen kurz vorm Zusammenbruch. Nicht nur Generalstreik und Verweigerung der Verwaltung – auch die Reichsbank gibt Kapp kein Geld.

Die nach Stuttgart geflohene Regierung Ebert-Bauer redet sich öffentlich die Lage schön. Bauer erklärt der Presse, die Reichswehr stünde überwiegend auf dem Boden der Reichsverfassung. Innenminister Koch-Weser muss jedoch anerkennen: “Überall dort wo sich die Reichswehr als aufrührerisch erwiesen hat, ist sie von der Arbeiterschaft und den Linksstehenden niedergeschlagen und entwaffnet worden.”

Bild zeigt Angehörige der Roten Ruhrarmee in Dortmund

Übersichtsposting zum März/April 1920: Revolution 1920 Übersicht

Übersicht aller Postings zu Revolution und Konterrevolution vor hundert Jahren: Revolution in Deutschland 1918-23.

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