Die geheime Geschichte des Freien Marktes

September 10th, 2007

Naomi Klein hat herausgefunden, daß Regierungen Krisen nutzen, um ihre Vorhaben durchzusetzen und daß Unternehmen von Katastrophen profitieren. Das hat ihr Weltbild so heftig erschüttert wie ihre letzte große Erkenntnis, daß Produktionsbedingungen nicht von ethischen Standards diktiert werden.

Im Werbefilm für “The Shock Doctrine” (deutsche Fassung: “Die Schock-Strategie“) wird von der Perspektive der nutznießenden (“neoliberalen”) Regierungen die Grenze zwischen Katastrophen und verabreichten Schocks ordentlich verwischt, ebenso die zwischen Terroranschlägen und Regierungshandeln.

Der verschwörungstheoretische Twist deutet sich nur an. Es wird betont, daß der präsentierte Urheber der “Shock Doctrine”, Milton Friedman, von echten und auch von nur wahrgenommenen Krisen sprach. Hier schwebt das Wort “Inszenierung” groß im Raum, aber ohne die Lektüre des Buches würde ich hier eher die späte-90er-typische Koketterie mit Verschwörungspop am Werk sehen und keinen Post-9/11-Konspirationismus. Wer verschwörungsideologisch vorgeprägt ist, wird in der Schockdoktrin vielleicht einschlägige Geschichtsdarstellungen wie die von Des Griffin wiederentdecken, in der der Zweite Weltkrieg als Schockmaßnahme zur Durchsetzung illuminatischer Projekte diente (Großbanken profitieren vom Wiederaufbau, “totalitäre Eine-Welt-Regierung”).

Auch “No Logo” hatte ja die Hoffnung ausgelöst, es könne ein kurzer Schritt von der moralischen Kritik der Sweatshops zur Kritik der Produktionsweise sein. Der entsprechende Schritt wäre hier der von der Empörung über die schockartige Verordnung der neoliberalen Ordnung zur Erkenntnis über die gewaltsame Grundlegung der kapitalistischen Gesellschaft. Ich bin nicht sehr optimistisch, was diese Schritte angeht, vermutlich kommt eben nur das “verlängerte Verkürzte” dabei raus. (Woher ist eigentlich dieser letzte Gedanke?)

(via Ungi)

4 Responses to “Die geheime Geschichte des Freien Marktes”

  1. Hagbard Jesus Celine Says:

    Aus der Produktbeschreibung bei amazon:

    “…es herrscht Wild-West-Kapitalismus der reinsten Sorte.”

  2. neuronal Says:

    In der Argumentationsstruktur (komplexe gesellschaftliche Strukturen entstehen aus einflußreichen akademischen Ideen) erinnert das Video übrigens bis an die Grenze zur Abkupferung an die Dokus von Adam Curtis (The Century Of The Self). Nur denkt Curtis deutlich länger und besser über seine Thesen nach.

  3. godforgivesbigots Says:

    Was Du denkst dass alle denken das ist Deine Matrix.

    Für die Kleinsche Reaktion gibt es einen wissenschaftlichen Begriff:

    The third-person effect hypothesis states that a person exposed to a persuasive communication in the mass media sees it as having a greater effect on others than on himself or herself (Davison, 1983). This is known as the perceptual hypothesis, but there is also a behavioral hypothesis which predicts that perceiving others as more vulnerable increases support for restrictions on mass media.

    The third-person effect hypothesis also argues that people are compelled themselves to take action after being exposed to a persuasive message but this action might not be due to the message itself but to the anticipation of the reaction of others. This action is unpredictable and it might be either in conformity with the message or counter to it.

    Und jetzt rate mal wer über dieses Thema promoviert hat… =;-)

  4. RadicalHumanity.org » Blog Archive » Naomi Klein: “Dussmann baut Festung Europa aus” Says:

    […] Zweiten Weltkriegs oder mit der Einführung des New Deal als Konsequenz der Weltwirtschaftskrise. (Gut, ich nehme das zurück.) Ebenso wenig sei ihr Buch eine erschöpfende Geschichtsschreibung des […]

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