Mein Jungle-World-Artikel zu “Verschwörungstheorien”, Nationalismus & Klassenkampf – mit Korrekturen

June 12th, 2016

Jetzt auch online verfügbar ist mein Grundsatzgeschimpfe “Handeln wollen, verstehen müssen” zum Verschwörungsschwerpunkt in der aktuellen Jungle World, das ich schrieb, bevor ich die anderen Beiträge las (Kevin Culina: “Dennoch besitzt das Treffen ein größeres politisches Gewicht als etwa eine Onlinepetition”; Michael Bergmann: “…von einer angeblichen Verschwörung der Mächtigen gegen das Volk oder wahlweise auch gegen die Arbeiterklasse”) , auf die es aber durchaus als Antwort funktioniert:

«Der ideologische Einsatz von Verschwörungserzählungen dient Menschen im Rahmen von nationalistischen Bewegungen oder staatlichen Kampagnen dazu, ihr eigenes Weltbild zu kitten und sich ganz real Einfluss und Einkommen zu sichern oder zu verschaffen. Der Vorteil, den diejenigen haben, die das tun: Sie brauchen es nicht zu verstehen, um damit erfolgreich zu sein. Der Nachteil derjenigen, die dem entgegenwirken wollen: Sie müssten es verstehen, um es zu vereiteln.»

Was hat das Jungle-Lektorat diesmal mit dem Text gemacht? Sowohl in der Unterüberschrift als auch im Inhaltsverzeichnis-Eintrag stehen nun “Verschwörungstheorien” ohne Anführungszeichen, eine Bezeichnung, die ich vermeide oder nur als Zitat verwende, weil sie weniger Begriff als bequemes Label ist, zur Disqualifizierung anderer Auffassungen benutzt wird und das durchaus sinnvolle Nachdenken über reale Verschwörungen mit dem ideologischen Aufgreifen des Themas zusammenwirft.

Auch im Antext wurde die Rede von der “derzeitiger Konjunktur” eingefügt, die ich im Artikel als stets schwer bestimmbar bezeichne, während die nationalistische Mobilisierung, die Verschwörung ideologisch thematisiert, ganz offensichtlich immer weiter zunimmt.

Im Text selbst ist Nationalismus als “Form von Ideologie” einfach zu einer “Ideologie” geworden – “als hätte es Ideologie- und Herrschaftskritik nie gegeben” – , und auch nicht von mir ist die Formel “gefährliche Denkweise”, die ich verniedlichend finde und aus der gegenwärtigen Diskussion auch nicht zitiert habe.

Abgerundet wird das ganze mit einer Aluhut-Illustration. Und das Ende war schon vorher abgeschnitten worden, weil für redundant befunden. “Diejenigen, die dem entgegenwirken wollen”, hieß es in meiner Version,

«…dürften sich von den rivalisierenden Nationalismen die Themen nicht vorgeben lassen; sie müssten stattdessen über das reden und das tun, was mit dem ganzen Theater ja verhindert werden soll: die Unterstützung und Organisation des autonomen Klassenkampfs von unten, von Streiks, die der Binnenkonkurrenz entgegenwirken können, und von kollektiven Aneignungen, im besten Fall zeigen können, dass es ohne Herrschaft geht.»

Leo Fischer ist aber ganz lustig.

Jungle-Eingriffe in Artikel zuletzt
: argentinische Kritik an deutscher Argentinien-Darstellung abgeschnitten, Reportage über instandbesetzten Betrieb mit Fehlern übersät, Rausch-Artikel umformuliert und mit Peter-Tosh-Zitat versehen. Grob scheinen die Unterüberschriften immer von der Redaktion ohne Gegenlesen erzeugt worden zu sein, wobei sie meist entstellende Zusammenfassungen dessen sind, was irgendwer in der Redaktion in die Artikel hinein- oder aus ihnen herausliest.

2 Responses to “Mein Jungle-World-Artikel zu “Verschwörungstheorien”, Nationalismus & Klassenkampf – mit Korrekturen”

  1. Benny Says:

    Hallo Kulla,

    ich habe Deinen Artikel mit Interesse gelesen und hätte dazu noch eine Frage. Du schreibst:

    “Und all jene Linke, die statt von Herrschaft nur mehr von Macht oder vom »automatischen Subjekt« sprechen, können angesichts von um sich greifenden Phantasien einer schrankenloseren und weniger skrupelbehafteten Herrschaftsausübung nicht mehr gesellschaftlich, nicht mehr sozialistisch und schon gar nicht klassenkämpferisch, mit der Überwindung von Binnenkonkurrenz in der Klasse, antworten, sondern meist nur noch moralisch und psychiatrisch.”

    Könntest Du den von Dir festgestellten Unterschied zwischen Herrschafts- und Machtkritik noch etwas genauer erklären, oder wenn Du keinen Bock hast einfach einen Link zu einem Text dazu posten. Ich muss da jetzt spontan an eine Kritik an Foucault und seiner kleinteiligen Analyse einer “Biomacht” denken, die nur in eine linke Politik der Mikrotechniken, aber nicht in ein grundlegendes Umwerfen gesellschaftlicher Strukturen, münden kann. Ist das in diese Richtung gedacht? Wie passt dann Deine Kritik am “automatischen Subjekt” rein. Ist das dann eher als eine Kritik an der “post-antideutschen a.k.a. ideologiekritischen” Lesart dieses Begriffs gedacht oder kritisierst Du den Begriff und seine “Entdeckung” durch wertkritische Theorie generell?

    So far. Danke schon mal. Bitte weitermachen, lass Dich nicht unterkriegen.

  2. classless Says:

    @ Benny

    Eventuell längere Ausführung nötig (noch eine von den Sachen, bei denen ich eben nicht einfach auf was verlinken kann) – mal sehen, ob ich dazu komme…

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