Ökonomischer Gottesdienst, Umbau

October 7th, 2008

Es wird umgebaut, Abteilungen werden verschoben, die Mitarbeiter halten das meiste davon für kontraproduktiv. In einem Gespräch mit zwei Kollegen fällt der Begriff “bedarfsorientierte Planwirtschaft” und wird sofort wieder in Zweifel gezogen: “Naja, orientiert… eher grob angepeilt…?” Die Überlegungen gehen weiter und die beiden Kollegen einigen sich schließlich darauf, daß alle versuchen, “eine schöne Zahl” zu erzeugen, ohne unbedingt zu wissen, wovon das abhängt.

Vor dem Umbau wurde Autorität im Markt gern dadurch demonstriert, indem jemand Übergeordnetes willkürlich etwas dreckig machte, was dann jemand Untergeordnetes wieder sauber machen mußte. Dafür würden sich nun die neuen weißen Dienste-Counter noch viel besser eignen, da man auf ihnen jeden Fingerabdruck weithin sieht. Doch irgendwie hat sich alles verändert. Während des Umbaus wurde nämlich in allem Chaos viel mehr verkauft und die Kunden erwarteten kaum Beratung. Also sind viele Mitarbeiter bei diesem Modus geblieben und lassen halbausgepackte Paletten in den Gängen stehen, die sich auch recht schnell leeren. Einer erklärt, daß es noch viel dreckiger und mülliger sein müßte, um die Beuteinstinkte der Kunden zu wecken. Ein anderer schlägt vor, hier und da ein paar Betrunkene herumliegen zu lassen.

In den neu zusammengelegten Abteilungen wird schnell sichtbar, daß sie deutlich unterbesetzt sind. Als Kunden sich darüber beschweren, kommt der Marktleiter, der die Unterbesetzung entschieden hat, und schimpft. (Der Abteilungsleiter fragt daraufhin einen Security-Mann, ob sie nicht eine Überwachungsvideo vom Ausflippen des Marktleiters haben würden.) Kurz darauf läuft der Marktleiter herum und versucht sich in Anti-Snafu. Eine Kollegin erzählt, daß er sie im Plauderton darüber befragt hätte, wie sie den Umbau finden würde, ob es ihr jetzt besser gefiele. Als sie immer nur höflich geantwortet hatte, daß sie’s gut fände, bohrte er nach: “Nun sagen Sie doch mal ehrlich, wie Sie’s finden!” Hab ich natürlich nicht gemacht, erzählt sie.

6 Responses to “Ökonomischer Gottesdienst, Umbau”

  1. x Says:

    wenn die stelle mit dem betrunkenherumliegen geschaffen wird sag mir bescheid!!

  2. classless Says:

    Vielleicht kannst du bald beim Marketing-Projekt “Punk Sales” anheuern, dem Spezialisten für die Einkaufswelt “domestizierte Plünderung”. Die Ware muß vom Kunden aus Bierlachen geborgen werden, er muß sich an brennenden Mülltonnen vorbei und durch zerbrochene Scheiben hindurch seinen Weg bahnen. Das ist die kommerzielle Umsetzung der Broken-Glass-Theory – wenn erstmal was kaputt ist, geht’s los. Motto: “Winterschlussverkauf war gestern – heute ist ganz Schluss – kaufen, als wenn’s kein Morgen gibt!”

    Oder so.

  3. helge Says:

    gutes konzept. das blasen wir auf 20 slides auf, knallen ein paar moods dazwischen (irgendwas aus genua) und verticken die nummer an redblue marketing.

  4. classless Says:

    Ganz wichtig: Keine Preisschilder, nur sowas wie “Groß und billig” oder der Klassiker “Tipp-topp allet drum und dran”. Bei Billig-Notebooks steht nicht bloß, was sie haben, sondern auch ganz groß, was sie nicht haben: “Ohne Grafikkarte – wer braucht’n so’n Scheiß?!”

  5. Cannabis Kommando Says:

    Und, hat´s der Marktleiter auf Youtube geschafft?

  6. classless Says:

    Ich hab nichts gefunden.

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