Wie es anfing mit den Nazis

September 16th, 2019

Übersicht der bisherigen Postings zur Entstehung des Nationalsozialismus

Egal wie oft das auch beim Thema “Anfänge des Nationalsozialismus” behauptet wird: ES ging damals 1919 nicht links und unten los, sondern es ging zuallererst gegen links und unten. (Sofern diese Begriffe überhaupt sein müssen…) Es war keine “Spielart des Sozialismus”, es ging gegen den Sozialismus, d.h. gegen das, was darunter ganz überwiegend verstanden wurde. Es ging nicht gegen das Kapital, sondern es sollte dem Kapital der Weg für möglichst rücksichtslose Durchsetzung gegen Konkurrenz und Infragestellung freigeschossen werden. Die Konterrevolution war ganz überwiegend keine “naturwüchsige”, volkstümliche Reaktion, sondern bestand vor allem aus Militär, das angeheuert, bewaffnet und gezielt auf die Streikenden und Aufständischen losgelassen wurde. Politisches Programm und Ideologie waren der Herkunft und dem Interesse nach bürgerlich und militärisch, in Resten noch monarchisch-aristokratisch, und standen den Programmen der organisierten Arbeitskräfte offen feindlich gegenüber. Um die Arbeitskräfte aber für die Nation (also das einheimische Kapital) zurückgewinnen zu können, war mehr als die jahrelange brutale Repression erforderlich, es brauchte auch die Verkleidung des Faschismus als “Nationalsozialismus” und seine Massenbasis in der übrigen Bevölkerung, bis schließlich erst im Verlaufe der 30er Jahre der Widerstand tatsächlich gebrochen werden konnte.

Hier die bisherigen Postings dazu, wie das mit den Nazis losging, Januar bis September 1919.

Anwerbung und erster Großeinsatz der Freikorps beim Januaraufstand 1919:

“Ab dem 9., mit voller Wucht am 11. und 12. Januar gehen die Freikorps im Auftrag der SPD-Führung mit Kriegswaffen (Panzer, Artillerie, Maschinengewehre) und Terror (Erschießungen, öffentliche Misshandlungen wie Spießrutenlauf) in der eigenen Hauptstadt gegen die eigene Bevölkerung vor. Dabei kommen mindestens 150 Menschen ums Leben.”

Freikorps werden zur Reichswehr:

“Am 6. März 1919 beschließt die Nationalversammlung in Weimar das “Gesetz über die Bildung einer vorläufigen Reichswehr” durch “Zusammenfassung bereits bestehender Freiwilligenverbände”. Die unterzeichnenden Ebert, Noske und der preußische Kriegsminister Walther Reinhardt (“einer der Planer der Ausrufung eines selbstständigen Oststaates, von dem aus später eine nationale Erhebung in ganz Deutschland ausgehen sollte”) machten so die Freikorps, während sie bereits in Berlin und anderen Teilen des Reiches gegen Streikende und Aufständische wüteten, zur offiziellen Armee, die “den Anordnungen der Reichsregierung Geltung verschafft und die Ruhe und Ordnung im Innern aufrechterhält.“ (Gesetzestext) Als das Gesetz am 12. März öffentlich verkündet wurde, waren dem Wirken dieser Armee bereits mehr als 1000 Menschen zum Opfer gefallen.”
(März 1919 in Berlin, Teil 2: Freikorps greifen an, Streik verschärft sich)

Einmarsch in München, Ende April/Anfang Mai 1919:

“Dann finden tagelang immer mehr und umfangreichere Erschießungen nach “spontanen Standgerichten” statt und es kommt zu regelrechten Massakern (auch an katholischen Handwerksgesellen und russischen Kriegsgefangenen), immer angefeuert durch die Presse (SPD-nahes Bamberger Volksblatt: “Der gewöhnliche Tod des Erschießens ist für die Münchner Bestien viel zu wenig…”). Bis 6. Mai gibt es mindestens 650 Tote, als besonders brutal tut sich das Bayerische Schützenkorps unter Franz Ritter von Epp hervor und schießt “alles, was nach Arbeiter aussieht und sich auf die Straßen wagt, nieder” (Schaupp). Unter den Verantwortlichen des Korps finden sich Ernst Röhm, Rudolf Heß und viele andere später wichtige Nazis. Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) dankt Oberbefehlshaber General von Oven “für die umsichtige und erfolgreiche Leitung der Operation in München”. (…)

Auch in Bayern bildet sich eine militärische Parallelregierung, die sogenannte “Ordnungszelle”, die dafür sorgen wird, dass der Versailler Vertrag nicht ratifiziert wird und sich im Schutz der weiter bestehenden paramilitärischen Verbände der Grundstock des Nationalsozialismus formieren kann, als dessen Geburtsstunde schon Zeitgenossen wie Erich Mühsam den Einmarsch der Hakenkreuz-geschmückten Truppen in München wahrnehmen.”
(Terror der SPD-Regierungstruppen vorläufig siegreich)

Antisemitismus in der Reichswehr, Sommer 1919:

“Zu dieser Zeit laufen die verschiedenen antisemitischen Hauptstoßrichtungen noch eher unverbunden nebeneinander her (ganz kurz: Militär gegen angebliche jüdische Kriegsdrückerei und “Dolchstoß”, Staatsapparat und Junker gegen Umsturz und Bolschewismus, Bürgertum gegen Kriegsgewinnlertum und Schieberei der anderen). Im Laufe der kommenden Monate entsteht aus ihnen nach und nach die große Erzählung von der “jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung” als Kern der nationalsozialistischen Weltanschauung.”

Hitler Teil I – Säuberung von der Revolution:

“Am 9. Mai 1919 wurde der Gefreite der bayerischen Armee Adolf Hitler in den Untersuchungsausschuss seines Regiments zur Säuberung von Anhängern der soeben niedergeschlagenen Räterepublik Baiern berufen.”

Hitler Teil II – Umschulung auf Konterrevolution:

“Am 10. Juli 1919 beginnt der Gefreite der bayerischen Armee Adolf Hitler seine Weiterbildung zum Reichswehr-Propagandisten. (…) Diese Kurse knüpften an den “Vaterländischen Unterricht” im Deutschen Heer ab 1917 gegen die “Friedensduselei” an, nun sollten im Sinne des Initiators Karl Mayr sogenannte “Bildungsoffiziere” zur völkischen Wappnung der Truppe gegen den Bolschewismus (also praktisch weiterhin vor allem gegen die USPD und die Räte) ausgebildet werden, um der de-facto-Militärherrschaft in weiten Teilen des Reiches einen ideologischen Unterbau zu verschaffen.”

Bamberger Verfassung vom 14. August 1919:

“Die Konterrevolution war nun kodifiziert, das legalisierte Zusammenspiel aus permanentem Ausnahmezustand, staatlicher und nichtstaatlicher Repression und Gewalt begründete die sogenannte “Ordnungszelle Bayern”, die als “politisches System der institutionalisierten Gegenrevolution” (Sebastian Zehetmair) den Rahmen für den Aufstieg der NSDAP bildete.”

Hitler Teil III – Propagandafeldversuch für die Reichswehr:

“Hitler war nun als Gefreiter im Weltkrieg, in der Räterepublik, im Untersuchungsausschuss zur konterrevolutionären Säuberung seiner Truppe, bei der Weiterbildung zum Reichswehr-Propagandisten und in seinem ersten Propaganda-Einsatz in Lechfeld gewesen und stand zwar zunächst ohne Aufgabe da, hatte sich aber weiter oben nachdrücklich empfohlen (er war nun einer von 70 Propagandisten auf Mayrs Einsatzliste), sich mit den wichtigsten Propagandaschriften der Zeit vertraut machen und wichtige Verbindungen aufbauen können”

Hitler Teil IV – Als Aufbauhelfer zur DAP

“Am 12. September 1919 lässt Karl Mayr, Leiter der Propagandaabteilung Ib/P bei der „vorläufigen Reichswehr in Bayern“, den Gefreiten Adolf Hitler und mindestens sieben weitere Soldaten eins der ersten öffentlichen Treffen der direkten NSDAP-Vorgängerorganisation Deutsche Arbeiterpartei (DAP) besuchen. (…)

Die Reichswehrführung möchte auf das politische München Einfluss nehmen und unterstützt die noch kleine DAP, die ihr zum einen mit ihrer antibolschewistischen und antisemitischen Haltung nahesteht und die sich zudem durch ihre Basis unter Arbeitskräften der Eisenbahnwerke als Brückenkopf in der “revolutionär verseuchten Arbeiterschaft” anbietet. (…)

Wenige Tage später tritt Hitler, wie andere der Anwesenden, der Partei bei. Und hier findet er, der ansonsten nach dem Fehlschlag in Lechfeld weitgehend beschäftigungslos in der Abwicklungsstelle seines Regiments festsaß, eine neue Aufgabe, die sich in seiner Tätigkeit als Truppenbibliothekar ab November 1919 konkretisieren wird: in der Zusammenschau der im Bestand der Reichswehr befindlichen völkisch-antisemitischen Literatur zur neuen Doktrin des “Nationalsozialismus”.”

Zusammenfassung (Auschwitz-Gedenktag):

“Am Ende des Ersten Weltkrieges gab es (nicht nur) in Deutschland eine Revolution, getragen von einer sozialistischen Massenbewegung, die offen gegen Antisemitismus auftrat und die selbst eins der Hauptziele der antisemitischen Propaganda war. Gegen diese Revolution (und damit auch gegen viele ihrer eigenen Parteianhänger) setzte die neue SPD-Regierung auch offen antisemitische Truppen ein, die sich während ihrer konterrevolutionären Kämpfe, in denen Tausende der Revolutionäre getötet, gefangen und misshandelt wurden, zum Nationalsozialismus formierten, der sich so schon vieler seiner Gegner entledigen, ideologisch festigen und seine Machtbasis bilden konnte.

Wie viele derer, die später am Holocaust mitwirkten und ihn vorbereiteten, war auch der Auschwitz-Lagerkommandant Rudolf Höß an der Niederschlagung von Aufständen während der Revolutionszeit beteiligt. Er kämpfte, wie u.a. auch NSDAP-Reichsleiter Martin Bormann, im Freikorps Roßbach, der 1920 unter dem Oberbefehl des Namibia-Veterans Paul-Emil von Lettow-Vorbeck zum Einsatz kam: “Die Einheit wurde gegen die in der Folge des Kapp-Putsches ausgebrochenen Unruhen, zunächst in Mecklenburg und ab April 1920 auch im Ruhrgebiet eingesetzt.”


Liste von Freikorps-Mitgliedern und was aus ihnen wurde

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